Rn. 25
Stand: EL 135 – ET: 04/2019
Die Einkünfte müssen der ErbSt unterlegen haben.
Zweifelhaft ist, ob auch ausländische ErbSt zu berücksichtigen ist. Der BFH BStBl II 1975, 110 hat dies für die Vorläufernorm des § 16 Abs 5 EStG aF bejaht, weil die Regelung Züge eines echten Härteausgleichs trage. Dem haben sich für die Geltung des § 35 EStG aF zahlreiche Stimmen in der Literatur angeschlossen (Stuhrmann in Blümich, § 35 EStG aF Rz 26; Geck, ZEV 1996, 376, 378; Ley, KÖSDI 1994, 9866, 9871; Söffing in Lademann, § 35 EStG aF Rz 13; s hier zunächst Tischer, später Conradi, § 35 EStG aF Rz 6).
Die Gegenansicht (vgl Schulz in H/H/R, § 35b EStG Rz 27, September 2016; Schallmoser in Blümich, § 35b EStG Rz 41, Oktober 2018) argumentiert mit FG He EFG 1982, 621, dass eine Steuerermäßigung nach § 35b EStG bei Belastung mit ausländischer ErbSt nicht in Betracht komme, weil sich aus dem Gesetzestext zur Berechnung der Steuerermäßigung in § 35 S 2 EStG aF (jetzt: § 35b S 2 EStG) ergebe, dass augenscheinlich nur die deutsche ErbSt gemeint sein könne. Zwar beinhalte der in § 35 S 1 EStG aF benutzte Begriff der ErbSt nach allg Sprachgebrauch auch die ausländische ErbSt, in § 35 S 2 EStG aF werde aber konkret auf Normen des inl ErbStG (§§ 16, 17, 5, 10 ErbStG) Bezug genommen. Im Übrigen sei eine Einbeziehung ausländischer ErbSt mit erheblichen praktischen Schwierigkeiten verbunden, weil es schwieriger Analysen des ausländischen ErbSt-Rechts bedürfe, um feststellen zu können, wie hoch der dortige erbschaftsteuerliche Gesamterwerb sei, ob nach ausländischem Recht die latente ErbSt-Belastung Berücksichtigung finde und inwieweit der ErbSt-Satz im Zusammenhang mit anderen ggf zugleich anfallenden Steuern stehe.
Dem ist entgegenzusetzen, dass sowohl § 16 Abs 5 EStG aF als auch § 35 EStG aF – und damit § 35b EStG – zwar in erster Linie die ErbSt zum Gegenstand hat, die auf einen nach dem ErbStG stpfl Vermögensanfall im Inl zu entrichten ist. Die Hinzurechnung der personenbezogenen Freibeträge bezweckt jedoch, die ErbSt zum ererbten Gesamtvermögen in Relation zu setzen, um mit diesem Hundertsatz die hierauf entfallende ESt zu entlasten. Dies berechtigt zu einer analogen Anwendung des § 35b S 2 EStG auch auf ausländische ErbSt-Regelungen und ermöglicht somit die Bezugnahme in § 35b S 1 EStG auch auf ausländische ErbSt. Dass es für Verwaltung und Gerichte im Einzelfall erhebliche Schwierigkeiten bereiten kann, ausländisches Recht zu beurteilen, darf nicht entscheidend dafür sein, ob ausländische Steuern zu berücksichtigen sind (s hier Conradi, § 35 EStG aF Rz 6). Das Europarecht spricht zwar auch für die Anwendung der Norm auf ausländische ErbSt, erzwingt sie aber nicht (EuGH, NJW 2009, 977).
Nach der hier vertretenen Auffassung ist eine Zurechnung von Freibeträgen nur dann vorzunehmen, wenn diese bei der Ermittlung der festgesetzten ErbSt auch tatsächlich abgezogen worden sind. Es sind daher im Zweifelsfalle alle bei der Ermittlung der ausländischen ErbSt abgezogenen Freibeträge zuzurechnen, um so das ererbte Gesamtvermögen zu erhalten. Jedenfalls wird im Hinblick auf die Zwecksetzung des § 35b EStG für die Begünstigung der mit ausländischer ErbSt belasteten Einkünfte erforderlich sein, dass bei der Festsetzung der ausländischen ErbSt eine latente ESt-Belastung in gleicher Weise unberücksichtigt geblieben ist, wie diese bei der Festsetzung der deutschen ErbSt unberücksichtigt bleibt (Kulosa in Schmidt, § 35b Rz 10, 37. Aufl EStG). Die Berücksichtigung ausländischer ErbSt wird sich im Übrigen in der Praxis als Näherungsverfahren darstellen. Im Rahmen eines Härteausgleichs ist aber eine näherungsweise Ermittlung von Steuertatbeständen immer noch gerechter als gar keine Berücksichtigung (s hier bereits Conradi, § 35 EStG aF Rz 6).