A. Entwicklung der Ehegattenbesteuerung
1. Ursprünglich nur Zusammenveranlagung
Rn. 1
Stand: EL 137 – ET: 08/2019
Jahrzehnte hindurch galt im deutschen ESt-Recht unangefochten für die Besteuerung unbeschränkt stpfl und nicht dauernd getrennt lebender Ehegatten das Prinzip der Zusammenveranlagung iSd § 26 EStG 1934–1955 (Haushaltsbesteuerung). Das Wesen der Zusammenveranlagung bestand in der Zusammenrechnung der Einkünfte, die jeder Ehegatte bezogen hatte, zu einem Einkommen, aufgrund dessen die Ehegatten gesamtschuldnerisch veranlagt wurden. Durch die Progressionswirkung des ESt-Tarifs führte das zu einer Besteuerung der Ehegatten in der Weise, dass sie – abgesehen von besonderen Fällen wie zB bei Vorhandensein von ausgleichsfähigen Verlusten bei einem Ehegatten – insgesamt stärker belastet wurden als zwei Personen, die nicht verheiratet waren, aber jede von ihnen ein gleich hohes Einkommen hatte wie jeder der Ehegatten. Gewisse Erleichterungen durch Herausnahme der Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit der Ehefrau in einem dem Ehemann fremden Betrieb (§ 43 EStDV 1953/55; vorher § 19 EStDV 1948/52 und davor bereits nach dem EStG 21) und später auch von Einkünften aus selbstständiger Arbeit und solcher aus Gewerbebetrieb bis zu 12 000 DM aus der Zusammenveranlagung (Zusammenrechnung) und damit teilweise gesonderte Veranlagung der Ehegatten (§ 26 Abs 3, 4 EStG 1955) vermochten die Progressionswirkung des Tarifs zwar nicht unerheblich zu mildern, zu einer grundsätzlichen Abkehr der klassisch zu nennenden deutschen Ehegattenbesteuerung führten sie aber nicht.
2. Progressive Ehegattenbesteuerung verfassungswidrig
Rn. 2
Stand: EL 137 – ET: 08/2019
Das BVerfG BStBl I 1957, 193 hatte in den Nachteilen, die sich aus der Anwendung des progressiven ESt-Tarifs auf das gemeinsame Einkommen der Ehegatten ergaben, einen Verstoß gegen Art 6 Abs 1 GG (Schutz von Ehe und Familie) gesehen und daraufhin § 26 EStG in den für die VZ 1949–1955 geltenden Fassungen für verfassungswidrig erklärt.
Durch das StÄndG, BGBl I 1957, 848 war daraufhin für die VZ 1949–1957 eine Übergangsregelung geschaffen worden, die im Grundsatz die getrennte Veranlagung der Ehegatten vorsah und im Übrigen auf Antrag der Ehegatten deren uneingeschränkte oder eingeschränkte (durch gesonderte Besteuerung bestimmter Einkünfte, die bereits bisher zulässig war) Zusammenveranlagung zuließ.
3. Wahlrecht u Splittingverfahren
Rn. 3
Stand: EL 137 – ET: 08/2019
Für die Zukunft (ab VZ 1958) beseitigte der Gesetzgeber mit dem StÄndG 1958, BGBl I 1958, 473 den vom BVerfG beanstandeten Zustand durch Einführung eines gleichrangigen Wahlrechts der Ehegatten zwischen
Der Progressionsnachteil im Falle der Zusammenveranlagung wurde dadurch ausgeglichen, dass das zusammengerechnete Ehegatteneinkommen nach dem sog Splitting-Verfahren (§ 32a Abs 5 EStG) besteuert wird. Dabei wird der auf die Hälfte des gemeinsam zu versteuernden Einkommens entfallende Steuerbetrag verdoppelt.
Aufgrund des progressiven Tarifaufbaus hat das Splitting-Verfahren zur Folge, dass die Zusammenveranlagung im Regelfall günstiger ist als die getrennte Veranlagung; das gilt jedenfalls bei unterschiedlich hohem Einkommen der Eheleute, bei gleich hohem Einkommen beider Ehegatten bringt die Wahl der Veranlagungsart dagegen in tariflicher Hinsicht weder Vor- noch Nachteile. Diese können sich aber durch Wahl der getrennten Veranlagung insb bei Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach § 34 Abs 1 EStG, des Progressionsvorbehalts nach § 32b EStG, der Tarifbegrenzung bei gewerblichen Einkünften nach § 32c EStG (aufgehoben ab VZ 2001) oder bei tarifabhängigen Steuerermäßigungen, zB §§ 34c, 34e, 35 EStG, ergeben, vgl Lüdicke, DStR 1984, 510; Falkenhagen, DB 1987, 2217; Hagen/Schynol, DStR 1999, 1430; Korezkij, BB 2000, 122 u 958; oV, GStb 2000, 96.
4. Gleichbehandlung im LSt-Abzugs- u Veranlagungsverfahren
Rn. 4
Stand: EL 137 – ET: 08/2019
Einem weiteren Verlangen des BVerfG BStBl II 1968, 70 zur Beseitigung unterschiedlicher Regelungen im LSt-Abzugs- und ESt-Veranlagungsverfahren – hier Stichtagsprinzip, dort Viermonatsfrist – entsprach der Gesetzgeber mit dem StÄndG 1968, BGBl I 1969, 414 dadurch, dass ab VZ 1970 auch für das Veranlagungsverfahren nicht mehr auf die Viermonatsfrist abzustellen ist. Seither genügt es für die Durchführung der Ehegattenbesteuerung nach § 26 Abs 1 EStG, dass die dort genannten Voraussetzungen zu Beginn des VZ vorgelegen haben oder im Laufe des VZ eingetreten sind, s Rn 45. Zudem wurde den Ehegatten mit der Wahl der besonderen Veranlagung für das Heiratsjahr nach § 26c EStG die Möglichkeit eröffnet, Steuervorteile, die ihnen im LSt-Abzugsverfahren gewährt worden waren (Haushaltsfreibetrag in StKl II; Verwitweten-Splitting in StKl III), auch im Veranlagungsverfahren zu erhalten.
Aus Gründen der Steuervereinfachung war § 26c EStG durch das EStRG, BGBl I 1974, 1769 ab VZ 1975 wieder gestrichen worden. Die hieran geübte Kritik führte jedoch zur Wiedereinführung dieser Veranlagungsart durch das StSenkG 1986/88, BGBl I 1985, 1153 ab VZ 1986.
§ 26c EStG wurde schließlich durch das StVereinfG 2011 v 01.11.2011, BGBl I 2011, 2131 ersatzlos aufgehoben....