Rn. 112
Stand: EL 164 – ET: 04/2023
Die bisherige ältere Rspr zu Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten betrifft ausschließlich Einkünfte aus nichtselbstständiger und selbstständiger Tätigkeit.
Diese Beschränkung dürfte aber – insbesondere durch Verwendung des Begriffs "Vergütung" anstelle von "Entlohnung" – nicht mehr zulässig sein, s Rn 103, mit der Folge, dass grds auch Einkünfte aus anderen Einkunftsarten, wie zB VuV und KapVerm begünstigungsfähig sind.
So auch die FinVerw, die 34 Abs 2 Nr 4 grds für alle Einkunftsarten anwendet, R 34.4 Abs 1 S 1 EStR 2012.
Zinsen sind Entgelt für die Kapitalnutzung und somit keine begünstigungsfähigen Entschädigungen, vgl Schießl in Brandis/Heuermann, § 24 EStG Rz 40–41 mwN zur Rspr. Gleiches gilt für Verzugszinsen.
Eine Zusammenballung von Einkünften bei den anderen Einkunftsarten setzt aber voraus, dass der Zufluss nicht dem vertragsgemäßen oder dem typischen Verlauf entspricht, vgl R 34.4 Abs 1 S 3 EStR 2012. Aus diesem Grund ist mE eine Tarifermäßigung bei den Bundesschatzbriefen (bei denen die Zinsen endfällig ausbezahlt werden) ausgeschlossen; glA Horn in H/H/R, § 34 EStG Rz 67 (Dezember 2015); aA Kirchhoff, § 34 EStG Rz 27.
Begünstigungsfähig ist dagegen der zusammengeballte Zufluss von Renten oder Mieten, die zB aufgrund eines neuen Ereignisses (zB Rechtsstreit) nachgezahlt werden, vgl Horn in H/H/R, § 34 EStG Rz 67 (August 2019).
Rn. 112a
Stand: EL 164 – ET: 04/2023
Einmalzahlungen der betrieblichen Altersversorgung
Kapitalabfindungen sind – unabhängig vom Durchführungsweg der betrieblichen Altersversorgung – im Grundsatz als Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten einzustufen, vgl BFH v 20.09.2016, BStBl II 2017, 347. Entscheidend für die Gewährung der Tarifermäßigung war nach bisheriger Ansicht des BFH (aaO) das Kriterium der Außerordentlichkeit iS eines nicht vertragsgemäßen oder nicht typischen Verlaufs der Einkünfteerzielung. So wurden Einmalleistungen durch Pensionskassen, Pensionsfonds oder Direktversicherungen, die auf steuerfreien Beiträgen iSv § 3 Nr 63 EStG beruhen und nach § 22 Nr 5 S 1 EStG stpfl sind, nicht begünstigt, da das Kapitalwahlrecht von Anfang an vereinbart war und die Auszahlung somit nicht vertragsgerecht und auch nicht atypisch war, vgl BFH aaO; FG Nds v 28.09.2016, EFG 2017, 1444 rkr; BMF v 24.07.2013, BStBl I 2013, 1022 Tz 373.
Nach neuer Rspr wird das Kriterium der Atypik als entscheidend angesehen, in dem Sinne, dass eine solche Einmalzahlung für den betreffenden Lebens-, Wirtschafts- und Regelungsbereich atypisch sei. Ob darüber hinaus die Möglichkeit einer Kapitalabfindung bereits von Anfang an vorgesehen ist, wird lediglich als ein Indiz gewertet, das allenfalls gewisse Rückschlüsse darauf zulässt, ob eine Kapitalabfindung im betreffenden Lebens- oder Wirtschaftsbereich typisch oder atypisch ist. Erforderlich ist vielmehr eine wertende Beurteilung unter Heranziehung empirisch-statistischer Daten vgl BFH vom 11.06.2019, BStBl II 2019, 583; BFH/NV 2019, 1337; BStBl II 2021, 141; FG He v 14.05.2020, DStRE 2021, 598 (rkr).
Diese im Einzelfall schwierige Beurteilung entfällt mit Wirkung ab VZ 2018 wenigstens für Kleinbetragsrentenabfindungen, da § 22 Nr 5 S 13 EStG die Anwendung des § 34 Abs 1 EStG explizit vorschreibt, s § 22 Rn 730 (Mues).
Auch die FinVerw gewährt die Vergünstigung für die Einmalzahlung des Rückkaufswertes einer Versicherung der betrieblichen Altersversorgung sowie für den Fall, dass im Rahmen der betrieblichen Altersvorsorge im Durchführungsweg Direktzusage eine Trennung zwischen ArbG-finanziertem Basiskonto und mitarbeiterfinanziertem Aufbaukonto vorgenommen wird und eine Einmalauszahlung aus einem dieser Konten erfolgt, vgl H 34.4 EStH 2021 "Nachzahlungen von Versorgungsbezügen".
Einmalzahlungen im Durchführungsweg der Direktzusage und der Unterstützungskasse sind grds begünstigt (vgl BMF v 24.07.2013, BStBl I 2013, 1022 Tz 371; BFH v 12.04.2007, BStBl 2007 II, 581; 1974, 680). Das gilt auch für Kapitalleistungen, die von berufsständischen Versorgungseinrichtungen für vor dem 01.01.2005 geleistete Beiträge gezahlt werden (vgl BFH v 23.10.2013, BStBl II 2014, 58 und H 34. 4 EStH 2021 "Nachzahlung von Versorgungsbezügen"). Eine Teil-Kapitalisierung steht zwar der Anwendung des § 34 Abs 2 Nr 4 EStG grds nicht entgegen. Eine Begünstigung scheidet jedoch aus, wenn es an der Atypik der Zusammenballung von Einkünften fehlt, so wie im Urteilsfall des FG RP v 16.06.2020, EFG 2021, 1621.