Dr. Peter Handzik, Edgar Stickan
Rn. 338
Stand: EL 169 – ET: 12/2023
Nicht im ursprünglichen Regierungsentwurf (BT-Drucks 16/10189), aber auf Empfehlung des Finanzausschusses (BT-Drucks 16/11055, 9; BT-Drucks 16/11108, 14) wurde im nicht mehr belegten § 3 Nr 10 EStG eine neue Regelung durch Art 1 Nr 3 JStG 2009 ab VZ 2009 (Art 1 Nr 41a JStG 2009, BGBl I 2009, 2795) aufgenommen. SenFin Bln vom 18.02.2010, DB 2010, 1264 will die Vorschrift ganz allgemeinen für "vorhergehende VZ" (also ohne zeitliche Begrenzung) annehmen. Das war gut gemeint, aber leider ohne Rechtsgrundlage.
Rn. 339
Stand: EL 169 – ET: 12/2023
Hintergrund der Regelung war folgende Überlegung (s BT-Drucks 16/11108, 14, Bericht des Finanzausschusses): Gastfamilien ermöglichten behinderten bzw von Behinderung bedrohten Menschen mit einem besonderen Unterstützungsbedarf deren Teilnahme am gesellschaftlichen Leben außerhalb von Behinderteneinrichtungen. Der behinderte bzw von Behinderung bedrohte Mensch lebe dabei in der Gastfamilie wie ein Familienmitglied. Die Regelung stellt alle Einnahmen steuerfrei, die einer Gastfamilie für Pflege, Betreuung, Unterkunft und Verpflegung eines solchen Menschen zufließen und auf Leistungen eines Sozialleistungsträgers beruhen. Die Steuerbefreiung hat daher einen sozialpolitischen Hintergrund (s Rn 5).
Rn. 339a
Stand: EL 169 – ET: 12/2023
Art 1 Nr 2 Buchst a des Gesetzes zur Erhöhung der Behinderten-Pauschbeträge und zur Anpassung weiterer steuerlicher Vorschriften (vom 09.12.2020, BGBl I 2020, 2770) änderte mit Wirkung ab VZ 2020 (§ 52 Abs 1 EStG idF Art 3 Abs 1 des Gesetzes) in § 3 Nr 10 S 1 EStG das Wort "behindert" durch "Menschen mit Behinderungen". Der Gesetzgeber ersetzt damit – wie bei § 3 Nr 26, 26 Buchst a EStG – den veralteten Begriff "behinderte" (Menschen) durch "Menschen mit Behinderungen" (BT-Drucks 19/23793, 19) und verwendet dabei den Begriff in Art 1 S 2 des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (vom 03.05.2008, BGBl II 2008, 1410, sog Behindertenrechtskonvention). Art 1 S 2 dieser Konvention definiert Menschen mit Behinderungen als
Zitat
"Menschen, die langfristig körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, welche sie in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern können".
Eine sachliche Änderung ist damit in § 3 Nr 10 S 1 EStG nicht verbunden.
Rn. 340
Stand: EL 169 – ET: 12/2023
Die Vorschrift ist nach hier vertretener Auffassung konstitutiv, weil sonst stpfl Einkünfte nach §§ 15, 18, 19 oder 22 EStG vorlägen (glA wohl Nacke, DB 2008, 2792; Benzler, DStR 2009, 954).
Rn. 340a
Stand: EL 169 – ET: 12/2023
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Vorschrift bestehen nicht. Der (Steuer-)Gesetzgeber kann bei der Steuerfreistellung bestimmter Einnahmen sich von sozialpolitischen Gesichtspunkten aufgrund des Sozialstaatsprinzips (Art 20 Abs 1 GG) leiten lassen.