1. Allgemeines
Rn. 150
Stand: EL 158 – ET: 06/2022
Tatsächliche Gründe, die die ag Aufwendungen als zwangsläufig erscheinen lassen, sind ebenfalls nur solche, die den StPfl zu diesen Aufwendungen zwingen, insbesondere Krankheitskosten (BFH BFH/NV 2009, 149 mwN). Es gehören alle für den StPfl unabwendbaren Ereignisse hierher, wie zB Katastrophen durch Brand, Unwetter, Krieg, auch strafbare Handlungen Dritter gegenüber dem StPfl (zu Letzterem s Rn 109).
Rn. 151
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Hervorzuheben sind in diesem Zusammenhang die Ausführungen in einer Entscheidung des BFH BStBl III 1955, 73, die allgemein Bedeutung für die Frage "tatsächlicher Gründe" beanspruchen können. Hiernach steht es den Steuerbehörden grundsätzlich nicht zu, die tatsächlichen Dispositionen der StPfl in der Gestaltung ihrer Lebensbeziehungen zu kritisieren und ihnen andere Maßnahmen vorzuschreiben als die, die sie getroffen haben. Im Allgemeinen werden auf wirtschaftlichem Gebiet die Dispositionen der StPfl so, wie sie tatsächlich getroffen sind, auch steuerlich hinzunehmen sein, es sei denn, dass sie einer ernsthaften sachlichen Prüfung nicht standhalten.
Bei Beurteilung der Frage der Zwangsläufigkeit ist von den tatsächlichen Dispositionen des StPfl auszugehen, nicht von denkbaren Ersatzmaßnahmen.
2. Einzelfälle
Rn. 152
Stand: EL 158 – ET: 06/2022
Wegen der Zwangsläufigkeit eigener Berufsausbildungskosten s Rn 138. Unter dem Gesichtspunkt tatsächlicher unausweichbarer Gründe war insbesondere auch die Frage der ag Belastung bei auswärtiger Ausbildung von Kindern zu beurteilen. Wegen Einzelheiten s Erläut zu § 33a (Pust).
Rn. 153
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Das Einspringen für einen Dritten zur Wiederherstellung oder Rettung des eigenen persönlichen Ansehens und der persönlichen Ehre, zB des Vaters für die Schulden des Sohnes (vgl auch FG Mchn EFG 1955, 236; FG Nds v 20.07.2000, 14 K 178/98 nv) bzw des Geschäftsführers einer GmbH für Gesellschaftsschulden, wird idR für sich allein kein tatsächlicher Grund sein, der die dadurch verursachten Aufwendungen als zwangsläufig erscheinen lässt (ebenso FG Nbg EFG 1961, 165; FG D'dorf DStZ E 1959, 427; FG Münster v 25.07.1966, VII a 429/64 nv; FG Nds v 20.07.2000, 14 K 178/98 nv).
Einen Sonderfall entschied der BFH BStBl II 1971, 628, indem er die Übernahme von Unterhalts- und Ausbildungskosten eines mittellosen jungen Mannes insoweit als zwangsläufig ansah, als hierin der Dank des StPfl für eine mutige Lebensrettung zu sehen war.
Auch ein Gruppendruck, der sich aus der nachbarschaftlichen Beziehung ergibt, führt nicht zur Zwangsläufigkeit aus tatsächlichen Gründen (FG Nbg EFG 2006, 974).
Rn. 154
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Krankheitskosten können wegen des Verzichts des StPfl auf Ersatzleistungen nicht aus tatsächlichen Gründen als zwangsläufig eingestuft werden. Dies gilt insbesondere, wenn der StPfl verzichtet, um eine Beitragsrückerstattung zu erhalten (FG Ha v 26.08.2004, VI 167/02; FG RP v 31.01.2012, 2 V 1883/11; Kanzler in H/H/R, § 33 EStG Rz 100, Dezember 2020; offen gelassen BFH BStBl II 2018, 384; BFH/NV 2021, 973).
Rn. 155
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Strafprozesskosten werden von der höchstrichterlichen Rspr als ag Belastung aufgrund tatsächlicher Zwangslage grundsätzlich nur anerkannt, wenn der StPfl freigesprochen wird (s § 33 Anh 1 "Prozesskosten" Rn 1 (Nacke)).
Rn. 156
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Aufwendungen für eine seelisch-religiöse Therapie sind nicht aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig (BFH BStBl II 1979, 646). Auch sind Kosten für eine Adoption nicht aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig, weil die Adoption nicht notwendige Folge der Kinderlosigkeit ist (BFH BStBl II 1987, 495; 2006, 495; 2015, 695, Verfassungsbeschwerde hierzu nicht zur Entscheidung angenommen s BVerfG v 13.06.2016, 2 BvR 1208/15); BFH BFH/NV 2000, 1352).
Rn. 157
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Aufwendungen für eine künstliche Befruchtung sind nach neuer Rspr des BFH wegen Zwangsläufigkeit aus tatsächlichen Gründen abzugsfähig. So hat der BFH unter Aufgabe der bisherigen Rspr Aufwendungen auch für eine medizinisch angezeigte heterologe künstliche Befruchtung (mit dem Samen eines Dritten) als Krankheitskosten beurteilt und damit als steuermindernde ag Belastungen nach § 33 EStG berücksichtigt (BFH BStBl II 2011, 414; s auch FG Münster EFG 2020, 1420 rkr). Gleiches galt bereits für die homologe künstliche Befruchtung (mit dem Samen des Ehemannes). Für entsprechende Aufwendungen im Fall einer nicht verheirateten Frau für eine heterologe Befruchtung, die in einer festen Partnerschaft mit einem zeugungsunfähigen Mann lebt, dürfte dies auch ebenso gelten (s Kanzler, StRA 2/2011, 15; ablehnend wenn es an einer festen Partnerschaft fehlt FG Thüringen EFG 2017, 1343, rkr.
Ablehnend zu künstlichen Befruchtung bei Verstoß gegen Embryonenschutzgesetz s BFH BFH/NV 2017, 1371; zu künstlicher Befruchtung bei gleichgeschlechtlicher Partnerschaft s FG Münster v 23.07.2015, 6 K 93/13E, aufgehoben durch Urteil des BFH v 05.10.2017, VI R 47/15, BStBl II 2018, 350 – künst...