A. Entwicklungsgeschichte
Rn. 1
Stand: EL 139 – ET: 10/2019
Zur Entwicklung der Ehegattenbesteuerung im Allg s § 26 Rn 1–7 (Schneider). Durch das Urt des BVerfG v 17.01.1957, BStBl I 1957, 193 wurde die bis dahin vorherrschende Betrachtungsweise aufgegeben, dass die Ehe eine Wirtschaftsgemeinschaft und die Ehegatten eine Veranlagungseinheit bilden und dass sich diese Auffassung bereits aus dem Wesen der Ehe und der Haushaltsgemeinschaft ergibt. Folge der Behandlung der Ehegatten als steuerliche Personeneinheit mit einheitlicher Einkünfteerzielung war ua die Unbeachtlichkeit von Rechtsbeziehungen zwischen den Ehegatten für ihre Besteuerung. Demgegenüber muss nach der Meinung des BVerfG im Interesse einer iSd Art 6 Abs 1 GG verfassungskonformen Behandlung der Ehegatten auch bei ihnen der Grundsatz der Individualbesteuerung beachtet werden.
Rn. 2
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Die seither vorherrschende Betrachtungsweise wurde in § 26b EStG in der für die VZ 1958–1974 geltenden Fassung dadurch zum Ausdruck gebracht, dass bei der Zusammenveranlagung die Einkünfte der Ehegatten zusammenzurechnen sind. Die bloße Zusammenrechnung der Einkünfte bedeutet eine vorausgehende individuelle Ermittlung der Einkünfte eines jeden Ehegatten. Auf der Ebene der Einkünfteerzielung bilden die Ehegatten noch keine Einheit, sondern erst bei der daran anschließenden Ermittlung des zvE, so insb BFH BStBl II 1979, 401; 1980, 244; 1983, 674; 1985, 547; 1986, 713.
Konsequenterweise können für die Zurechnung von Einkünften auch Rechtsbeziehungen, die neben der ehelichen Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft zwischen den Ehegatten bestehen, steuerliche Wirkung entfalten, dazu gehören insb Gesellschafts-, Arbeits-, Darlehens- sowie Miet- und Pachtverträge, ausführlich dazu s § 26a Rn 6–19 (Schneider).
Die gemeinsame Zurechnung von Einkünften setzt die gemeinschaftliche Tatbestandsverwirklichung der jeweiligen Einkunftsart voraus und macht sodann eine Aufteilung auf beide Ehegatten erforderlich. Hierüber ist regelmäßig nicht im Verfahren der Zusammenveranlagung, sondern in einem Verfahren über die gesonderte und einheitliche Feststellung iSd §§ 179 Abs 2, 180 Abs 1 Nr 2 Buchst a u Nr 3 AO zu entscheiden, s Rn 73. Auf die Ermittlung und Zurechnung der Einkünfte hat mithin die von den Ehegatten gewählte Veranlagungsart iSd § 26 Abs 1 S 1 EStG keinen Einfluss. Die bei der jeweiligen Veranlagungsart anzuwendende Steuerberechnung nach der Grund- oder Splittingtabelle ist lediglich eine Tariffrage.
Rn. 3
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Seine jetzige Fassung hat § 26b EStG durch das ab VZ 1975 anzuwendende EStRG, BGBl I 1974, 1769 erhalten. Der Gesetzeswortlaut bringt deutlicher als bisher zum Ausdruck, dass zunächst die von jedem Ehegatten erzielten Einkünfte zu ermitteln, zusammenzurechnen und den Eheleuten gemeinsam zuzurechnen sind und die Ehegatten sodann gemeinsam als StPfl behandelt werden. Einen Hinweis auf die Tarifvorschrift des § 32a EStG enthält § 26b EStG nicht mehr. Der geänderte Gesetzeswortlaut hat gegenüber der früheren Rechtslage keine Neuerung gebracht – nicht in materiell-rechtlicher Hinsicht: BFH BStBl II 1983, 674 sieht in der Bestimmung, dass die zusammengerechneten Einkünfte den Ehegatten gemeinsam zuzurechnen sind und diese sodann gemeinsam als StPfl behandelt werden, lediglich eine klarstellende Ergänzung zur materiellen Ermittlung der gegen die Ehegatten festzusetzenden ESt – auch nicht auf verfahrensrechtlichem Gebiet: Nach BFH BStBl II 1985, 583 enthält ausschließlich die AO Verfahrensregelungen zur Steuerfestsetzung und -erhebung.
Mit der Einführung des § 2 Abs 8 EStG wurde der personelle Anwendungsbereich des § 26b EStG auf Lebenspartner und Lebenspartnerschaften erweitert. Somit gelten die Regelungen iVm der Zusammenveranlagung von Ehegatten auch für Lebenspartner und Lebenspartnerschaften entsprechend (s § 26 Rn 17a (Schneider).
Die folgenden Ausführungen zu Ehegatten gelten deshalb ebenso für Lebenspartner und Lebenspartnerschaften.
B. Verfassungsmäßigkeit
Rn. 4
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Die verfassungsrechtliche Würdigung des Ehegattensplittings ist von dem Grundgedanken geprägt, dass die Ehe eine Erwerbs- und Wirtschaftsgemeinschaft darstellt, in der ein Ehegatte an den Einkünften (und Lasten) des anderen jeweils zur Hälfte teil hat, vgl BVerfG v 03.11.1982, BStBl II 1982, 707: Es entspricht somit dem aus Art 3 GG abgeleiteten Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der StPfl. Das Splittingverfahren ist nach Auffassung des BVerfG, aaO, keine beliebig veränderbare Steuervergünstigung, sondern eine im Einklang des Art 6 GG stehende sachgerechte Besteuerung von Ehegatten.
Der in diesem sog Alleinerziehenden-Urt hergestellte sachliche Zusammenhang zwischen dem Splittingvorteil und den Kinderbetreuungskosten wurde vom BVerfG später im Urt v 10.11.1998, BVerfG BStBl II 1999, 182 mE zu Recht wieder aufgegeben.
Dieses Urt hat die Diskussion über die Abschaffung des Splittingverfahrens neu belebt, vgl ua Sacksofsky, NJW 2000, 1896. Die Kritik richtet sich ins...