Rn. 240
Stand: EL 174 – ET: 08/2024
Die nach § 31 S 4 EStG von Amts wegen durchzuführende Vergleichsrechnung (BFH v 16.03.2004, VIII R 86/98, BStBl II 2005, 332; BFH v 16.03.2004, II R 88/98, BStBl II 2005, 594) wird schlagwortartig als Günstigerprüfung bezeichnet. Diese Bezeichnung ist allerdings unzutreffend.
Gegenstand der Prüfung ist nicht, ob der Anspruch auf Kindergeld oder die Berücksichtigung der Freibeträge für Kinder nach § 32 Abs 6 EStG für die zusammen veranlagten Eltern steuerlich "günstiger" ist, sondern es wird durch eine Vergleichsrechnung geprüft, ob es zur Herstellung einer verfassungsgemäßen Einkommensbesteuerung des Abzugs der Freibeträge für Kinder gem § 32 Abs 6 EStG bedarf oder ob dazu der Anspruch auf Kindergeld nach dem X. Abschn ausgereicht hat. Es sollte deshalb anstelle des Schlagworts der Günstigerprüfung der Begriff der Vergleichsrechnung verwendet werden, H 31 EStH 2022 "Prüfung der Steuerfreistellung". Die Vergleichsrechnung ist entsprechend dem Wortlaut des § 31 S 4 EStG ab dem VZ 2007 bezogen auf den gesamten VZ durchzuführen. Dies gilt auch dann, wenn der Kindergeldanspruch nur für einen Teil des VZ bestanden hat. Bei der Vergleichsrechnung wird der Anspruch nach § 1 BKGG nicht berücksichtigt, aA Helmke in Helmke/Bauer, Familienleistungsausgleich, § 31 EStG Rz 22 (03/2023).
Rn. 241
Stand: EL 174 – ET: 08/2024
Für nicht zusammen veranlagte Eltern wird die Regelung über die Durchführung der Vergleichsrechnung durch die Vorschrift des § 31 S 4 Hs 2 EStG ergänzt, ausführlich dazu s Rn 300ff.
Rn. 242
Stand: EL 174 – ET: 08/2024
Die Vergleichsrechnung ist für jedes Kind gesondert anzustellen, und zwar beginnend mit dem ältesten Kind, BFH v 28.04.2010, III R 86/07, BStBl II 2011, 259. Dass die Vergleichsrechnung kindbezogen durchzuführen ist und keine Gesamtberechnung unter Einbeziehung sämtlicher Kinder erfolgt, ergibt sich mittelbar aus § 32 Abs 6 EStG, danach wird
Zitat
"für jedes zu berücksichtigende Kind ein Freibetrag für das sächliche Kinderexistenzminimum (Kinderfreibetrag) ... abgezogen".
Die Vergleichsrechnung ist auch dann kindbezogen durchzuführen, wenn eine Zusammenfassung der Freibeträge für zwei und mehr Kinder wegen der Besteuerung außerordentlicher Einkünfte nach § 34 Abs 1 EStG (sog Fünftelregelung) günstiger wäre; ein Wahlrecht, die für mehrere Kinder zu gewährenden Freibeträge zusammenzufassen, besteht nicht, H 31 EStH 2022 "Prüfung der Steuerfreistellung"; BFH v 28.04.2010, III R 86/07, BStBl II 2011, 259; BFH v 19.04.2012, III R 50/08, BFH/NV 2012, 1429; Loschelder in Schmidt, § 31 EStG Rz 13 (43. Aufl 2024); kritisch Siegel, DStZ 2010, 859.
Rn. 243
Stand: EL 174 – ET: 08/2024
Bei der Vergleichsrechnung wird bei zusammen veranlagten Eltern zunächst die ESt auf das Einkommen iSd § 2 Abs 4 EStG (BFH v 14.04.2021, III R 35/19, BStBl II 2021, 848) ohne Berücksichtigung der Freibeträge nach § 32 Abs 6 EStG (Kinderfreibetrag und Freibetrag für den Erziehungs- und Betreuungs- oder Ausbildungsbedarf) ermittelt. Nachfolgend wird die ESt ermittelt, die sich bei Berücksichtigung der Freibeträge nach § 32 Abs 6 EStG ergibt, Wendl in H/H/R, § 31 EStG Rz 32 (05/2023); Selder in Brandis/Heuermann, § 31 EStG Rz 45 (03/2022). Dann wird die Differenz zwischen den beiden vorgenannten Steuerbeträgen ermittelt und mit dem Kindergeldanspruch für das betreffende Kind verglichen.
In die Vergleichsrechnung fließen nach § 66 Abs 1 S 4 EStG (angefügt durch das III. Corona-Steuerhilfegesetz v 10.03.2021, BGBl I 2021, 330, in Kraft getreten am 18.03.2021) auch die Einmalbeträge nach § 66 Abs 1 S 2 und S 3 EStG ein. Dies ist für den VZ 2021 der Kinderbonus iHv EUR 150 (§ 66 Abs 1 S 2, 3 EStG idF des III. Corona-Steuerhilfegesetzes). Für den VZ 2020 war der Kinderbonus iHv EUR 300 (§ 66 Abs 1 S 2, 3 EStG idF des II. Corona-Steuerhilfegesetz) ebenfalls in die Vergleichsrechnung einzubeziehen, BZSt v 06.08.2020, BStBl I 2020, 657; Kanzler, FR 2020, 657, 660.
Nicht in die Vergleichsrechnung einzubeziehen sind die der AbgSt (§§ 32d EStG oder § 43 Abs 5 EStG) unterliegenden KapErtr (§ 2 Abs 5b EStG). Nicht berücksichtigt werden auch Steuerermäßigungen nach § 34c EStG, § 34g EStG und § 35a EStG, BFH v 14.04.2021, III R 35/19, BStBl II 2021, 848.
Ist der Kindergeldanspruch geringer als der Differenzbetrag zwischen den beiden Steuerbeträgen, sind zur Freistellung eines Einkommensbetrags in Höhe des sächlichen Existenzminimums des Kindes sowie des Erziehungs- und Betreuungs- oder Ausbildungsbedarfs bei der Veranlagung der Eltern die Freibeträge des § 32 Abs 6 EStG abzuziehen.
Bei der für ein jüngeres Kind anzustellenden Vergleichsrechnung sind die Freibeträge nach § 32 Abs 6 EStG für die älteren Kinder nur zu berücksichtigen, wenn bei diesen der Anspruch auf Kindergeld nicht ausgereicht hat, Loschelder in Schmidt, § 31 EStG Rz 13 (43. Aufl 2024) mit Berechnungsbeispiel; Wendl in H/H/R, § 31 EStG Rz 32 (05/2023).
Werden die Eltern nicht zusammen veranlagt, wird die Vergleichsrechnung für jeden Elternteil gesondert...