1. Einkünfte
Rn. 17
Stand: EL 135 – ET: 04/2019
Der Wortlaut des § 35b EStG ist ungenau, weil er auf "Einkünfte" abstellt. Einkünfte im einkommensteuerlichen Sinn unterliegen nicht der ErbSt. Erbschaftssteuerlicher Besteuerungsgegenstand ist die Bereicherung von Todes wegen (BFH BStBl II 2018, 593). Daher ist die Norm aus ihrem Sinn heraus so zu lesen, dass Einkünfte alle Tatbestände umfasst werden, die der ErbSt unterlegen haben und in zukünftigen Perioden zur Realisierung von Einkünften iSd EStG führen (Herzig/Joisten/Vossel, DB 2009, 584, 585). Der BFH spricht in diesem Zusammenhang von "Maßgrößen", die einerseits gegenwärtig als Einkünfte der ESt unterliegen, andererseits zu einem früheren Zeitpunkt als Bereicherungen der ErbSt unterworfen wurden (BFH BStBl II 1991, S 352).
Im Wesentlichen kommen drei Fallgruppen in Betracht:
- Forderungen, die Bestandteil des erbschaftssteuerlichen Erwerbs sind und vom Erben im Hinblick auf das Zuflussprinzip zu einkommensteuerlichen Einkünften führen,
- stille Reserven in WG (bzw aus diesen bestehende unternehmerische Einheiten), die der ErbSt als Bestandteil der Bereicherung unterlegen haben und nach dem Erbfall eine Ertragsrealisation durch Veräußerung, Entnahme oder Betriebsaufgabe auslösen,
- Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen und Nutzungen, falls sie der ErbSt mit ihrem Kapitalwert unterworfen wurden und beim Erben zugleich in vollem Umfang der ESt unterliegen.
Rn. 18
Stand: EL 135 – ET: 04/2019
Eine weitere Fallgruppe wird seit VZ 2008 aufgrund der Einführung einer Thesaurierungsbegünstigung bei PersGes in § 34a EStG diskutiert (Huber/Reimer, DStR 2007, 2042, 2045). Hier stehen sich die erbschaftsteuerliche Bewertung des Anteils (unter Einbeziehung der Thesaurierungsrücklage) zum gemeinen Wert und eine mögliche Nichtberücksichtigung einer latenten Nachversteuerungsschuld nach § 34a Abs 4 S 2 EStG als möglicher Doppelbelastungssachverhalt gegenüber (Kahle/Goldschmidt, Ubg 2016, 49). Die Mehrfachbelastung mit ESt und ErbSt kann zwar vermieden werden, indem der von Todes wegen Erwerbende die Nachversteuerung gemäß § 34a Abs 6 S 1 Nr 4 EStG beantragt, sodass die anfallende ESt dem Erblasser zuzurechnen und von der Bemessungsgrundlage der ErbSt abzuziehen ist. Gleichwohl wird er dadurch zur Nachversteuerung verpflichtet, obwohl § 34a Abs 6 S 1 EStG beim Erwerb von Todes wegen grundsätzlich keine Nachversteuerung anordnet. Einzelheiten sind noch der Klärung bedürftig.
Rn. 19
Stand: EL 135 – ET: 04/2019
Zur ersten Fallgruppe der geerbten Forderungen des Erblassers, die beim Erben eingehen, zählen insbesondere:
- im Bereich der Überschusseinkünfte: offene Lohn- und Gehaltsforderungen sowie Ansprüche aus im Zeitpunkt des Erwerbs bereits beschlossenen Gewinnausschüttungen.
- Im Bereich der Gewinneinkunftsarten: Forderungen aus betrieblichen Vorgängen eines nicht bilanzierenden Gewerbetreibenden, LuF oder Selbstständigen. Obwohl sich die erbschaftsteuerliche Bemessungsgrundlage in der Folge des ErbStRG nicht mehr an dem Gedanken der Einzelbewertung orientiert, sondern dem Maßstab der Gesamtbewertung folgt, hat die Forderung der ErbSt unterlegen. Fraglich ist in diesen Fällen aber, welche ErbSt-Zahlung auf die einzelne Forderung entfällt.
Rn. 20
Stand: EL 135 – ET: 04/2019
Zur zweiten Fallgruppe der stillen Reserven, die der ErbSt unterlegen haben und vom Erwerber realisiert werden, zählen unter anderem:
- Veräußerungen von Vermögensgegenständen durch den Erwerber innerhalb der von ihm fortgeführten Spekulationsfrist nach § 23 EStG bzw außerhalb einer Spekulationsfrist nach § 20 Abs 2 EStG.
- Veräußerung oder Aufgabe eines erworbenen Betriebes oder Teilbetriebes.
- Veräußerung von einzelnen WG aus dem BV eines erworbenen Betriebes. Wegen des Unterschiedes zwischen ertragsteuerlicher Einzelbewertung und erbschaftsteuerlicher Gesamtbewertung ist auch hier die genaue Zuordnung der ErbSt-Belastung zu den einzelnen WG schwierig.
Rn. 21–24
Stand: EL 135 – ET: 04/2019
vorläufig frei
2. Erbschaftsteuer
Rn. 25
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Die Einkünfte müssen der ErbSt unterlegen haben.
Zweifelhaft ist, ob auch ausländische ErbSt zu berücksichtigen ist. Der BFH BStBl II 1975, 110 hat dies für die Vorläufernorm des § 16 Abs 5 EStG aF bejaht, weil die Regelung Züge eines echten Härteausgleichs trage. Dem haben sich für die Geltung des § 35 EStG aF zahlreiche Stimmen in der Literatur angeschlossen (Stuhrmann in Blümich, § 35 EStG aF Rz 26; Geck, ZEV 1996, 376, 378; Ley, KÖSDI 1994, 9866, 9871; Söffing in Lademann, § 35 EStG aF Rz 13; s hier zunächst Tischer, später Conradi, § 35 EStG aF Rz 6).
Die Gegenansicht (vgl Schulz in H/H/R, § 35b EStG Rz 27, September 2016; Schallmoser in Blümich, § 35b EStG Rz 41, Oktober 2018) argumentiert mit FG He EFG 1982, 621, dass eine Steuerermäßigung nach § 35b EStG bei Belastung mit ausländischer ErbSt nicht in Betracht komme, weil sich aus dem Gesetzestext zur Berechnung der Steuerermäßigung in § 35 S 2 EStG aF (jetzt: § 35b S 2 EStG) ergebe, dass augenscheinlich nur die deutsche ErbSt gemeint sein könne....