Rn. 533
Stand: EL 176 – ET: 10/2024
Ein Kind, das die Voraussetzungen des § 32 Abs 4 S 1 Nr 2 EStG erfüllt, wird nach Abschluss einer Erstausbildung oder eines Erststudiums nur dann berücksichtigt, wenn es entweder keiner Erwerbstätigkeit oder aber einer unschädlichen Erwerbstätigkeit iSd § 32 Abs 4 S 3 EStG nachgeht. Dabei stellt das Erststudium nur einen Unterfall der erstmaligen Berufsausbildung dar, BFH v 03.07.2014, III R 52/13, BStBl II 2015, 152; BFH v 21.03.2019, III R 26/18, BStBl II 2019, 766.
Der Begriff der Erstausbildung in § 32 Abs 4 S 2 EStG ist enger auszulegen als das Tatbestandsmerkmal "Kind, das für einen Beruf ausgebildet wird" in § 32 Abs 4 S 1 Nr 2 Buchst a EStG (BT-Drs 17/5125, 41; H 32.10 EStH 2022; A 20.2.1 Abs 1 S 3 DA-KG 2024; BMF v 08.02.2016, BStBl I 2016, 226 Rz 3; BFH v 03.07.2014, III R 52/13, BStBl II 2015, 152; BFH v 21.03.2019, III R 26/18, BStBl II 2019, 766; Loschelder in Schmidt, § 32 EStG Rz 61 (43. Aufl 2024); Wendl in H/H/R, § 32 EStG Rz 124 (05/2023); kritisch D. Felix, NJW 2012, 22, 24).
Nicht jede allgemein berufsqualifizierende Maßnahme stellt auch eine Berufsausbildung iSd § 32 Abs 4 S 1 Nr 2 EStG dar. Ein Kind, das einen Schulabschluss erworben oder ein Volontariat oder ein freiwilliges Berufspraktikum absolviert hat, hat damit noch keine Berufsausbildung iSd § 32 Abs 4 S 2 EStG abgeschlossen, wenn es danach weiterhin die Anspruchsvoraussetzungen des § 32 Abs 4 S 1 Nr 2 EStG erfüllt, H 32.10 EStH 2022; A 20.2.1 Abs 1 S 5, 6 DA-KG 2024.
Der Freiwilligendienst im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes ist grundsätzlich keine Berufsausbildung; dies gilt auch für eine im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes absolvierte 6 Monate dauernde Qualifikation zum Rettungssanitäter gemäß der Bayerischen RettungssanitäterVO (BayRettSanV), FG Nürnberg v 09.01.2023, 3 K 782/22.
Rn. 534
Stand: EL 176 – ET: 10/2024
Nach zutreffender Auffassung, vgl BFH v 03.07.2014, III R 52/13, BStBl II 2015, 152; BFH v 21.03.2019, III R 26/18, BStBl II 2019, 766; H 32.10 EStH 2022; A 20.2.1 Abs 1 S 1 DA-KG 2024, liegt eine Erstausbildung iSd § 32 Abs 4 S 2 EStG dann vor, wenn das Kind durch eine berufliche Ausbildungsmaßnahme die notwendigen fachlichen Fertigkeiten und Kenntnisse erwirbt, die zur Aufnahme eines Berufs befähigen. Der Besuch einer allgemeinbildenden Schule stellt somit keine Erstausbildung dar. Eine Berufsausbildung als Erstausbildung iSd § 32 Abs 2 S 2 EStG liegt entsprechend § 9 Abs 6 S 2 EStG nur dann vor, wenn eine geordnete Ausbildung mit einer Mindestdauer von 12 Monaten bei vollzeitiger Ausbildung und mit einer Abschlussprüfung absolviert wird, FG Niedersachsen v 30.01.2024, 8 K 134/23 (Rev BFH III R 7/24); FG RP v 14.08.2023, 4 K 1946/21 (Rev BFH III R 14/24).
Die Ausbildungsmaßnahme muss dem Kind alle notwendigen fachlichen Fähigkeiten vermitteln, die zur Aufnahme eines Berufes befähigen. Dafür ist Voraussetzung, dass der Beruf durch eine Ausbildung in einem öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang erlernt wird, der auf einen Abschluss ausgerichtet ist, der in Form einer Prüfung erfolgt; H 32.10 EStH 2022; A 20.2.1 Abs 1 S 2 DA-KG 2024. Dabei kann eine mehraktige erstmalige Berufsausbildung neben öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsmaßnahmen auch nicht öffentlich-rechtlich geordnete Ausbildungsmaßnahmen umfassen, BFH v 21.03.2019, III R 17/18, BStBl II 2019, 772.
Weitergehend Selder in Brandis/Heuermann, § 32 EStG Rz 77 (03/2021) unter Hinweis auf BFH v 27.10.2011, VI R 52/10, BStBl II 2012, 825 zu § 12 Nr 5 EStG. Danach scheitert eine einheitliche Erstausbildung iSd § 32 Abs 4 S 2 EStG nicht daran, dass nur der erste, nicht hingegen der zweite Ausbildungsabschnitt öffentlich-rechtlich geordnet ist, BFH v 18.02.2021, III R 14/19 BB 2021, 1431 zum weiteren Ausbildungsabschnitt "AOK-Betriebswirt" nach der erfolgten Ausbildung zum "Sozialversicherungsangestellten". Allerdings bewirkt die zwischen den Ausbildungsabschnitten durchgeführte Berufstätigkeit eine Zäsur, die den zeitlichen Zusammenhang zwischen den Ausbildungsabschnitten ausschließt
In der Aufzählung in H 32.10 EStH 2022, A 20.2.1 Abs 2 Nr 1–7 DA-KG 2024 werden als Berufsausbildung unter anderem genannt
- Berufsausbildungsverhältnisse gemäß § 1 Abs 3, §§ 4–52 BerufsbildungsG (BBiG) bzw §§ 21–40 HwO sowie mit Berufsausbildungsverhältnissen vergleichbare schulische Ausbildungsgänge, deren Abschlussprüfung gemäß den Voraussetzungen des § 43 Abs 2 BBiG als im Einzelnen gleichwertig anerkannt ist,
- mit Berufsausbildungsverhältnissen vergleichbare betriebliche Ausbildungsgänge außerhalb des BBiG (zB die Ausbildung zum Schiffsmechaniker nach der See-BerufsausbildungsVO),
- die Ausbildung aufgrund bundes- oder landesrechtlicher Ausbildungsregelungen für Berufe im Gesundheits- und Sozialwesen,
- landesrechtlich geregelte Berufsabschlüsse an Berufsfachschulen,
- die Berufsausbildung von Menschen mit Behinderung in anerkannten Berufsausbildungsberufen oder auf Grund von Regelungen der zuständigen Stellen in besonderen Ausbildungsbe...