A. Entschädigungsbegriff
1. Auslegung
Rn. 11
Stand: EL 171 – ET: 02/2024
Im Gesetz ist der Begriff der Entschädigung iSv § 24 Nr 1 EStG nicht definiert. Sein Inhalt muss deshalb durch Auslegung bestimmt werden. Der Begriff der Entschädigung in seiner allg, für alle Fallgruppen (§ 24 Nr 1 Buchst a–c EStG) maßgeblichen Bedeutung meint Zahlungen, die eine finanzielle Einbuße (einen Schaden) ausgleichen, die ein StPfl infolge einer Beeinträchtigung seiner Rechtsgüter erlitten oder zu erwarten hat (BFH vom 08.08.1986, BStBl II 1987, 106; BFH vom 12.06.1996, BStBl II 1996, 516; BFH vom 11.01.2005, BStBl II 2005, 480; BFH vom 27.10.2015, BFH/NV 2016, 898).
Diese Begriffsbestimmung ist sehr allg gehalten. Sie wird vom Bemühen der Rspr des BFH und des ihm folgenden Schrifttums (s etwa Wacker in Schmidt, § 24 EStG Rz 4 (42. Aufl); Schiessl in Brandis/Heuermann, § 24 EStG Rz 10 (Februar 2023)) getragen, den Oberbegriff der Entschädigung für alle von ihm erfassten Kategorien – auf kleinstem gemeinsamem Nenner – einheitlich auszulegen.
Rn. 12
Stand: EL 171 – ET: 02/2024
Darüber hinaus folgt aus der unterschiedlichen Zielrichtung der in § 24 Nr 1 EStG geregelten Ersatzleistungen, dass die verschiedenen Tatbestände jeweils spezielle Zusatzvoraussetzungen für den Begriff der Entschädigung aufstellen.
§ 24 Nr 1 Buchst a EStG (Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen) betrifft Entschädigungen zur Abwicklung und Abgeltung von Interessen aus einem früheren Rechtsverhältnis. Hier ist die Entschädigung vornehmlich gegenüber dem Erfüllungsinteresse abzugrenzen. Deshalb ist es für die Annahme einer Entschädigung iSv § 24 Nr 1 Buchst a EStG grds erforderlich, dass sie auf einer neuen Rechts- oder Billigkeitsgrundlage beruht (BFH vom 27.10.2015, X R 12/13, BFH/NV 2016, 898; s Rn 21ff).
Die Entschädigung für die Aufgabe oder Nichtausübung einer Tätigkeit, für die Aufgabe einer Gewinnbeteiligung oder einer Anwartschaft auf eine solche (§ 24 Nr 1 Buchst b EStG) ist demgegenüber zukunftsgerichtet. Sie erfordert die Mitwirkung des StPfl und kann somit einvernehmlich vereinbart werden. Einer neuen Rechts- oder Billigkeitsgrundlage bedarf sie nicht und kann deshalb auch von vornherein Vertragsinhalt sein (s Rn 41).
§ 24 Nr 1 Buchst c EStG (Ausgleichszahlungen für Handelsvertreter) verweist zur Bestimmung der Tatbestandsvoraussetzungen auf § 89b HGB (s Rn 56ff). Die Tatbestände des § 24 Nr 1 Buchst a und c EStG schließen sich rechtlich und wirtschaftlich gegenseitig aus. Eine an einen Handelsvertreter geleistete Entschädigungszahlung kann somit aufzuteilen sein (s BFH vom 27.10.2015, X R 12/13, BFH/NV 2016, 898).
2. Schaden
Rn. 13
Stand: EL 171 – ET: 02/2024
Der gemeinsame Begriff der Entschädigung erfordert für alle Fallgruppen des § 24 Nr 1 EStG, dass der StPfl einen materiellen Schaden in Form einer finanziellen Einbuße erlitten hat. Der Schaden muss im Wegfall von stpfl Einnahmen bestehen, mit denen der StPfl rechnen konnte oder deren Bezug zumindest wahrscheinlich war (BFH vom 24.10.2007, XI R 33/06, BFH/NV 2008, 361; BFH vom. 18.10.2011, IX R 58/10, BStBl II 2012, 286; BFH vom 27.10.2015, X R 12/13, BFH/NV 2016, 898; Füssenich in K/S/M, § 24 EStG Rz B 3 (März 2022)). Die Entschädigungszahlung muss unmittelbar dazu bestimmt sein, den eingetretenen oder zu erwartenden Schaden auszugleichen (BFH vom 08.08.1986, VI R 28/84, BStBl II 1987, 106; BFH vom 26.05.2020, IX R 15/19, BStBl II 2021, 901; Mellinghoff in Kirchhof/Seer, § 24 EStG Rz 3 (22. Aufl)). Der Einnahmeverlust muss somit für die Entschädigung kausal gewesen sein. Dies ist dann der Fall, wenn sie unmittelbar durch den Verlust stpfl Einnahmen bedingt ist und nicht auf anderen Umständen beruht (BFH vom 11.12.1953, IV 260/52 U, BStBl III 1953, 57; BFH vom 26.05.2020, IX R 15/19, BStBl II 2021, 901).
Auch Folgeschäden können mit umfasst sein, etwa ein Einnahmeausfall, den ein StPfl dadurch erleidet, dass sein Ruf beeinträchtigt wird und er deshalb weniger Aufträge erhält (BFH vom 27.07.1978, IV R 149/77, BStBl II 1979, 66). Bei Entschädigungen durch Dritte, etwa einer Versicherung, ist erforderlich, dass der Dritte gegenüber dem Schädiger verpflichtet ist, den Schaden des StPfl zu ersetzen (BFH vom 12.07.2016, IX R 33/15, BStBl II 2017, 158; BFH vom 26.05.2020, IX R 15/19, BStBl II 2021, 901).
Die Kausalität des Einnahmeverlustes für die Entschädigungszahlung ist durch Würdigung sämtlicher Umstände, die für die Entschädigungsleistung relevant waren, insbesondere einer Entschädigungsvereinbarung, zu ermitteln. Auf dieser Grundlage ist zu bestimmen, ob und inwieweit die Zahlung als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen oder zum Ausgleich anderer Nachteile geleistet wird, die nur durch das auslösende Ereignis (mit-)verursacht worden sind (etwa immaterielle Schäden wie Schmerzensgeld bei Körperverletzungen, Umzugskosten, Ausgleich für das Zurücklassen einer Büroeinrichtung oder zu erwartende Ausgaben). So handelt es sich zB bei einer Abgeltungszahlung, die das Risiko einer teilweisen Rückzahlung von Vorsteuererstattungen nach Bee...