Rn. 41
Stand: EL 157 – ET: 04/2022
Die Regelung ist auch mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG vereinbar. Das BVerfG fordert vom Gesetzgeber, die Gesamtbelastung durch eine Besteuerung des Vermögenserwerbs, des Vermögensbestandes und der Vermögensverwendung so aufeinander abzustimmen, dass das Belastungsgleichmaß gewahrt und eine übermäßige Last vermieden wird (BVerfGE 93, 121/35). Speziell auch in Bezug auf die ESt/KSt und die GewSt hat das BVerfG eine solche Gesamtbelastungsbetrachtung vorgenommen und dabei die GewSt als zusätzliche Ertragsteuer bezeichnet (BVerfGE 40, 109/18).
Rn. 42
Stand: EL 157 – ET: 04/2022
§ 35 EStG ersetzt die mit Wirkung ab dem VZ 1994 eingeführte Regelung des § 32c EStG aF, aufgrund deren eine Tarifkappung vorgesehen ist. Die Tarifbegrenzung des § 32c EStG aF war insbesondere unter dem Gesichtspunkt des Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG) einer starken Kritik ausgesetzt (BFH v 24.02.1999, BStBl II 1999, 450; Rohrlack in Brandis/Heuermann, § 35 EStG Rz 28, Juli 2020). Im Wesentlichen wurde ein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG darin gesehen, dass
- die Begünstigung gewerblicher Gewinne das Gebot einer grundsätzlich gleichen folgerichtigen Belastung der verschiedenen Einkunftsarten verletze, wobei die Sonderbelastung der gewerblichen Einkünfte mit GewSt hierfür nicht rechtfertigend wirke,
- Anteilseigner von Körperschaften benachteiligt würden, weil bei der Besteuerung der Dividenden die gewerbesteuerliche Vorbelastung bei der ausschüttenden Körperschaft unberücksichtigt bleibe,
- die Tarifentlastung nur inkongruent, nämlich nur in den Fällen erfolge, in denen der Anteil der gewerblichen Einkünfte am zvE einen bestimmten Betrag überschreite.
Rn. 43
Stand: EL 157 – ET: 04/2022
Die vorstehenden Gesichtspunkte treffen für die Steuerermäßigung gemäß § 35 EStG nicht zu. Im Hinblick auf die von § 35 EStG ausgehenden gesetzgeberischen Wertungen ist auf der Grundlage einer integrierten Betrachtung auf die Gesamtbelastung von ESt und GewSt abzustellen. Eine gegen Art 3 Abs 1 GG verstoßende Benachteiligung von Beziehern anderer Einkunftsarten ist unter diesem Gesichtspunkt der Gesamtbetrachtung nicht gegeben (so auch FG BdW v 28.04.2014, 13 K 1894/13, nachgehend BFH v 14.11.2018, II R 64/15, BStBl II 2019, 289). Das gilt auch für die Bezieher von Dividenden. Unter Berücksichtigung der Vorbelastung sind Anteilseigner an Körperschaften nach Maßgabe des Teileinkünfteverfahrens bei Vollausschüttung im Ergebnis etwa gleich hoch belastet.
Rn. 44
Stand: EL 157 – ET: 04/2022
Da § 35 EStG – wenn auch typisierend – im Unterschied zu § 32c EStG aF eine inkongruente Belastung vermeidet, ist ein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG auch unter diesem Gesichtspunkt nicht gegeben.
Rn. 45
Stand: EL 157 – ET: 04/2022
Nach Ansicht des BVerfG v 29.06.2009, 2 BvR 1540/08 ist darüber hinaus auch in der fehlenden Möglichkeit für einen Vor- oder Rücktrag eines GewSt-Anrechnungsüberhangs kein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz zu sehen. Dies begründet das BVerfG damit, dass der Gesetzgeber für die Steuerermäßigung des § 35 EStG eine kumulative Belastung von ESt und GewSt voraussetzt.
Eine derartige kumulative Belastung liegt jedoch bei Anrechnungsüberhängen nicht vor, da diese nur entstehen, wenn der Ermäßigungshöchstbetrag überschritten ist oder wenn die tarifliche ESt niedriger ist als das Vierfache des GewSt-Messbetrags oder der tatsächlich gezahlte GewSt.
Rn. 46
Stand: EL 157 – ET: 04/2022
Es bestehen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken, dass der GewSt-Messbetrag bei Mitunternehmerschaften nur nach Maßgabe des allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssels auf die Mitunternehmer aufgeteilt wird (vgl BFH v 09.02.2011, BFH/NV 2012, 1440).
Die Nichtberücksichtigung von Vorabgewinnen bzw Sondervergütungen bei der Zuordnung des GewSt-Messbetrags kann jedoch dazu führen, dass die Mitunternehmer nicht punktgenau von der GewSt entlastet werden.
Rn. 47
Stand: EL 157 – ET: 04/2022
Aus betriebswirtschaftlicher Sicht bleibt indessen ein Unbehagen dahingehend bestehen, dass das Hinzukommen negativer Einkünfte, beispielsweise aus VuV, dazu führen kann, dass im Übrigen die gleichen gewerblichen Einkünfte erzielenden Einzelgewerbetreibenden hinsichtlich der Steuerlast auf ihre gewerblichen Einkünfte (infolge teilweiser/vollständiger Nichtanrechenbarkeit der GewSt) ungleich behandelt werden.
Rn. 48–59
Stand: EL 157 – ET: 04/2022
vorläufig frei