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Stand: EL 164 – ET: 04/2023
Die Aufgabe eines ganzen Betriebes oder Teilbetriebes erfolgt im Regelfall nicht in einem einheitlichen Vorgang, sondern erstreckt sich über einen gewissen Zeitraum durch Veräußerung der wesentlichen Betriebsgrundlagen an verschiedene Erwerber und/oder Überführung in das PV.
Die der Betriebsveräußerung gleichgestellte begünstigte Betriebsaufgabe ist von der (nicht begünstigten) allmählichen Abwicklung abzugrenzen.
Nach st Rspr muss die Veräußerung und/oder Überführung der wesentlichen Betriebsgrundlagen in das PV innerhalb eines kurzen Zeitraumes erfolgen.
Der Begriff "kurzer Zeitraum" darf nach Ansicht der FinVerw nicht zu eng gefasst werden, vgl H 16 Abs 2 EStH 2021 "Zeitraum für die Betriebsaufgabe". Entscheidend sind die Umstände des Einzelfalles, vgl BFH v 17.10.1991, BStBl II 1992, 392, wie zB die Branche, Größe des Unternehmens, Marktsituation oder allgemein die Veräußerbarkeit der WG.
So hat die Rspr einen Zeitrahmen von 6 Monaten für ein Produktionsunternehmen (BFH v 25.06.1970, BStBl II 1970, 719), 14 bis 18 Monate für ein Weingut mit landwirtschaftlichem Betrieb (BFH v 16.09.1966, BStBl II 1967, 70; 1994, 385) als angemessen erachtet, während 20 Monate nicht anerkannt wurden (vgl BFH v 12.12.2000, BStBl II 2001, 282). Die FinVerw hält einen Zeitraum von mehr als 36 Monaten mit Verweis auf BFH v 26.04.2001, BStBl II 2001, 798 für nicht mehr zulässig, vgl H 16 Abs 2 EStH 2021 "Zeitraum der Betriebsaufgabe".
Gewinne aus einer Betriebsaufgabe können, so die Rspr des BFH, in mehreren VZ anfallen (BFH v 17.10.1991, BStBl II 1992, 392), mE liegt aber im Regelfall die Grenze bei 2 VZ, so auch BFH v 12.12.2000, BStBl II 2001, 282; BMF v 20.12.2005, BStBl I 2006, 7; in Ausnahmefällen sind auch 3 VZ noch denkbar, vgl Sieker in K/S/M, § 34 EStG, Rz B 24 (November 2016).
Erstreckt sich der Aufgabevorgang über 2 VZ, wird die Tarifermäßigung nach § 34 Abs 3 EStG auf Antrag in beiden VZ gewährt, wobei der Höchstbetrag von 5 Mio EUR dabei aber insgesamt nur einmal gewährt wird, vgl BMF v 20.12.2005, aaO.
Zu dem begünstigten Aufgabegewinn gehören idR die aus der Auflösung von stillen Reserven des AV resultierenden Gewinne, vgl BFH v 26.06.2007, BStBl II 2009, 289. Davon abzugrenzen sind aber Gewinne, die entsprechend ihrer Natur noch aus den laufenden Geschäftsbeziehungen resultieren und somit dem regulären Gewinn zuzuordnen sind, auch wenn sie im Zusammenhang mit einer Betriebsaufgabe erzielt werden. So wurde die Tarifbegünstigung für den Verkauf eines Flugzeugs versagt, wenn der Verkauf Bestandteil eines einheitlichen Geschäftskonzepts ist, vgl BFH v 01.08.2013, BStBl II 2013, 910 mwH zur Rspr des BFH.
Auch der Ausgleichsanspruch eines Handelsvertreters nach § 89b HGB ist dem laufenden Gewinn und nicht dem begünstigten Aufgabe- oder Veräußerungsgewinn zuzurechnen, zu prüfen ist aber die Vergünstigung nach § 34 Abs 1 EStG iVm § 34 Abs 2 Nr 2 EStG, vgl BFH v 09.02.2011, BFH/NV 2011, 1120.
Ebenfalls nicht begünstigt ist ein Unterschiedsbetrag nach § 5a Abs 4 EStG, der dem Gewinn im Zeitpunkt des Ausscheidens des WG aus dem BV hinzuzurechnen ist, auch wenn dieses Ausscheiden iVm einer Betriebsaufgabe/-veräußerung erfolgt, vgl BFH v 19.07.2011, BFH/NV 2012, 393.
Der Erlass einer nach Betriebsaufgabe verbleibenden Schuld erhöht als rückwirkendes Ereignis iSd § 175 Abs 1 S 1 Nr 2 AO den begünstigten Aufgabegewinn, vgl BFH v 12.10.2005, BFH/NV 2006, 713.
Nicht begünstigt ist die Veräußerung eines zum UV eines gewerblichen Grundstückshändlers gehörenden Grundstückes, auch dann, wenn sie mit der Betriebsaufgabe zusammentrifft, vgl BFH v 05.07.2005, BStBl II 2006, 160. Das gilt auch für die Veräußerung von Anteilen an PersGes (die einen gewerblichen Grundstückshandel betreiben), weil die Anteilsveräußerung als Veräußerung der Grundstücke zu werten ist, vgl BFH v 05.07.2005, aaO.
In diesem Zusammenhang ist die sog "Attraktivkraft des Veräußerungsvorgangs" zu beachten, wonach in früheren oder späteren Jahren angefallene Veräußerungs- oder Aufgabekosten im Jahr der Veräußerung oder Aufgabe zu erfassen sind, vgl BFH v 20.01.2005, BStBl II 2005, 559 mwN. Der BFH hat in diesem Urteil entschieden, dass die (nachträgliche) Abfindung eines gegenüber einer PersGes bestehenden Pensionsanspruches den Aufgabegewinn der Gesellschaft mindert und korrespondierend den (begünstigten) Aufgabegewinn des Gesellschafters erhöht.
Der Gewinn aus dem Verkauf von WG, die aufgrund der sog Verklammerungs-Rspr BV darstellen, gehören nicht zum tarifbegünstigten Aufgebegewinn, s § 15 Rn 136c (Bitz) mwH.
Entfallen die Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung, ohne dass eine bloße Betriebsunterbrechung als Auffangtatbestand vorliegt (s § 15 EStG Rn 420 (Bitz)), ist eine Betriebsaufgabe anzunehmen, mit der Folge, dass die stillen Reserven im notwendigen BV des Besitzunternehmens und in den Anteilen der Betriebs-GmbH unter Gewährung der Steuervergünstigungen der §§ 16 und 34 EStG aufzudecken sind, vgl FG Nds v 01.12.2021, DStRE 2022, 891 (r...