Rn. 2

Stand: EL 125 – ET: 12/2017

Nach neuerer Rspr des BFH werden Aufwendungen für IVF auch dann berücksichtigt, wenn die Frau nicht verheiratet ist und wenn die Maßnahmen in Übereinstimmung mit den Richtlinien der ärztlichen Berufsordnungen vorgenommen werden (BFH BStBl 2007, 1968; 2007, 871; BFH/NV 2011, 684; s ausführlich Ritzrow, EStB 2012, 63). Die neue Rspr des BFH begründet die Anerkennung von ag Belastungen auch bei unverheirateten Paaren insb wie folgt: Die Empfängnisunfähigkeit einer Frau sei – unabhängig von ihrem Familienstand – eine Krankheit (BFH BStBl II 2006, 495 unter II.4.a. der Gründe). Maßnahmen zur Behebung der Empfängnisunfähigkeit – zB durch medikamentöse Behandlung oder einen operativen Eingriff – gehörten daher unabhängig vom Familienstand zur Krankenbehandlung der Frau (BVerfG NJW 2007, 1343) und seien steuerlich als angemessene und notwendige Heilbehandlung anzusehen.

 

Rn. 3

Stand: EL 125 – ET: 12/2017

Die IVF diene nicht der Wiederherstellung der Empfängnisfähigkeit, da sie den körperlichen Defekt nicht beseitige, sondern ihn – mittels Ersetzung des normalen Befruchtungsvorganges durch Befruchtung der Eizelle außerhalb des Körpers – gewissermaßen umgehe oder kompensiere. Die Maßnahme könne aber einer Zwangslage entsprechen. Die sich aus ungewollter Kinderlosigkeit ergebende Zwangslage mag – zB wegen gesellschaftlicher Erwartungen – für eine verheiratete Frau stärker sein als für eine unverheiratete Frau. Auch die Zwangslage einer in fester Partnerschaft lebenden unverheirateten Frau sei aber nach der geänderten Rechtsauffassung des BFH ausreichend, um den Abzug der Aufwendungen als ag Belastung zu gewähren. Denn Kinder zu haben und aufzuziehen bedeute – unabhängig vom Familienstand – für viele Menschen eine zentrale Sinngebung ihres Lebens. Ungewollte Kinderlosigkeit werde deshalb häufig als schwere Belastung erlebt; dies sei auch der Grund dafür, dass die IVF auch unter dem Aspekt der Heilbehandlung einer seelischen Erkrankung der Frau nach § 33 EStG erörtert und wegen der Menschenwürde des zu zeugenden Kindes abgelehnt werde (vgl BFH BStBl II 2006, 495 unter II.5. der Urteilsgründe).

 

Rn. 4

Stand: EL 125 – ET: 12/2017

Die Interessen des zu zeugenden Kindes rechtfertigen es ebenfalls nicht, den Abzug der Aufwendungen zu versagen. Dem Kindeswohl entspreche es zwar am besten, wenn seine Eltern miteinander verheiratet seien, da die besonders intensiven rechtlichen Verpflichtungen zwischen Ehepartnern dem Kind eine größere rechtliche Stabilität und mehr rechtliche Sicherheit geben würden.

 

Rn. 5

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Dieser rechtliche Vorteil ehelich geborener Kinder wiege aber nicht so schwer, dass er die Zwangslage einer empfängnisunfähigen unverheirateten Frau entfallen ließe. Angesichts der heutigen gesellschaftlichen Akzeptanz nichtehelicher Lebensgemeinschaften und der wirtschaftlichen Selbstständigkeit beruflich erfolgreicher Frauen würden viele Paare ohne Kinder keinen Grund zur Eheschließung sehen und heiraten deshalb erst, wenn sich Nachwuchs ankündige. Erfolgreiche künstliche Befruchtungen könnten daher auch der Anlass für eine Heirat sein. Deshalb seien die Aufwendungen bei nicht verheirateten Paaren in stabiler Partnerschaft auch als ag Belastungen anzuerkennen (BFH BStBl II 2007, 871; BFH/NV 2008, 1309; vgl auch Görke, HFR 2007, 1117).

 

Rn. 6

Stand: EL 125 – ET: 12/2017

Diese Aussagen gelten auch für eine sog heterologe künstliche Befruchtung, dh der Befruchtung von Eizellen der Ehefrau mit dem Samen eines fremden Mannes (BFH BStBl II 2011, 414). Somit können uE auch bei einer heterologen künstlichen Befruchtung im Rahmen einer eingetragenen Lebenspartnerschaft oder bei einem nicht verheirateten Paar in stabiler Partnerschaft ag Belastungen geltend gemacht werden, wenn die Eizelle einer Partnerin mit dem Samen eines fremden Mannes befruchtet wird (aA FG He EFG 2017, 473 mit krit Anm Bleschick, Rev eingelegt, Az BFH VI R 2/17; FG Münster EFG 2015, 2071, Rev eingelegt, Az BFH VI R 47/15). Auf den Familienstand kommt es nicht an (Mellinghoff in Kirchhof, § 33 EStG Rz 54 "Befruchtung").

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