A. Bedeutung und systematische Stellung der Vorschrift
Rn. 1
Stand: EL 165 – ET: 06/2023
Die in den §§ 38–42f EStG geregelte LSt ist gegenüber der ESt keine eigene Steuerart, sondern die ESt auf den Arbeitslohn, die lediglich durch eine besondere Erhebungsart gekennzeichnet ist (Lang, StuW 1975, 113; Seidel in Wagner, Lohnsteuer, (1. Aufl), H Rz 1; Strohner in H/H/R, § 38 EStG Rz 1 (Juni 2022)).
Die Erhebung der LSt ist dadurch gekennzeichnet, dass der ArbG verpflichtet ist, die Grundlagen der Besteuerung selbst zu ermitteln, die Steuer zu berechnen, sie vom Arbeitslohn des ArbN einzubehalten und schließlich an das zuständige FA abzuführen, so dass es sich um ein Quellensteuerabzugsverfahren handelt.
§ 38 EStG ist die Grundnorm des LSt-Verfahrens und bestimmt, wer zum LSt-Abzug verpflichtet ist (grds der ArbG s Rn 30 ff, ausnahmsweise ein ausländischer Verleiher s Rn 50 ff oder ein Dritter s Rn 110ff), was Gegenstand der Besteuerung ist (Arbeitslohn, s Rn 21f), legt fest, wer Schuldner der LSt ist und wann diese entsteht (s Rn 70ff), skizziert das Verfahren zum LSt-Einbehalt (Einbehaltungspflicht des ArbG, s Rn 90ff) und trifft schließlich Regelungen für den Fall, dass der vom ArbG geschuldete Barlohn geringer ist als die einzubehaltende LSt (Barlohnmangel, s Rn 120ff).
B. Entstehungsgeschichte
Rn. 2
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Durch das EStRG vom 05.08.1974 wurde das LSt-Recht grundlegend reformiert. Seitdem ist das LSt-Abzugsverfahren in den §§ 38–42f EStG geregelt (ausführlich zur Entwicklung des Quellenabzugs vom Arbeitslohn bis zum Jahr 1974 s Trzaskalik in K/S/M, § 38 Rz A 70–84 (April 2003)).
§ 38 Abs 1 S 1 Hs 1 EStG 1974 entspricht wörtlich dem vorigen § 38 Abs 1 S 1 EStG 1934. Die in § 38 Abs 1 S 1 Hs 2 EStG 1974 enthaltene Abzugspflicht des inländischen ArbG sowie die Regelung zum Einbehalt bei Drittlohn in § 38 Abs 1 S 2 EStG 1974 wurden neu eingefügt. § 38 Abs 2 S 1 EStG 1974 (ArbN als Schuldner der LSt) entspricht § 38 Abs 3 S 1 EStG 1950. § 38 Abs 2 S 2 EStG 1974 (Entstehungszeitpunkt der LSt) wurde aus § 3 Abs 5 Nr 1a StAnpG übernommen. § 38 Abs 3 EStG 1974 (Einbehaltungspflicht des ArbG) geht auf § 38 Abs 1 S 2 EStG 1934 bzw § 49 Abs 1 LStDVO 1934 zurück. Die Regelungen in § 38 Abs 4 EStG (Barlohnmangel) entsprechen wiederum weitgehend § 69 Abs 2 EStG 1925.
Rn. 3
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Durch das StBereinG 1986 wurde mit Einfügung des § 38 Abs 1 S 1 Nr 2 EStG die Verpflichtung zum LSt-Abzug auf ausländische Verleiher ausgedehnt, die im Inland gewerbsmäßig ArbN an Dritte überlassen.
Durch das StÄndG 2003 wurde in § 38 Abs 1 EStG ein neuer S 2 eingefügt und (der bisherige S 2 nunmehr als) S 3 geändert und damit Regelungen zum LSt-Abzug in Entsendungsfällen und bei Arbeitslohnzahlungen durch Dritte geschaffen bzw modifiziert. Weitere Änderungen durch das StÄndG 2003 betrafen die Einführung eines neuen Abs 3a (LSt-Abzug durch Dritte) sowie die Einfügung eines neuen S 3 in Abs 4 (Anzeigepflicht von Drittlohn durch den ArbN).
Das EURLUmsG 2004 ersetzte in § 38 Abs 4 S 3 EStG den Klammerzusatz (Abs 1 S 2 durch Abs 1 S 3) als Folgeänderung zu den Änderungen in § 38 Abs 1 EStG durch das StÄndG 2003.
IRd JStG 2009 wurde in § 38 Abs 3 S 3 EStG der LSt-Abzug bei Auszahlung von Wertguthaben aus Arbeitszeitkonten durch die Deutsche Rentenversicherung Bund geregelt.
Durch das WElektroMobFödG (JStG 2019 vom 12.12.2019, BGBl I 2019, 2451) wird nunmehr in § 38 Abs 1 S 2 Hs 1 EStG festgelegt, dass im Falle der internationalen ArbN-Entsendung das in Deutschland ansässige Unternehmen auch dann als inländischer ArbG zum LSt-Abzug verpflichtet ist, wenn es den Arbeitslohn für die ihm geleistete Arbeit nach dem Fremdvergleichsgrundsatz hätte tragen müssen (s Rn 42).
C. Anwendungsbereich
Rn. 4
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Der sachliche Anwendungsbereich beschränkt sich bzgl der Verpflichtung zum LSt-Abzug auf die Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit (Arbeitslohn, s Rn 21 f; Wackerbeck in Brandis/Heuermann, § 38 EStG Rz 20 (Oktober 2021)).
Der persönliche Anwendungsbereich umfasst zum einen Arbeitslohn zahlende inländische ArbG (§ 38 Abs 1 S 1 Nr 1, S 2 EStG, s Rn 30 ff und 36ff), ausländische Verleiher (§ 38 Abs 1 S 1 Nr 2 EStG, s Rn 50ff) und unter Umständen Dritte (§ 38 Abs 3a EStG, s Rn 110ff) als zum LSt-Abzug Verpflichtete sowie zum anderen sowohl unbeschränkt als auch beschränkt estpfl ArbN als Schuldner der LSt (§ 38 Abs 2 S 1 EStG, s Rn 70ff).
D. Verhältnis zu anderen Vorschriften
Rn. 5
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Sowohl für den SolZ als Ergänzungsabgabe wie auch für die KiSt als Zuschlagsteuer finden die Vorschriften über die Einbehaltung, Abführung von LSt und über die Haftung entsprechende Anwendung (Stache in Bordewin/Brandt, § 38 EStG Rz 24f (November 2013)).
Rn. 6
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Ebenso wie die Vorauszahlung gemäß § 37 EStG betrifft der LSt-Abzug gemäß § 38 EStG letztlich eine Vorauszahlung auf die erst zum Jahresende entstehende ESt-Schuld (BFH BStBl II 2005, 358). Anders als bei der Vorauszahlung gemäß § 37 EStG erfolgt der LSt-Abzug gemäß § 38 EStG allerdings (unmittelbar) an der Quelle (dem Arbeitslohn) unter Einschaltung eines Dritten...