A. Bedeutung und systematische Stellung der Vorschrift
Rn. 1
Stand: EL 171 – ET: 02/2024
§ 24 EStG regelt die Zuordnung
- von bestimmten Entschädigungen (Nr 1),
- von Einkünften aus ehemaligen Tätigkeiten oder früheren Rechtsverhältnissen (Nr 2) sowie
- von Nutzungsvergütungen nebst Zinsen für die Inanspruchnahme von Grundstücken für öffentliche Zwecke (Nr 3)
zu den Einkünften iSd § 2 Abs 1 EStG. Mit dieser Vorschrift wird keine zusätzliche Einkunftsart geschaffen (BFH vom 12.06.1996, XI R 43/94, BStBl II 1996, 516). Dies folgt bereits aus den einleitenden Worten "gehören auch". Sie setzt vielmehr die sieben Einkunftsarten des § 2 Abs 1 EStG voraus und schließt in systematischer Hinsicht die Zuordnungsnormen der §§ 13–24 EStG ab (s § 2 Abs 1 S 2 EStG).
§ 24 EStG gehört zum Unterabschnitt 8. h) des Abschnittes II über das Einkommen und damit zu den gemeinsamen Vorschriften, die für alle Einkunftsarten gelten.
Rn. 2
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Die StPfl wird somit durch § 24 EStG nicht über die gesetzlich bestimmten Einkunftsarten hinaus ausgedehnt. Die in dieser Norm aufgeführten Einnahmen müssen vielmehr zu einer Einkunftsart iSd § 2 Abs 1 EStG gehören. § 24 EStG hat nur eine klarstellende Funktion und regelt ergänzend den sachlichen Umfang der Einkunftsarten (Schiessl in Brandis/Heuermann, § 24 EStG Rz 2 (Februar 2023)).
Eine konstitutive Wirkung kommt allerdings § 24 Nr 2 Hs 2 EStG zu. Durch diese Bestimmung wird die Besteuerung nachträglicher Einkünfte beim Rechtsnachfolger angeordnet (s auch BFH vom 25.01.1994, VIII B 111/93, BStBl II 1994, 455; BFH vom 17.12.2077, GrS 2/04, BStBl II 2008, 608; Füssenich in K/S/M, § 24 EStG A 16 (März 2022)).
Im Schrifttum wird zum Teil vertreten, § 24 EStG habe auch im Hinblick auf Entschädigungen iSd Nr 1 Buchst a und b bei Überschusseinkünften rechtsbegründenden Charakter (Horn in H/H/R, § 24 EStG Rz 10 (April 2019)). Praktische Bedeutung kommt dieser dogmatischen Frage allerdings nicht zu.
Rn. 3
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Die wesentliche Bedeutung des § 24 EStG liegt in seiner Vorschaltfunktion zu § 34 EStG. Entschädigungen iSv § 24 Nr 1 EStG sind nach § 34 Abs 1, 2 Nr 2 EStG als außerordentliche Einkünfte ermäßigt zu besteuern. Entsprechendes gilt für Nutzungsvergütungen und Zinsen iSv § 24 Nr 3 EStG, soweit sie für einen Zeitraum von mehr als drei Jahren nachgezahlt werden (§ 34 Abs 1 2, Nr. 3 EStG). Eine solche Begünstigung gilt jedoch nicht für Einkünfte aus einer ehemaligen Tätigkeit oder einem früheren Rechtsverhältnis iSv § 24 Nr 2 EStG.
Die Einordnung von Einkünften unter die Tatbestände von § 24 Nr 1 oder 3 EStG reicht für das Eingreifen der Tarifbegünstigung aber nicht aus. Zusätzlich muss eine Außerordentlichkeit der Einkünfte iSv § 34 EStG vorliegen, die anhand der Tatbestandsvoraussetzungen dieser Norm eigenständig zu prüfen ist; dazu s § 34 Rn 50–55, 81–95 (Graf).
B. Entstehungsgeschichte
Rn. 4
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Die Vorschrift hat ihren Ursprung in § 44 EStG 1925 und galt als § 24 EStG 1934 im Wesentlichen unverändert bis 1960 weiter. Durch das StÄndG 1961 wurden erstmals Ausgleichszahlungen an Handelsvertreter nach § 89b HGB in den Entschädigungskatalog aufgenommen. Damit sollte als Reaktion auf ein Urt des BFH vom 22.10.1959, IV 118/59 S, BStBl III 1960, 21 ihre tarifliche Begünstigung nach § 34 Abs 2 Nr 2 EStG ermöglicht werden.
Die durch das StÄndG 1965 angefügte Nr 3 des § 24 EStG (Nutzungsvergütungen und Zinsen für die Inanspruchnahme von Grundstücken für öffentliche Zwecke) geht ebenfalls auf Rspr des BFH zurück (BFH vom 14.06.1963, VI 216/61 U, BStBl III 1963, 380) und sollte den vom Gesetzgeber als unbillig empfundene Ausschluss von der ermäßigten Besteuerung beseitigen (s zur Entstehungsgeschichte insoweit BFH vom 28.04.1998, VIII R 22/95, BStBl II 1998, 560). Anschließend erfolgten lediglich redaktionelle Anpassungen.
C. Anwendungsbereich
Rn. 4a
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§ 24 EStG gilt sowohl für die Einkünfte von unbeschränkt (§ 1 Abs 1–3, § 1a EStG) als auch von beschränkt (§ 1 Abs 4, §§ 49, 50 EStG) StPfl, über § 8 Abs 1 S 1 KStG ist die Vorschrift auch für das Einkommen von Körperschaften anzuwenden.
Bei Sachverhalten mit Auslandsbezug ist Voraussetzung, dass das inländische Besteuerungsrecht besteht (s FG BBg vom 22.04.2021, 9 K 9024/20, EFG 2022, 1022, Rev: I R 28/21; FG BdW vom 11.02.2020, 6 K 1055/18, EFG 2020, 1469, Rev: I R 30/20; jeweils für Abfindungen unter Geltung des DBA/Frankreich).
IRd inländischen Einkünfte von beschränkt StPfl ist insbesondere § 49 Abs 1 Nr 4 Buchst d EStG von Bedeutung, wonach darunter als Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit (§ 19 EStG) Entschädigungen iSv § 24 Nr 1 EStG gehören, die für die Auflösung eines Dienstverhältnisses gezahlt werden, soweit die für die zuvor ausgeübte Tätigkeit bezogenen Einkünfte nach dem einschlägigen DBA der inländischen Besteuerung unterlegen haben (s BFH vom 27.08.2008, I R 81/07, BStBl II 2009, 632; FG RP vom 25.01.2018, 6 K 1203/15, EFG 2018, 744).
§ 24 EStG ist auf alle Einkunftsarten des § 2 Abs 1 EStG anzuwenden, wobei Entschädigungen, die als Ausgleichszahlungen an Handels...