I. Vorbemerkung – Rspr- u Gesetzesänderung
Rn. 1
Stand: EL 125 – ET: 12/2017
Die Beurteilung von Prozesskosten als ag Belastungen hat sich durch die BFH-Rspr der letzten Jahre geändert.
Rn. 2
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Bei den Kosten eines Prozesses sprach nach der langjährigen früherer Rspr des BFH eine Vermutung gegen die Zwangsläufigkeit (BFH BStBl III 1958, 419; BStBl II 1986, 745; 1996, 596; 2002, 382; 2004, 726; BFH/NV 2009, 553). Solche Kosten wurden nur als zwangsläufig erachtet, wenn auch das die Zahlungsverpflichtung oder den Zahlungsanspruch adäquat verursachende Ereignis zwangsläufig war (BFH BStBl II 1996, 596). Daran fehlte es nach der Rspr des BFH im Allg bei einem Zivilprozess (BFH BStBl II 2004, 726; BFH/NV 2009, 553). Als zwangsläufige Aufwendungen erkannte die Rspr Zivilprozesskosten nur an, wenn der Prozess existenziell wichtige Bereiche oder den Kernbereich menschlichen Lebens berührte. Liefe der StPfl ohne den Rechtsstreit Gefahr, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, könne er trotz unsicherer Erfolgsaussichten gezwungen sein, einen Zivilprozess zu führen (BFH BStBl II 1996, 596; BFH/NV 2009, 553).
Rn. 3
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Dagegen nahm der BFH v 12.05.2011, BStBl II 2011, 1015 die Unausweichlichkeit von Zivilprozesskosten unter der Voraussetzung an, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg biete und nicht mutwillig erscheine. Die neue Rechtsauffassung des BFH zu Zivilprozesskosten wurde teilweise in der Literatur auch auf Strafprozesskosten bezogen (Mellinghoff in Kirchhof, § 33 EStG Rz 54 "Prozesskosten"; Kanzler, FR 2011, 822; Kanzler in H/H/R, § 33 EStG Rz 110). Die neue Rspr hätte auch auf Kosten aus Verwaltungs-, Sozial- und Finanzgerichtsverfahren übertragen werden können, da auch dort das staatliche Gewaltmonopol gilt.
Rn. 4
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Durch das AmtshilfeRLUmsG v 26.06.2013 (BGBl I 2013, 1809) hat der Gesetzgeber die Rechtslage, wie sie vor der Entscheidung des BFH BStBl II 2011, 1015 galt, wiederhergestellt. Damit sind Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits in aller Regel vom Abzug als ag Belastung ausgeschlossen. Lediglich in den Fällen, in denen der StPfl Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, dürfen die Aufwendungen geltend gemacht werden (s § 33 Abs 2 S 4 EStG nF). Damit hat der Gesetzgeber an die frühere Rspr des BFH zu § 33 EStG angeknüpft. Die Neuregelung gilt ab VZ 2013 (Bleschick in Kanzler/Nacke, StRA 2013/2014, 74; zur Verfassungsmäßigkeit der Neuregelung s Kanzler, FR 2014, 209; Mellinghoff in Kirchhof, § 33 EStG Rz 47a stellt eine Anwendung erst ab VZ 2014 oder erst ab Inkrafttreten des Gesetzes in Frage). Ob die Neuregelung die BFH-Rspr vor der Entscheidung des BFH BStBl II 2011, 1015 "gesetzlich festschreibt", ist umstritten (s insb Bleschick in Kanzler/Nacke, StRA 2013/2014, 73; Bleschick, FR 2013, 932; Kanzler, FR 2014, 209; Heim, DStZ 2014, 165). ME hat der Gesetzgeber dies angestrebt, so dass im Rahmen einer Auslegung bzw Rechtsfortbildung die alte Rspr insoweit aufrechterhalten werden sollte (ebenso Loschelder in Schmidt, § 33 EStG Rz 35 "Prozesskosten").
Rn. 5
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Nicht zuletzt auch aufgrund der Gesetzesänderung und erheblicher Kritik in der Rspr und Literatur (s zB FG Ha EFG 2013, 41; krit auch Steinhauff, jurisPR-SteuerR 33/2011, Anm 5; K. Heger in Blümich, § 33 EStG Rz 220; Mellinghoff in Kirchhof, § 33 EStG Rz 29) und Verwaltung (s Nanw-Erlass BMF BStBl I 2011, 1286) änderte der BFH nun seine Rspr erneut. Wie er in seinem Urt v 18.06.2015 (BFH BStBl II 2015, 800) entschieden hat, kehrt er unter Aufgabe seiner in dem Urt BFH BStBl II 2011, 1015 vertretenen Ansicht zu der früheren Rspr des BFH zur Abziehbarkeit der Kosten eines Zivilprozesses als ag Belastung zurück.
Rn. 6
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Die erneute Rspr-Änderung sowie die Gesetzesänderung führte in neuerer Zeit zu einer Reihe von Entscheidungen des VI. Senats des BFH zu Prozesskosten. Insb ergeben sich danach folgende Erkenntnisse. Die bis zur Entscheidung des BFH v 12.05.2011 ergangene Rspr wurde dabei aufgenommen, da durch § 33 Abs 2 S 4 EStG nF möglicherweise auch die alte Rspr weiter Bestand hat.
II. Strafprozesskosten
Rn. 7
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Kosten eines Strafprozesses u eines im Privatklageverfahren durchgeführten Beleidigungsprozesses sind einerseits nach BFH BStBl III 1955, 338 ebenso wenig nach § 33 EStG berücksichtigungsfähig wie die Strafe selbst. Andererseits erkennt der BFH u die Literatur für die Kosten eines Strafprozesses eine Zwangslage an, wenn der StPfl freigesprochen wird (BFH BStBl III 1958, 105; 1964, 331; 1961, 482für Anwaltskosten eines Beamten im Dienststrafverfahren; FG RP EFG 2010, 1491; Arndt in K/S/M, § 33 EStG Rz C 56). Es soll dann auch nicht zu prüfen sein, aus welchen Gründen der Angeklagte die Kosten zu tragen hat, weil es nicht Sach...