Schrifttum:
Jakob/Jüptner, Zur Zwangsläufigkeit ag Belastungen, StuW 1983, 206;
Richter, Eigenständigkeit von Ereignissen bei Prüfung der Zwangsläufigkeit FR 1983, 233;
Rasenack, Anmerkungen zum Begriff der ag Belastungen iSd § 33 EStG, DB 1983, 1272;
Sunder-Plassmann, Zur Berücksichtigung von Vermögensschäden als ag Belastungen, DStZ 1995, 193;
Dürr, Die steuerliche Berücksichtigung von Aufwendungen für die Unterbringung und Pflege eines Angehörigen nach vorheriger Vermögensübertragung, INF 1997, 353;
Brockmeyer, Entwicklungslinien der Rspr des BFH zu den ag Belastungen, DStZ 1998, 214;
Fischer, Ag Belastungen, NWB F 3, 15 277;
Paus, Ag Belastungen: Der zwangsläufige Griff nach dem Strohhalm, DStZ 2011, 150.
1. Grundsatz
Rn. 130
Stand: EL 158 – ET: 06/2022
Aufwendungen erwachsen dem StPfl zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann oder soweit sie den Umständen nach zwangsläufig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen, § 33 Abs 2 S 1 EStG. Im Allgemeinen muss der StPfl aufgrund gewichtiger objektiver Umstände zu den Aufwendungen verpflichtet gewesen sein oder sich hierfür aus plausiblen Gründen gehalten haben. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn die aufgeführten Gründe der Zwangsläufigkeit von außen auf die Entschließung des StPfl in einer Weise einwirken, dass er ihnen nicht ausweichen kann (BFH BStBl II 1986, 745; 1987, 432; 1991, 755; 1996, 197; 2007, 41; 2008, 223; 2017, 276).
Eine genauere Bestimmung des Begriffs der Zwangsläufigkeit haben Rspr und Schrifttum noch nicht gefunden. Auf die Bedeutung der Ursachenkette und die Notwendigkeit, die entscheidende ("auslösende") Ursache zu finden, weisen bereits Jakob/Jüptner hin (StuW 1983, 212; s Rn 135). In manchen Fällen scheint den Ergebnissen der Rspr auch eine sozialethische Wertung zu Grunde zu liegen, die jedenfalls dann unumgänglich sein dürfte, wenn das eigene Verhalten des StPfl dessen ag Belastung (mit) verursacht hat. Offerhaus, NJW 1978, 1138 neigt sogar zu der Annahme, dass jeder Einzelfall sozialethisch zu werten sei, weil die Abwälzung der Steuerentlastung auf die Allgemeinheit gerechtfertigt erscheinen müsse.
2. Aufwendungen zu Gunsten Dritter
Rn. 131
Stand: EL 158 – ET: 06/2022
Bei Aufwendungen zu Gunsten dritter Personen, zB Zahlung von Krankheitskosten, ist zu berücksichtigen, ob die betreffende Person nicht selbst in der Lage gewesen wäre, die Aufwendungen aus eigenem Einkommen oder eigenem Vermögen zu bestreiten. Der Gedanke kehrt für Unterhaltsaufwendungen in § 33a Abs 1 EStG wieder. Er gilt auch für Anwendung des § 33 EStG, allerdings ohne die in § 33a Abs 1 EStG typisierend aufgestellten Einkunftsgrenzen (BFH BStBl II 2010, 621 zum Grundsatz der Verwertung des eigenen Vermögensstammes des Kindes und zur Ausnahme Loschelder in Schmidt, § 33 EStG Rz 33, 40. Aufl).
So ist der BFH BStBl III 1964, 331 im Grunde davon ausgegangen, dass leicht verwertbares Vermögen eines Dritten, zu dessen Gunsten Aufwendungen gemacht werden, im Allgemeinen die Zwangsläufigkeit der Aufwendungen beim Aufwendenden ausschließt. Dem ist zuzustimmen. Der Dritte hat zunächst seine eigenen Unterhaltsquellen und seine Arbeitskraft einzusetzen, so wie auf sein Vermögen zurückzugreifen, es sei denn, dass es nur geringfügig ist. Wegen des einzusetzenden Vermögens kann R 33a.1 Abs 2 EStR 2012 (zu § 33a Abs 1 EStG) einen gewissen Anhalt geben: Verkehrswert ab 15 500 EUR nicht mehr geringfügig, mit Ausnahmen. Vermögen, das nicht verwertbar ist, wird man dabei nicht ansetzen können (vgl auch BFH BStBl II 1964, 331; BFH/NV 2009, 728).
Die Verpflichtung, vor der Inanspruchnahme von Unterhaltsleistungen zumutbar verwertbares Vermögen einzusetzen, wird durch einen zu belassenden "Notgroschen" für Fälle plötzlich auftretenden Bedarfs eingeschränkt (dazu BGH NJW 1998, 978 unter II.3. b. Übersteigt der Wert des Vermögens den "Notgroschen", so können Zumutbarkeitsgesichtspunkte gleichwohl seiner Verwertung entgegenstehen. Vermögen, das vom Großvater zweckgerichtet für die Ausbildung zugewendet wurde, muss daher nicht vor der Inanspruchnahme elterlichen Unterhaltes verbraucht werden, sondern kann auf die voraussichtliche Ausbildungsdauer umgelegt werden (BGH NJW 1998, 978 unter II.4.a., betreffend Vermächtnis von 50 000 DM; BFH BFH/NV 2009, 728).
Schwerbehinderte volljährige Kinder, die ihren angemessenen Bedarf nicht selbst decken können und bei denen ungewiss ist, ob ihr Unterhaltsbedarf im Alter durch Unterhaltsleistungen der Eltern gedeckt werden kann, dürfen maßvoll Vermögen bilden; eine als Altersvorsorge dienende vermietete Eigentumswohnung braucht deshalb nicht vor der Inanspruchnahme elterlichen Unterhaltes verwertet zu werden (BFH BFH/NV 2009, 728). Nach diesen Grundsätzen konnte auch einem querschnittsgelähmten und einkommenslosen Sohn die Verwertung seiner Forderung gegen den Unfallversicherer, seinem einzigen Vermögensgegenstand, nicht zugemutet werden, da er hierauf zur Altersvorsorge und zur Abdeckung seines weiteren lebenslangen behinderungsbedingten Mehrbedarf...