Rn. 54
Stand: EL 171 – ET: 02/2024
Ein Handelsvertreter kann von dem Unternehmer nach Beendigung des Vertragsverhältnisses unter den in § 89b HGB geregelten Voraussetzungen eine angemessene Ausgleichszahlung verlangen. Solche Ausgleichszahlungen stellen keine Entschädigungen nach § 24 Nr 1 Buchst a oder b EStG dar. Sie gehören vielmehr zum laufenden Gewinn des Handelsvertreters. Dies gilt auch dann, wenn die Entschädigung mit der Veräußerung oder Aufgabe des Betriebs zusammenfällt.
Bei dem Ausgleichsanspruch handelt es sich um eine Forderung, die ihrer rechtlichen und wirtschaftlichen Natur nach einen zusätzlichen gesetzlichen Vergütungsanspruch des Handelsvertreters für die vor Vertragsende geleisteten und nach Vertragsende fortwirkenden Dienste darstellt. Der Anspruch beruht unmittelbar auf dem Handelsvertreterverhältnis und setzt keinen besonderen Willensentschluss voraus, wie ihn die Aufgabe einer Tätigkeit oder eines Gewerbebetriebs erfordert (BFH vom 10.07.1973, VIII R 228/72, BStBl II 1973, 775; BFH vom 14.10.1980, VIII R 184/78, BStBl II 1981, 97; BFH vom 14.06.2000, X B 97/99, BFH/NV 2001, 65; BFH vom 09.02.2011, IV R 37/08, BFH/NV 2011, 1120; BFH vom 27.10.2015, X R 12/13, BFH/NV 2016, 898).
Die Annahme eines firmenwertähnlichen Rechts (immaterielles WG), dessen stille Reserven anlässlich einer Betriebsaufgabe aufzulösen wären, scheidet deshalb aus. Allenfalls der Nachfolger des Handelsvertreters kann vom Geschäftsherrn ein "Vertreterrecht" (immaterielles WG) erwerben, wenn es dem Geschäftsherrn gelingt, den Ausgleichsanspruch des scheidenden Vorgänger-Handelsvertreters gemäß § 89b HGB auf dessen Nachfolger im Wege der Schuldübernahme zu überwälzen (BFH vom 09.02.2011, IV R 37/08, BFH/NV 2011, 1120).
Rn. 55
Stand: EL 171 – ET: 02/2024
Die steuerliche Begünstigung einer Ausgleichszahlung nach § 89b HGB erfolgt also stets über § 24 Nr 1 Buchst c EStG iVm § 34 Abs 2 Nr 2 EStG. Dabei muss die Ausgleichzahlung für das Eingreifen der Steuerermäßigung – wie auch bei den anderen Tatbeständen des § 24 Nr 1 EStG – zusammengeballt zufließen. Das Vorliegen einer Ausgleichzahlung iSd § 24 Nr 1 Buchst c EStG allein reicht dafür nicht. Diese Zahlungen stellen nicht stets außerordentliche Einkünfte iSd § 34 EStG dar (BFH vom 04.12.2001, X B 112/01, BFH/NV 2002, 346).
Deshalb ist eine Vorauszahlung auf einen künftigen Ausgleichsanspruch nicht tarifbegünstig (BFH vom 27.10.2015, X R 12/13, BFH/NV 2016, 898). Im Regelfall wird jedoch eine Zusammenballung vorliegen, weil Ausgleichszahlungen häufig durch die Beendigung des Betriebs veranlasst sind und die Ausgleichsforderung in der Schlussbilanz zu aktivieren ist (s Ferstl in Frotscher/Geurts, § 24 EStG Rz 52 (April 2023)).
Rn. 56
Stand: EL 171 – ET: 02/2024
§ 24 Nr 1 Buchst c EStG knüpft nur an solche Entschädigungen an, die als Ausgleichzahlungen an Handelsvertreter auf der Grundlage von § 89b HGB gewährt werden. Erfasst werden somit nur Zahlungen, die unbeschadet ihrer Bezeichnung auf einer unmittelbaren oder entsprechenden Anwendung dieser Vorschrift beruhen (BFH vom 12.10.1999, VIII R 21/97, BStBl II 2000, 220).
Wird in einem Versicherungsvertretervertrag vereinbart, dass eine Altersversorgung in Form einer Lebensversicherung auf den Ausgleichsanspruch nach § 89b Abs 5 HGB angerechnet wird, handelt es sich nicht um eine Zahlung nach § 89b HGB, sondern um Einkünfte aus KapVerm (BFH vom 08.12.2016, III R 41/14, BStBl II 2017, 630). Daneben sind von der Rspr auch solche Ausgleichszahlungen anerkannt worden, die aufgrund einer dem § 89b HGB entsprechenden Vorschrift ausländisch Rechts erfolgt sind (FG D'dorf vom 12.03.1997, 14 K 2456/93 E, EFG 1997, 668).