1. Allgemeines
Rn. 38
Stand: EL 152 – ET: 08/2021
Das Splittingverfahren nach § 32a Abs 6 Nr 1 EStG für verwitwete Personen ist eine auf Billigkeitserwägungen beruhende reine Tarifvorschrift, die den erfahrungsgemäß erhöhten Lebenshaltungskosten der verwitweten Person noch für eine Übergangszeit iS einer Härteregelung Rechnung tragen soll. Es wird daher auch als Gnadensplitting bezeichnet. Hey hält diese Regelung für unsystematisch, da sie nicht die Erwerbsgemeinschaft mehrerer Personen, die den Splittingtarif rechtfertigt, zur Grundlage hat (Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht, 24. Aufl 2020, Rz 8.849).
Rn. 39
Stand: EL 152 – ET: 08/2021
Voraussetzung für die Anwendung des Verwitwetensplittings ist, dass die Ehegatten/Lebenspartner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft (s § 2 Abs 8 EStG) im Zeitpunkt des Todes des verstorbenen Ehegatten/Lebenspartners beide unbeschränkt stpfl waren und nicht dauernd getrennt gelebt haben, also die Voraussetzungen des § 26 Abs 1 S 1 EStG erfüllt hatten, s § 26 Rn 30ff (Schneider). Ein Antrag auf getrennte Veranlagung bzw Einzelveranlagung nach §§ 26, 26a EStG für das Todesjahr steht der Anwendung des Verwitwetensplittings beim überlebenden Ehegatten/Lebenspartner im Folgejahr nicht entgegen. Entsprechendes gilt für den Fall der besonderen Veranlagung nach §§ 26, 26c EStG aF, wenn der Ehegatte/Lebenspartner im Heiratsjahr/Jahr der Verpartnerung verstorben ist (Loschelder in Schmidt, § 32a EStG Rz 14 (40. Aufl)). Gleichgültig ist auch, ob der überlebende Ehegatte/Lebenspartner Erbe des verstorbenen Ehegatten/Lebenspartners ist und in welchem Güterstand die Eheleute/Lebenspartner gelebt haben. Für die Anwendung des Verwitwetensplittings reicht nicht aus, wenn die Ehegatten/Lebenspartner zwar zu Beginn des Todesjahres nicht dauernd getrennt gelebt haben (s § 26 Abs 1 EStG), wohl aber im Zeitpunkt des Todes des verstorbenen Ehegatten/Lebenspartners (BFH BStBl II 1998, 350/51; H 32a EStH 2019 "Dauerndes Getrenntleben im Todeszeitpunkt"; Pfirrmann in Kirchhof, § 32a EStG Rz 14 (20. Aufl); Loschelder in Schmidt, § 32a EStG Rz 14 (40. Aufl)).
2. Verwitwete Personen
Rn. 40
Stand: EL 152 – ET: 08/2021
Verwitwet ist, wessen gültige Ehe (s § 26 Rn 31 (Schneider)) oder eingetragene Lebenspartnerschaft durch Tod des Ehegatten/Lebenspartners aufgelöst worden ist. Vgl zur Todeserklärung eines verschollenen (vermissten) Ehegatten s § 26 Rn 34 (Schneider). Die Verwitweteneigenschaft iSd § 32a Abs 6 Nr 1 EStG ist eine reine Frage des Familienstandes, sodass nicht verwitwet, sondern verheiratet ist, wer nach dem Tod seines Ehegatten eine neue Ehe eingeht, mit dem neuen Ehegatten aber nicht die Voraussetzungen für die Ehegattenbesteuerung nach § 26 Abs 1 S 1 EStG erfüllt, zB weil dieser nicht unbeschränkt stpfl ist, so BFH BStBl II 1974, 683. In diesem Fall genügt es bei Wiederheirat in dem auf das Jahr des Todes folgenden VZ jedoch, dass der StPfl zu Beginn des VZ verwitwet war.
Beispiele:
(1) |
Der StPfl ist seit Februar 01 verwitwet. Im Oktober 01 heiratet er erneut (Eheschließung im Ausland), seine zweite Ehefrau begründet weder in 01 noch in 02 einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, s § 26 Rn 36 (Schneider). Zur Durchführung der Veranlagung 01 Hinweis auf s § 26 Rn 54 (Schneider). Während des ganzen VZ 02, das dem Todesjahr folgende Kj, war der StPfl verheiratet, sodass für die Anwendung der Billigkeitsregelung des § 32a Abs 6 Nr 1 EStG kein Raum ist. |
(2) |
Wie Bsp (1), die erneute Eheschließung findet jedoch erst im Februar 02 statt. |
§ 32a Abs 6 Nr 1 EStG schreibt nicht vor, dass die Verwitweteneigenschaft während des ganzen VZ bestanden hat. Das Verwitwetensplitting ist daher iRd für 02 durchzuführenden Einzelveranlagung des StPfl anzuwenden (ebenso H 32a EStH 2019).
Rn. 41
Stand: EL 152 – ET: 08/2021
Das Verwitwetensplitting ist andererseits auch dann anzuwenden, wenn der überlebende Ehegatte/Lebenspartner wieder heiratet/sich verpartnert und im Jahr der erneuten Eheschließung/Verpartnerung die besondere Veranlagung nach § 26c EStG aF wählt. Dies ergibt sich aus § 26c Abs 2 EStG aF. Das Verwitwetensplitting kann dagegen gemäß § 32 Abs 6 S 2 EStG nicht angewandt werden, wenn hinsichtlich der erneuten Ehe/Lebenspartnerschaft die Voraussetzungen des § 26 Abs 1 EStG vorgelegen haben, jedoch die getrennte Veranlagung nach § 26a EStG (ab VZ 2013 Einzelveranlagung) gewählt worden ist (BFH BStBl III 1961, 21).
Rn. 42
Stand: EL 152 – ET: 08/2021
Nach BFH BStBl III 1956, 224 ist eine Witwe, die wieder geheiratet hat und deren neue Ehe geschieden wird, nicht als verwitwet, sondern als geschieden anzusehen. Demgegenüber behandelt BFH BStBl III 1965, 590 eine wiederverheiratete und dann geschiedene vormalige Witwe (Tod des früheren Ehegatten, Heirat und Scheidung im selben VZ) für die Anwendung des Verwitwetensplittings in dem auf die Scheidung folgenden VZ wieder als Witwe. Dies sei gerechtfertigt, zumal der Wortlaut des Gesetzes einer solchen Auslegung nicht entgegenstehe und sein Billigkeitsgehalt für diese spreche (dem folgt H 32a EStH 2...