A. Allgemeines
Rn. 55
Stand: EL 139 – ET: 10/2019
In verfahrensrechtlicher Hinsicht bleiben die Ehegatten ungeachtet der Zusammenveranlagung getrennte Steuersubjekte, BFH BStBl II 1983, 162; 1995, 119. Es muss daher nicht notwendig bei beiden Ehegatten derselbe verfahrensrechtliche Zustand eingetreten sein, vielmehr ist es zB denkbar, dass
- der ESt-Bescheid nur einem Ehegatten gegenüber wirksam bekannt gegeben worden ist, s Rn 60ff;
- die Steuerfestsetzung nur eines Ehegatten bestandskräftig geworden ist, während der Bescheid des anderen noch geändert werden kann, s Rn 68ff;
- der Steueranspruch nur gegen einen Ehegatten bereits verjährt ist.
Rn. 56
Stand: EL 139 – ET: 10/2019
Hinsichtlich der gegen sie festgesetzten ESt sind die zusammenveranlagten Ehegatten zwar Gesamtschuldner, § 44 Abs l AO. Die Aufteilung der Gesamtsteuerschuld zum Zwecke der Beschränkung der Vollstreckung nach §§ 268ff AO bewirkt jedoch, dass die Ehegatten wie Teilschuldner behandelt werden, s Rn 74ff.
Rn. 57
Stand: EL 139 – ET: 10/2019
Ein etwaiger Erstattungsanspruch steht demjenigen Ehegatten zu, der die zu erstattenden Steuerbeträge an das FA gezahlt hat, BFH BStBl II 1983, 162. Dieser Grundsatz wird von § 36 Abs 4 S 3 EStG, nach dem die Auszahlung an einen Ehegatten auch für und gegen den anderen zusammen veranlagten Ehegatten wirkt, nicht berührt, s Rn 77ff.
Rn. 58
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Auf die verfahrensrechtliche Trennung der Ehegatten bleibt § 26b EStG insoweit ohne Einfluss. Die Vorschrift regelt nur die materiell-rechtlichen Fragen der Steuerberechnung bei Ehegatten im Falle der Zusammenveranlagung, BFH BStBl II 1985, 583. Darüber hinaus rechtfertigt sich aus ihr die Pflicht der Ehegatten zur Abgabe einer gemeinsamen Steuererklärung, s § 25 Rn 26 u 28 (Schneider).
Für deren inhaltliche Richtigkeit in Bezug auf die erklärten Einkünfte hat wegen der auf dieser Ebene gewahrten Individualisierung der Ehegatten (s Rn 2) aber nur der jeweilige Ehegatte einzustehen, so dass dem jeweils anderen Ehegatten beim nachträglichen Erkennen der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der abgegebenen Erklärung keine Anzeige- und Richtigstellungspflicht aus § 153 Abs 1 Nr 1 AO erwächst, ebenso App, BB 1987, 1444.
B. Der ESt-Bescheid bei Zusammenveranlagung
1. Wesen des Zusammenveranlagungsbescheids
Rn. 59
Stand: EL 139 – ET: 10/2019
Dem FA steht es frei, gegen jeden Ehegatten gesondert einen (inhaltsgleichen) Bescheid zu erlassen (§ 155 Abs 1 AO) oder stattdessen die Ehegatten als Gesamtschuldner durch einen nach § 155 Abs 3 AO zusammengefassten Bescheid in Anspruch zu nehmen, BFH BStBl II 1995, 484; 1985, 583; aA Flies, DStR 1998, 1077. Der zusammengefasste Steuerbescheid enthält zwei inhaltlich und verfahrensrechtlich selbstständige, nur der äußeren Form nach zusammengefasste VA, die ein unterschiedliches (verfahrens-)rechtliches Schicksal haben können, BFH BStBl II 1986, 545.
2. Bekanntgabe des Zusammenveranlagungsbescheids
a) Bezeichnung des Adressaten
Rn. 60
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Ein Steuerbescheid muss die Person bezeichnen, der er bekannt zu geben ist, um wirksam zu werden, §§ 122 Abs 1, 124 Abs 1, 155 Abs 1 AO. Das sind bei Zusammenveranlagung zur ESt beide Ehegatten. Der zusammengefasste Bescheid ist auch dann hinreichend bestimmt, wenn er an "Herrn und Frau" iVm dem Vor- und Zunamen des Ehemannes gerichtet ist, BFH BStBl II 1982, 208; 1985, 603; BFH/NV 1986, 191; 1987, 281. Nach Tz 2.1.2. AEAO zu § 122 AO soll der Vorname beider Ehegatten angegeben werden.
Auch ein nach dem Tod eines Ehegatten an "Herrn und Frau ... (Name des überlebenden Ehegatten)" gerichteter Bescheid ist hinreichend bestimmt und einer wirksamen Bekanntgabe gegenüber dem überlebenden Ehegatten zugänglich; BFH BStBl II 1986, 545.
Der VA kann auch gegenüber einem Bevollmächtigten bekannt gegeben werden, § 122 Abs 1 S 3 AO. Die Steuerbescheide sind grds dem Bevollmächtigten bekannt zu geben, wenn die Bevollmächtigung dem FA bekannt ist, vgl BFH v 05.10.2000, BStBl II 2001, 86. Nur dann, wenn im Einzelfall besondere Gründe gegen die Bekanntgabe des Bescheides an den Bevollmächtigten sprechen, kann die Bekanntgabe auch unmittelbar an den StPfl erfolgen, vgl FG Nbg v 19.10.2005, III 38/2005, nachgehend BFH v 25.10.2006, X B 194/05.
b) Bekanntgabeerleichterungen nach § 122 Abs 6 u 7 AO
Rn. 61
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Durch das StBereinG 1999, BGBl I 1999, 2601, mit dem Abs 6 u 7 an § 122 AO angefügt wurden, ist die Bekanntgabe zusammengefasster Steuerbescheide gegenüber Ehegatten (auch Lebenspartner gemäß § 2 Abs 8 EStG) entscheidend vereinfacht worden. Nach § 122 Abs 6 AO ist die Bekanntgabe an einen der Ehegatten mit Wirkung für und gegen den anderen Ehegatten zulässig, wenn die Ehegatten mit dieser Verfahrensweise einverstanden sind. Im Bescheid ist auf die Wirkung der Bekanntgabe für und gegen den anderen Ehegatten hinzuweisen, AEAO zu § 122 AO Tz 2.1.3.
Rn. 62
Stand: EL 139 – ET: 10/2019
Nach § 122 Abs 7 S 1 AO genügt für eine wirksame Bekanntgabe an beide Ehegatten/Lebenspartner die Übermittlung einer Ausfertigung unter ihrer gemeinsamen Anschrift, solange sie diese nicht korrigieren (FG Köln v 26.03.2015, 11 K 1429/14, EFG 2015, 1154). Hierzu bedarf es keiner ausdrücklichen oder konkludenten gegenseiti...