A. Überblick über die Vorschrift
Rn. 1
Stand: EL 174 – ET: 08/2024
§ 31 S 1 EStG beinhaltet die Grundaussage des sog Familienleistungsausgleichs. Danach wird im gesamten VZ die steuerliche Freistellung eines Einkommensbetrages iHd Existenzminimums eines Kindes einschließlich der Bedarfe für Betreuung und Erziehung oder Ausbildung entweder durch die Freibeträge nach § 32 Abs 6 EStG oder durch das Kindergeld nach dem X. Abschn bewirkt.
Rn. 2
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§ 31 S 2 EStG statuiert die Doppelfunktion – und nicht die Doppelnatur – des Kindergelds. Soweit das Kindergeld nicht zur steuerlichen Freistellung des Existenzminimums des Kindes erforderlich ist, dient es der Förderung der Familie.
Rn. 3
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§ 31 S 3 EStG stellt klar, dass das Kindergeld im laufenden Jahr – einheitlich als Steuervergütung und nicht mehr als Sozialleistung – monatlich gezahlt wird.
Rn. 4
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§ 31 S 4 Hs 1 EStG bestimmt, dass bei der Veranlagung zur ESt die Freibeträge nach § 32 Abs 6 EStG vom Einkommen abzuziehen sind, wenn der Anspruch auf Kindergeld für den gesamten VZ die nach § 31 S 1 EStG gebotene steuerliche Freistellung nicht vollständig bewirkt. Werden die Freibeträge für Kinder abgezogen, erhöht sich die unter Abzug dieser Freibeträge ermittelte tarifliche ESt um den Anspruch auf Kindergeld für den gesamten VZ.
Gem § 31 S 4 Hs 2 EStG wird der Kindergeldanspruch bei nicht zusammen veranlagten Eltern im Umfang des Kinderfreibetrags angesetzt.
Rn. 5
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§ 31 S 5 EStG bestimmt, dass das festgesetzte, aber wegen § 70 Abs 1 S 2 EStG nicht ausgezahlte Kindergeld bei der Vergleichsrechnung nach § 31 S 4 Hs 1 EStG nicht berücksichtigt wird. In diesem Fall ist das tatsächlich ausgezahlte Kindergeld maßgebend, um so eine vollständige Freistellung des Kinderexistenzminimums zu erreichen (BT-Drs 19/10683, 51).
Rn. 6
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§ 31 S 6 EStG regelt, dass für die mit dem Kindergeld vergleichbaren Leistungen nach § 65 EStG die Regelung in § 31 S 4 EStG entsprechend gilt.
Rn. 7
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§ 31 S 7 EStG bestimmt, dass ein nach ausländischem Recht bestehender Anspruch auf Leistungen für Kinder insoweit nicht berücksichtigt wird, als er das inländische Kindergeld übersteigt.
B. Entstehungsgeschichte, verfassungsrechtliche und europarechtliche Vorgaben
1. Entstehungsgeschichte
a) Einführung des § 31 EStG durch das JStG 1996
Rn. 8
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§ 31 EStG wurde – ohne das eine Vorgängerregelung bestand – durch das JStG 1996 v 11.10.1995 (BStBl I 1995, 438) eingeführt. Die Vorschrift tritt an die Stelle des bis zum VZ 1995 geltenden Familienlastenausgleichs. Dieser war dadurch gekennzeichnet, dass neben dem der steuerlichen Entlastung dienenden Abzug von Kinderfreibeträgen vom Einkommen die zusätzliche einkommensabhängige Zahlung von Kindergeld als Sozialleistung trat.
Seit dem VZ 1996 wird stattdessen das Kindergeld im laufenden Kj einkommensunabhängig als Steuervergütung ausgezahlt. Bei der ESt-Veranlagung prüft die FinVerw von Amts wegen, ob die gebotene steuerliche Freistellung durch das Kindergeld voll bewirkt ist (§ 31 S 4 EStG). Werden bei der ESt-Veranlagung die Freibeträge für Kinder abgezogen, erhöht sich die tarifliche ESt, die sich bei dem Abzug der Freibeträge für Kinder ergibt, um den Anspruch auf Kindergeld bzw um den Anspruch auf die dem Kindergeld vergleichbaren Leistungen nach § 65 EStG. Die Inanspruchnahme von Kindergeld oder Kinderfreibetrag ist somit seit dem VZ 1996 nur noch alternativ möglich.
b) Das FamilienförderungsG
Rn. 9
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Das FamilienförderungsG (BStBl I 2000, 4) hatte zum Ziel, mWv 01.01.2000 die verfassungsrechtlichen Vorgaben aus dem Beschluss des BVerfG v 10.11.1998, 2 BvR 1057/91, 2 BvR 1226/91, 2 BvR 980/91, BStBl II 1999, 182 umzusetzen. Danach ist neben dem sächlichen Kinderexistenzminimum auch der Betreuungsbedarf des Kindes bei der Bemessung der steuerlichen Leistungsfähigkeit der Eltern zu berücksichtigen. Dementsprechend wird die gebotene steuerliche Freistellung des Existenzminimums des Kindes für die VZ 2000 und 2001 durch den Kinderfreibetrag und für Kinder, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, zusätzlich durch den Betreuungsfreibetrag (§ 32 Abs 6 S 1 EStG) bewirkt.
c) Das AltersvermögensG
Rn. 10
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Art 6 Nr 10 des AltersvermögensG (AVmG) v 26.06.2001, BStBl I 2001, 420 hat in § 10a EStG nF einen neuen zusätzlichen SA-Abzugsbetrag eingeführt. Dieser wurde durch eine Zulage nach dem – neuen – XI. Abschn ergänzt. Dazu bestimmte der neu eingefügte § 31 S 5 EStG, dass bei der Günstigerprüfung iSd § 31 S 4 EStG die nach § 10a EStG zu berücksichtigenden Beiträge zur zusätzlichen Altersvorsorge einschließlich der nach dem XI. Abschn zustehenden Zulage immer als Sonderausgaben abzuziehen sind. Diese Regelung galt für die VZ 2002 bis einschließlich 2004, dazu ausführlich s Rn 12.
d) Das Zweite Gesetz zur Familienförderung (2. FamFördG)
Rn. 11
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Das 2. FamFördG v 13.07.2001, BStBl I 2001, 533 hat berücksichtigt, dass ab dem VZ 2002 neben dem Betreuungsbedarf auch der Bedarf für Erziehung oder Ausbildung des Kindes bei der Besteuerung der Eltern steuerfrei zu stellen ist. Die von § 31 S 1 und 4 EStG in Bezug gen...