A. Zeitliche Entwicklung der ESt-Tarife
Rn. 6
Stand: EL 152 – ET: 08/2021
Die Entwicklung der ESt-Tarife für die Zeit seit dem Jahre 1946 wird bei Wagner in Blümich, § 32a EStG Rz 7ff (Stand: Juni 2020) ausführlich dargestellt (vgl auch Schöberle, DStR 1989, 567; Bareis in FS Offerhaus, 1053ff). Das zurzeit geltende Tarifsystem (Formeltarif) besteht seit dem Jahre 1958. Es ist seinerzeit mit der Einführung des Splitting-Verfahrens für zusammenveranlagte Ehegatten grundlegend reformiert worden (dazu auch s § 26 Rn 2ff (Schneider)).
Seit 2007 gibt es einen Tarif mit fünf Tarifzonen. Mit Einführung eines Spitzensteuersatzes von 45 % durch das StÄndG 2007 v 19.07.2006 (BGBl I 2006, 1652) wurde die obere Proportionalzone ab 2007 in zwei Teilzonen aufgeteilt. Das Konjunkturpaket II-Gesetz v 02.03.2009 (BGBl I 2009, 416) sah eine Anhebung des Grundfreibetrags und der Tarifgrenzen vor, um der Finanz- und Wirtschaftskrise entgegenzuwirken. Mit dem StVereinfG v 01.11.2011 (BGBl I 2011, 2131) erfolgten Gesetzesanpassungen in § 32a Abs 6 EStG. So wurde dort Nr 2 S 2 aufgehoben, da die Möglichkeit nach § 26 Abs 1 S 3 EStG entfällt, für eine durch Tod aufgelöste Ehe das Veranlagungswahlrecht dadurch zu erlangen, dass für die neue Ehe die besondere Veranlagung gewählt wird. Infolge der Abschaffung der getrennten Veranlagung und der Einführung des Wahlrechts zur Einzelveranlagung von Ehegatten in § 26a EStG wurde der Wortlaut in § 32a Abs 6 S 2 EStG angepasst. Mit dem Gesetz zum Abbau der kalten Progression v 20.02.2013 (BGBl I 2013, 283) wurde der Grundfreibetrag und auch die Tarifzonen weiter angehoben. Dabei erfolgte dies in zwei Schritten im VZ 2013 und im VZ 2014.
Mit dem Gesetz zur Anhebung des Grundfreibetrags, des Kinderfreibetrags, des Kindergeldes und des Kinderzuschlags v 16.07.2015 (BGBl I 2015, 1202) wurde der Grundfreibetrag auf 8 472 EUR im VZ 2015 und auf 8 652 EUR im VZ 2016 angehoben. Die weiteren Verschiebungen der anderen Zonen ab VZ 2016 basierte auf der Berücksichtigung der kalten Progression (1,48 % für 2014 und 2015).
Mit dem Gesetz zur Umsetzung der Änderungen der EU-Amtshilferichtlinie und von weiteren Maßnahmen gegen Gewinnkürzungen und -verlagerungen v 20.12.2016 (BGBl I 2016, 3000) wurden weitere Tarifänderungen beschlossen. Der Grundfreibetrag erhöht sich danach auf 8 820 EUR im VZ 2017 und auf 9 000 EUR ab VZ 2018. Die Grenzen der Tarifzonen wurden erhöht. So endet die Progressionszone 2018 bei 54 949 EUR und die sog Reichensteuer beginnt 2018 ab 260 533 EUR. Des Weiteren wurde die kalte Progression berücksichtigt (0,73 % für 2017 und 1,65 % für 2018).
Durch Gesetz zur steuerlichen Entlastung der Familien sowie zur Anpassung weiterer Steuerlicher Regelungen (Familienentlastungsgesetz – FamEntlastG) v 29.11.2018 (BGBl I 2018, 2210) und durch das Zweite Gesetz zur steuerlichen Entlastung der Familien sowie zur Anpassung weiterer Steuerlicher Regelungen (Zweites Familienentlastungsgesetz – 2. FamEntlastG) v 01.12.2020 (BGBl I 2020, 2616) wurden weitere Tarifänderungen umgesetzt. Der Grundfreibetrag erhöht sich danach auf 9 168 EUR im VZ 2019, 9 408 EUR im VZ 2020, 9 744 EUR im VZ 2021 und 9 984 EUR im VZ 2022. Die Grenzen der Tarifzonen wurden erhöht. So endet die Progressionszone bei 55 960 EUR (2019), 57 051 EUR (2020), 57 918 EUR (2021) und 58 596 EUR (2022). Des Weiteren wurde die kalte Progression berücksichtigt (1,84 % für 2018).
Die seither vom Aufbau her vergleichbaren Grundtarife nach § 32a Abs 1 EStG sind in der nachstehenden Übersicht gegenübergestellt.
Gleichwohl ist zu beachten, dass das Gebot der vertikalen Steuergerechtigkeit (Art 3 Abs 1 GG) und das Verbot übermäßiger Steuerbelastung (Art 14 Abs 1 GG) nicht einen bestimmten Tarifverlauf vorschreibt. Bei der ESt liegt es im Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers, ob er den Tarif linear oder progressiv ausgestaltet (BVerfG BFH/NV Beilage 2006, 368).
Entwicklung des Einkommensteuer-Grundtarifs (Teil I) |
Tarif |
1975–1977 |
1978 |
1979–1980 |
1981–1985 |
1986–1987 |
1988–1989 |
1990–1995 |
1996–1997 |
1998 |
1999 |
2000 |
2001 |
2002–2003 |
2004 |
2005–2006 |
2007–2008 |
2009 |
2010–2012 |
Grundfreibetrag1 |
3 000 |
3 300 |
3 690 |
4 212 |
4 536 |
4 752 |
5 616 |
12 095 |
12 365 |
13 067 |
13 499 |
14 093 |
7 235 |
7 664 |
7 664 |
7 664 |
7 834 |
8 004 |
untere Proportionalzone1 |
von |
3 030 |
3 330 |
3 720 |
4 266 |
4 590 |
4 806 |
5 670 |
|
|
|
bis |
16 019 |
16 019 |
16 019 |
18 035 |
18 035 |
18 035 |
8 153 |
|
|
|
Steuersatz der unteren Proportionalzone in % |
22 |
19 |
|
|
|
Progressionszone1 |
von |
16 020 |
18 036 |
8 154 |
12 096 |
12 366 |
13 068 |
13 500 |
14 094 |
7 236 |
7 665 |
7 665 |
7 665 |
7 835 |
8 005 |
bis |
130 019 |
130 031 |
120 041 |
114 695 |
107 567 |
55 007 |
52 151 |
52 151 |
52 151 |
52 551 |
52 881 |
Steuersatz in der Progressionszone in % |
von |
30,8 |
22 |
19,5 |
25,9 |
23,9 |
22,9 |
19,9 |
18 |
15 |
15 |
14 |
14 |
bis |
56 |
532 |
512 |
48,5 |
45 |
42 |
42 |
42 |
42 |
obere Proportionalzone ab1 |
130 020 |
130 032 |
120 042 |
114 696 |
107 568 |
55 008 |
52 152 |
52 152 |
52 152 |
52 552 |
52 882 |
Steuersatz der oberen Proportionalzone in % |
56 |
53 |
51 |
48,5 |
45 |
42 |
42 bzw 453 |
45 |
45 |
1 in DM bzw ab 2002 in EUR
2 47 %, 45 % bzw 43 % für gewerbliche Einkünfte von 1994–2000 (§ 32c EStG aF)
3 45 ...