1. Allgemeines
Rn. 20
Stand: EL 171 – ET: 02/2024
In § 24 Nr 1 Buchst a EStG werden Entschädigungen behandelt, die als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen gewährt worden sind. Dies setzt voraus, dass die Zahlung nicht zur Erfüllung der ursprünglich vertraglich vorgesehenen Leistungsverpflichtung erbracht wird (etwa als geschuldeter Arbeitslohn), sondern mit ihr das (Schadens-)Ersatzinteresse des StPfl befriedigt wird (etwa als Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes). Erforderlich ist grds, dass das zu Grunde liegende Rechtsverhältnis beendet wird und die Ersatzleistung aus diesem Anlass zufließt (BFH vom 12.04.2000, XI R 1/99, BFH/NV 2000, 1195; BFH vom 01.08.2007, XI R 18/05, 2007, 2104; FG Mchn vom 26.07.2016, 6 K 1608/13, EFG 2017, 1175). Die Zahlung muss deshalb auf einer neuen Rechts- oder Billigkeitsgrundlage beruhen (BFH vom 13.03.2018, IX R 16/17, BStBl II 2018, 709; BFH vom 06.12.2021, IX R 10/21, BFH/NV 2022, 717). Es muss sich um einen Ersatz für entgangene oder entgehende stpfl Einnahmen handeln, der grds bei allen Einkunftsarten des § 2 Abs 1 S Nr 1–7 EStG vorkommen kann.
Eine Mitwirkung des StPfl an dem schadensstiftenden Vorgang ist unschädlich, wenn dieser sich in einer Zwangslage befand, weil er unter erheblichem rechtlichen, wirtschaftlichen oder tatsächlichen Druck gehandelt hat (BFH vom 13.08.2003, XI R 18/02, BStBl II 2004, 106; BFH vom 13.03.2018, IX R 16/17, BStBl II 2018, 709).
Darüber hinaus wird insbesondere bei unternehmerischen Einkünften überwiegend gefordert, dass sich es sich um ein außerordentliches Ereignis handelt. Der zur Entschädigung führende Vorgang darf nicht zum normalen und üblichen Geschäftsbetrieb gehören (BFH vom 20.07.1978, IV R 43/74, BStBl II 1979, 9; BFH vom 10.09.1998, IV R 19/96, BFH/NV 1999, 308; Mellinghoff in Kirchhof, § 24 EStG Rz 9 (22. Aufl); kritisch Schiessl in Brandis/Heuermann, § 24 EStG Rz 14 (Februar 2023); Zeising, BB 2021, 1303).
2. Neue Rechts- oder Billigkeitsgrundlage
Rn. 21
Stand: EL 171 – ET: 02/2024
Eine Entschädigung iSv § 24 Nr 1 EStG liegt nicht vor, wenn die Zahlung das Erfüllungsinteresse des StPfl befriedigt. Dabei ist es unerheblich, ob die Einnahme zur Erfüllung des primären vertraglichen Leistungsanspruchs oder eines an dessen Stelle getretenen sekundären Schadensersatzanspruchs gezahlt worden ist. Die Zahlung darf auch nicht nachträglich zur Erfüllung vertraglicher Ansprüche erfolgt sein (BFH vom 16.03.1993, XI R 52/88, BStBl II 1993, 507 betreffend Lohnnachzahlungen für mehrere Jahre). Der BFH folgert in ständiger Rspr vielmehr aus dem Tatbestandsmerkmal "Ersatz" für entgangene oder entgehende Einnahmen, dass die Entschädigung auf einer neuen Rechts- oder Billigkeitsgrundlage beruhen muss (s etwa BFH vom 13.03.2018, IX R 16/17, BStBl II 2018, 709; BFH vom 06.12.2021, IX R 10/21, BFH/NV 2022, 717).
Als neue Rechtsgrundlagen kommen gesetzliche und vertragliche Ansprüche in Betracht, wobei zu Letzteren etwa auch Prozessvergleiche gehören. Arbeitsvertragliche Rechtsansprüche können sich auch aus Tarifverträgen, Betriebsvereinbarungen – insbesondere Sozialplänen (s § 112 BetrVG) – und sog betrieblicher Übung ergeben. Auf einer Billigkeitsgrundlage beruht eine Entschädigung dann, wenn sie nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) oder in Erfüllung einer Fürsorgepflicht des ArbG geleistet wird.
Rn. 22
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Die Rechtsgrundlage muss neu sein. Daran fehlt es nach bisheriger ständiger Rspr des BFH, wenn einzelne Rechte oder Ansprüche eines im Übrigen fortgeltenden Rechtsverhältnisses abgegolten oder abgelöst werden. Eine Entschädigung iSv § 24 Nr 1 Buchst a EStG setzt danach vielmehr voraus, dass das zu Grunde liegende Rechtsverhältnis beendet worden ist (s etwa BFH vom 10.10.2001, XI R 50/99, BStBl II 2002, 347; BFH vom 18.05.2005, XI B 45/04, BFH/NV 2005, 1812; BFH vom 16.09.2015, III R 22/14, BFH/NV 2016, 26). Ob und wann dies der Fall ist, bestimmt sich nach den vertraglichen oder gesetzlichen Grundlagen. Daraus ergibt sich, ob und zu welchem Zeitpunkt ein Vertragsverhältnis – etwa durch Kündigung – wirksam beendet worden ist.
Aus dem Umstand, dass einer Entschädigungszahlung ein neuer Vertrag zu Grunde liegt, folgt aber noch nicht zwingend ihre Einordnung als Entschädigung iSv § 24 Nr 1 Buchst a EStG. Es darf sich der Sache nach nicht um Erfüllungsansprüche aus dem früheren Vertragsverhältnis handelt. Solche können etwa in Anschlussverträgen, Vertragsmodifikationen oder Vergleichen geregelt werden.
Ob im Zeitpunkt der Vertragsbeendigung noch Erfüllungsansprüche bestehen, ist ausschließlich nach zivilrechtlichen Grundsätzen zu beurteilen. Daher sind zB Zahlungen für bereits erdiente erfolgsabhängige Vergütungen grds Erfüllung des ursprünglichen Anstellungsvertrages und keine Entschädigung für entgehende Einnahmen (BFH vom 24.10.2007, XI R 33/06, BFH/NV 2008, 361).
Rn. 23
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Im Bereich des Arbeitsrechts wird Gestaltungsspielraum dadurch eröffnet, dass der BFH für die Abgrenzung zwischen vertraglichen Erfüllungsleistungen und Ents...