Rn. 41a
Stand: EL 150 – ET: 04/2021
Zum Verhältnis zwischen § 32b EStG und DBA (vgl § 2 AO) gilt Folgendes, wobei zwischen den beiden Methoden zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung (Freistellungsmethode mit Progressionsvorbehalt, Art 23A OECD-MA einerseits und Anrechnungsmethode, Art 23B OECD-MA) zu unterscheiden ist, s Rn 109:
a) Freistellungsmethode ohne Progressionsvorbehalt
Rn. 42
Stand: EL 150 – ET: 04/2021
BFH BStBl II 2002, 660 (bestätigend BFH BStBl II 2003, 302; 2004, 549; 2007, 521) änderte die bisherige Rspr, wonach der Progressionsvorbehalt nur anwendbar war, wenn das DBA ausdrücklich dazu ermächtigte. Seitdem soll es für die Anwendbarkeit des innerstaatlichen Progressionsvorbehalts ausreichen, wenn das DBA den Progressionsvorbehalt nicht ausdrücklich ausschließt.
Diese Rspr ist abkommenswidrig, dazu ausführlich s Rn 102aff. Die praktische Auswirkung der Rspr-Änderung dürfte sich allerdings in Grenzen halten, da die neueren DBA den Progressionsvorbehalt ausdrücklich enthalten (s ausführlich dazu Dissars in Frotscher/Geurts, § 32b EStG Rz 52–57).
Rn. 42a
Stand: EL 150 – ET: 04/2021
Beispiele für Formulierungen von Progressionsvorbehalten in DBA:
- DBA Schweiz 1971/1978/1989/1992/2002/2010, Art 24 Abs 1 Nr 1 aE: "Die BRD wird jedoch diese Einkünfte bei der Festsetzung des Satzes ihrer Steuer auf die Einkünfte, die nach dieser Vorschrift nicht von der Bemessungsgrundlage der deutschten Steuer auszunehmen sind, einbeziehen."
- DBA USA 2008, Art 23 Abs 3 Buchst a S 2: "Die BRD behält aber das Recht, die nach den Bestimmungen dieses Abkommens von der Steuer ausgenommenen Einkünfte und Vermögenswerte bei der Festsetzung ihres Steuersatzes zu berücksichtigen."
b) Freistellungsmethode mit Progressionsvorbehalt
Rn. 43
Stand: EL 150 – ET: 04/2021
Sieht ein DBA die Freistellungsmethode mit Progressionsvorbehalt vor (s Rn 42a) und ordnet § 32b EStG an, den Progressionsvorbehalt anzuwenden, so ist § 32b EStG nicht konstitutiv, sondern nur deklaratorisch (BFH BStBl III 1967, 88; 1967, 729; BStBl II 1970, 660; 1976, 662; 1983, 34). Die DBA können nämlich nicht innerstaatliche Steueransprüche begründen oder erhöhen, sondern nur verringern oder ausschließen (Schönfeld/Häck in Schönfeld/Ditz, DBA-Kommentar, 2. Aufl 2019, Systematik Rz 26). Konstitutiv ist für die Anwendung des besonderen Steuersatzes ausschließlich § 32b EStG, der durch das DBA aufrechterhalten wird (st Rspr des BFH, zB BFH BStBl III 1967, 88; BStBl II 1980, 531; 1993, 790; BFH/NV 1991, 104). Der Gesetzgeber könnte jederzeit die Einbeziehung der ausländischen Einkünfte in den Progressionsvorbehalt aufgeben, ohne abkommenswidrig zu handeln (vgl BFH BFH/NV 1991, 104; 1994, 100). Das muss auch dann gelten, wenn manche DBA den Progressionsvorbehalt nicht nur ermöglichen, sondern sogar zwingend anordnen (zB Art 20 Abs 2 S 2 DBA Luxemburg 1958/1973). Auch diese Aussage dürfte nach der Rspr-Änderung (s Rn 42) unverändert gelten. Die Hinzu- bzw Abrechnungsmethode in § 32b Abs 2 EStG (s Rn 124ff) ist mE nicht "treaty overriding" (abkommenswidrig).
c) Ist der persönliche Anwendungsbereich des § 32b EStG abkommenswidrig?
Rn. 44
Stand: EL 150 – ET: 04/2021
§ 32b EStG ordnet an, den Progressionsvorbehalt für ausländische Einkünfte nicht nur auf im ganzen VZ unbeschränkt stpfl Personen anzuwenden, sondern auch (s Rn 16ff):
Rn. 45
Stand: EL 150 – ET: 04/2021
Die DBA sehen den Progressionsvorbehalt jedoch nur für den Wohnsitzstaat vor. Gegen die Regelung bestehen daher abkommensrechtliche Bedenken, auch wenn sie auf nationaler Ebene nichts daran ändert, dass § 32b EStG insoweit wirksam ist (Kaefer, BB 1995, 1615;). Nach der geänderten Rspr (s Rn 42ff) teilt der BFH diese hier geäußerten abkommensrechtlichen Bedenken jedoch nicht.
d) Herausnahme bestimmter DBA-steuerfreier Einkünfte aus europarechtlichen Gründen durch § 32b Abs 1 S 2ff EStG (ab VZ 2008)
Rn. 45a
Stand: EL 150 – ET: 04/2021
Die aus europarechtlichen Gründen erforderliche (s Rn 31) Änderung des § 2a EStG führt dazu, dass ab VZ 2008 (Art 1 Nr 15c, Art 39 Abs 5 JStG 2008 v 19.12.2008, BGBl I 2008, 2794) bestimmte, dort enumerativ aufgezählte und innerhalb des EU-/EWR-Raums verwirklichte Tatbestände, die nach DBA steuerfrei sind, aus dem positiven wie aus dem negativen Progressionsvorbehalt herausgenommen wurden (s BT-Drucks 16/10 189 und s Rn 109b, 109c).