A. Tarifaufbau
1. Grundfreibetrag
Rn. 11
Stand: EL 152 – ET: 08/2021
Der Grundfreibetrag des § 32a Abs 1 S 2 Nr 1 EStG wird auch als Nullzone bezeichnet. In diesem Steuerintervall bleibt das zvE steuerfrei.
Der Grundfreibetrag ist Ausprägung des dem fiskalischen Zugriff entzogenen Existenzminimums (s BVerfG BStBl II 1993, 413; vgl BFH BStBl II 1986, 902; 2001, 778; 2018, 96; auch s Rn 2). Dieses steuerliche Existenzminimum muss als dürftig bezeichnet werden, selbst wenn der Grundfreibetrag nicht isoliert von den übrigen Regelungen des EStG betrachtet werden darf, die das Existenzminimum vor dem einkommensteuerlichen Zugriff schützen. Insoweit dürfen Steuerbemessungsgrundlage und Steuertarif nur im Zusammenhang gesehen werden, als hier wie dort nicht disponibles Einkommen von der Einkommensbesteuerung freigestellt wird, ebenso Birk, StuW 1989, 215. Zu den im weitesten Sinne der Einkommensverwendung zuzuordnenden Abzügen von der Steuerbemessungsgrundlage gehören insb
ebenso Giloy, FR 1986, 56. Biergans/Wasmer, FR 1985, 57 bezeichnen diese aus sozial- und gesellschaftspolitischen Gründen zugelassenen Kürzungen der Steuerbemessungsgrundlage nicht zu Unrecht als Modifikation des ESt-Tarifs. Eine Verbesserung des steuerlichen Existenzminimums muss außerdem darin gesehen werden, dass der ESt nur die Einkünfte aus den in § 2 Abs 1 EStG genannten sieben Einkunftsarten unterliegen und nach §§ 3–3b EStG eine Vielzahl von Transferleistungen von der ESt befreit ist. Diesen Zusammenhang zwischen Steuerbemessungsgrundlage und Tarif sieht auch das BVerfG BStBl II 1993, 413; vgl auch BVerfG BFH/NV Beilage 2006, 368.
Der seit 1958 anerkannte existenznotwendige Mindestbedarf in der Form eines Grundfreibetrags, der damit Ausdruck des Prinzips der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ist (vgl BFH BStBl II 1986, 902; 2001, 778; 2018, 96), stellt nur eine Möglichkeit dar, einen steuerfreien Teil des Einkommens wegen Beachtung des Existenzminimums zu erhalten. Generell-abstrakte Alternativen zur Steuerfreistellung des Existenzminimums sind auch denkbar in Form eines Abzuges eines Freibetrages von der Bemessungsgrundlage oder Abzuges eines bestimmten Betrages von der Steuerschuld (vgl Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd II, 2. Aufl, 423; Haller in FS für F. Klein 1994, 409; Esser, DStZ 1994, 517; Wagner in Blümich, § 32a EStG Rz 25). Auch insoweit sieht das BVerfG einen entsprechenden gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum (BVerfG BStBl II 1993, 413). Des Weiteren ist zu beachten, dass der Grundfreibetrag nicht im vollen Umfang das steuerliche Existenzminimum umfasst. Der Grundfreibetrag erfasst nur das sächliche Existenzminimum. Darüber hinaus schützt das Prinzip der Steuerfreiheit des Existenzminimums auch Beiträge zu privaten Versicherungen für den Krankheits- und Pflegefall, die iRd SA die Bemessungsgrundlage mindern (s BVerfG BFH/NV Beilage 2008, 228 und § 10 Abs 1 EStG nF).
Unabhängig von dieser Entscheidung des Gesetzgebers spiegeln sich aber in diesem steuerlich freizustellenden Betrag die typischen Beträge wider, die für die lebensnotwendigen sächlichen Ausgaben erforderlich sind. Deshalb wurden vom BVerfG BStBl II 1993, 413 Maßstäbe aufgezeigt, nach denen die Verfassungsmäßigkeit der Höhe des Grundfreibetrages überprüft werden kann. Das steuerlich zu verschonende sächliche Existenzminimum darf danach nicht den von dem Gesetzgeber im Sozialhilferecht anerkannten Mindestbedarf unterschreiten. Dieser Mindestbedarf wird nach Auffassung des BVerfG durch die sog Hilfe zum notwendigen Lebensunterhalt (§ 11 Abs 1 BSHG) mit seinen Bestandteilen bestimmt. So umfasst die Hilfe zum Lebensunterhalt, die den notwendigen Grundbedarf des täglichen Lebens gewährleisten soll (§ 11 Abs 1 BSHG), neben dem von der zuständigen Landesbehörde oder von einem örtlichen Sozialhilfeträger festgesetzten Regelsatz (vgl § 22 Abs 3 BSHG) die Leistungen für die Unterkunft und die Heizung (§ 3 Abs 1 u 2 RegelsatzVO) sowie einmalige Hilfen, die einen zusätzlichen Grundbedarf berücksichtigen, der durch die laufenden Leistungen nicht gedeckt ist. Seit dem 01.01.2005 richtet sich die Berechnung nach den Vorschriften des SGB II. Ausdrücklich sieht das BVerfG in den einzelnen Sonderentlastungstatbeständen des EStG nicht eine die Höhe des Grundfreibetrages beeinflussende Regelung, da sie nur besondere und nicht allg Bedarfssituationen steuerlich regeln (BVerfG BStBl II 1993, 413). Insb sind die oben genannten Abzüge von der Steuerbemessungsgrundlage keine den Mindestbedarf betreffende Größen.
Rn. 12
Stand: EL 152 – ET: 08/2021
Das BVerfG hat in der genannten Entscheidung die zu überprüfenden Grundfreibeträge für verfassungswidrig, jedoch nicht für nichtig erklärt und den Gesetzgeber aufgefo...