1. Wesen des Zusammenveranlagungsbescheids
Rn. 59
Stand: EL 139 – ET: 10/2019
Dem FA steht es frei, gegen jeden Ehegatten gesondert einen (inhaltsgleichen) Bescheid zu erlassen (§ 155 Abs 1 AO) oder stattdessen die Ehegatten als Gesamtschuldner durch einen nach § 155 Abs 3 AO zusammengefassten Bescheid in Anspruch zu nehmen, BFH BStBl II 1995, 484; 1985, 583; aA Flies, DStR 1998, 1077. Der zusammengefasste Steuerbescheid enthält zwei inhaltlich und verfahrensrechtlich selbstständige, nur der äußeren Form nach zusammengefasste VA, die ein unterschiedliches (verfahrens-)rechtliches Schicksal haben können, BFH BStBl II 1986, 545.
2. Bekanntgabe des Zusammenveranlagungsbescheids
a) Bezeichnung des Adressaten
Rn. 60
Stand: EL 139 – ET: 10/2019
Ein Steuerbescheid muss die Person bezeichnen, der er bekannt zu geben ist, um wirksam zu werden, §§ 122 Abs 1, 124 Abs 1, 155 Abs 1 AO. Das sind bei Zusammenveranlagung zur ESt beide Ehegatten. Der zusammengefasste Bescheid ist auch dann hinreichend bestimmt, wenn er an "Herrn und Frau" iVm dem Vor- und Zunamen des Ehemannes gerichtet ist, BFH BStBl II 1982, 208; 1985, 603; BFH/NV 1986, 191; 1987, 281. Nach Tz 2.1.2. AEAO zu § 122 AO soll der Vorname beider Ehegatten angegeben werden.
Auch ein nach dem Tod eines Ehegatten an "Herrn und Frau ... (Name des überlebenden Ehegatten)" gerichteter Bescheid ist hinreichend bestimmt und einer wirksamen Bekanntgabe gegenüber dem überlebenden Ehegatten zugänglich; BFH BStBl II 1986, 545.
Der VA kann auch gegenüber einem Bevollmächtigten bekannt gegeben werden, § 122 Abs 1 S 3 AO. Die Steuerbescheide sind grds dem Bevollmächtigten bekannt zu geben, wenn die Bevollmächtigung dem FA bekannt ist, vgl BFH v 05.10.2000, BStBl II 2001, 86. Nur dann, wenn im Einzelfall besondere Gründe gegen die Bekanntgabe des Bescheides an den Bevollmächtigten sprechen, kann die Bekanntgabe auch unmittelbar an den StPfl erfolgen, vgl FG Nbg v 19.10.2005, III 38/2005, nachgehend BFH v 25.10.2006, X B 194/05.
b) Bekanntgabeerleichterungen nach § 122 Abs 6 u 7 AO
Rn. 61
Stand: EL 139 – ET: 10/2019
Durch das StBereinG 1999, BGBl I 1999, 2601, mit dem Abs 6 u 7 an § 122 AO angefügt wurden, ist die Bekanntgabe zusammengefasster Steuerbescheide gegenüber Ehegatten (auch Lebenspartner gemäß § 2 Abs 8 EStG) entscheidend vereinfacht worden. Nach § 122 Abs 6 AO ist die Bekanntgabe an einen der Ehegatten mit Wirkung für und gegen den anderen Ehegatten zulässig, wenn die Ehegatten mit dieser Verfahrensweise einverstanden sind. Im Bescheid ist auf die Wirkung der Bekanntgabe für und gegen den anderen Ehegatten hinzuweisen, AEAO zu § 122 AO Tz 2.1.3.
Rn. 62
Stand: EL 139 – ET: 10/2019
Nach § 122 Abs 7 S 1 AO genügt für eine wirksame Bekanntgabe an beide Ehegatten/Lebenspartner die Übermittlung einer Ausfertigung unter ihrer gemeinsamen Anschrift, solange sie diese nicht korrigieren (FG Köln v 26.03.2015, 11 K 1429/14, EFG 2015, 1154). Hierzu bedarf es keiner ausdrücklichen oder konkludenten gegenseitigen Bevollmächtigung zur Empfangnahme des Bescheids, so dass diese vereinfachte Form der Bekanntgabe auch bei fehlender Unterschrift eines oder beider Ehegatten unter der gemeinsamen Erklärung, bei Abgabe getrennter Erklärungen und insb in Schätzungsfällen wegen Nichtabgabe der Erklärung zum Wirksamwerden der Steuerfestsetzung führt, AEAO zu § 122 AO Tz 2.1.2.
Ein weiterer Anwendungsfall ist die Bekanntgabe des ESt-Vorauszahlungsbescheids. Da Empfänger der einen Ausfertigung des zusammengefassten Bescheids beide Ehegatten sind, sind sie beide namentlich im Anschriftenfeld aufzuführen.
Rn. 63
Stand: EL 139 – ET: 10/2019
Nach § 122 Abs 7 S 2 AO ist eine Einzelbekanntgabe nur erforderlich
- bei gemeinsamer Anschrift, wenn einer der Ehegatten dies ausdrücklich beantragt oder wenn dem FA bekannt ist, dass zwischen den Ehegatten ernstliche Meinungsverschiedenheiten bestehen,
- bei verschiedenen Anschriften, wenn kein Einverständnis zur Bekanntgabe nach § 122 Abs 6 AO (s Rn 61) vorliegt, vgl im Übrigen AEAO zu § 122 AO Tz 2.1.4.
Die Streichung der gegenseitigen Bevollmächtigung auf dem Vordruck des ESt-Mantelbogens ist nicht als Antrag auf Einzelbekanntgabe auszulegen, vgl FG BdW v 09.03.2006, EFG 2006, 1127.
3. Förmliche Zustellung
Rn. 64
Stand: EL 139 – ET: 10/2019
Wählt das FA ausnahmsweise die förmliche Zustellung nach dem VwZG, zB mit Postzustellungsurkunde (§ 3 VwZG), so muss jedem Ehegatten eine an ihn adressierte Ausfertigung des Steuerbescheids übermittelt werden, BFH BStBl II 1995, 681; AEAO zu § 122 AO Tz 3.4.
Die Übermittlung einer oder zweier Bescheidausfertigungen an die Eheleute als Zustellungsempfänger in nur einer Urkunde bewirkt einen Zustellungsmangel, da Zustellungsempfänger stets nur eine Einzelperson sein kann. Eine wegen Formmangels unwirksame, von der FinBeh angeordnete Zustellung kann nicht in eine wirksame "schlichte" Bekanntgabe iSd § 122 Abs 1 AO umgedeutet werden, BFH BStBl 1994, 603; 1995, 681; AEAO zu § 122 AO Tz 4.5.3.
4. Änderung des Zusammenveranlagungsbescheids
Rn. 65
Stand: EL 139 – ET: 10/2019
Ist die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung (§ 164 Abs 1 AO) nur einem Ehegatten gegenüber wirksam geworden, so besteht der im ursprünglichen Zusammenveranlagungsbescheid enthaltene Nachprüfungsvorbehalt im Verhä...