A. Grundsätzliches/Überblick
Rn. 90
Stand: EL 165 – ET: 06/2023
Die Einbehaltungspflicht gemäß § 38 Abs 3 EStG stellt eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung des ArbG dar (zu verfassungsrechtlichen Fragen hinsichtlich der lohnsteuerlichen Pflichten des ArbG s Heuermann, FR 2013, 354, einerseits und Wissenschaftlicher Beirat Steuern der Ernst & Young GmbH, DB 2013, 139, andererseits – vor allem zur Frage, ob aufgrund der Komplexität des Lohnsteuerrechts eine Kompensationszahlung des Staates an den ArbG zu leisten ist). Die Einbehaltungspflicht kann nicht durch Vereinbarungen zwischen ArbG und ArbN außer Kraft gesetzt werden (s BVerfGE 44, 103). Daraus folgt, dass der ArbN den LSt-Einbehalt zu dulden hat und von seinem ArbG nicht verlangen kann, dass ihm der Arbeitslohn ohne LSt-Abzug ausgezahlt wird (Wackerbeck in Brandis/Heuermann, § 38 EStG Rz 127 (Oktober 2021)). Der ArbG kann den ArbN lediglich durch eine Nettolohnvereinbarung im Innenverhältnis von der nach § 38 Abs 2 S 1 EStG geschuldeten LSt freistellen.
Rn. 91
Stand: EL 165 – ET: 06/2023
Die Verpflichtung des ArbG zum LSt-Abzug besteht auch unabhängig davon, ob der ArbN letztlich ESt zu zahlen hat. Entsteht letztlich keine ESt, kann der ArbN die Einbehaltung von LSt lediglich durch Beantragung eines Freibetrages verhindern; ansonsten bleibt er auf die Erstattung einbehaltener LSt im Veranlagungsverfahren gemäß § 46 Abs 2 Nr 8 EStG angewiesen (Mosbach/Röpke in Frotscher, § 38 EStG Rz 74 (Oktober 2015)).
B. Die Einbehaltungspflicht im Einzelnen (§ 38 Abs 3 S 1 EStG)
Rn. 92
Stand: EL 165 – ET: 06/2023
Der allgemeine, in § 38 Abs 3 S 1 EStG formulierte Grundsatz, dass der ArbG bei jeder Lohnzahlung für Rechnung des ArbN zum Einbehalt der LSt verpflichtet ist, wird im Einzelnen durch die §§ 39b-42e EStG ausgefüllt. So muss der ArbG zB die LSt von den Arbeitslohnzahlungen nach den LSt-Abzugsmerkmalen (§ 39 EStG, s Erläut zu § 39 (Mues)), mithin unter Berücksichtigung der gebildeten LSt-Klasse und ggf beantragter Frei- oder Hinzurechnungsbeträge (§ 39a EStG, s Erläut zu § 39a (Mues)), einbehalten.
Die Berechnung und Einbehaltung der LSt erfolgt anhand der Maßstäbe der § 39b Abs 2, 3 EStG für den jeweils maßgebenden Lohnzahlungszeitraum (Tag, Monat, Jahr).
Lohnzahlung iSd § 38 Abs 3 EStG ist dabei nicht nur die Bezahlung, sondern jedes Zufließen von Arbeitslohn.
Rn. 93
Stand: EL 165 – ET: 06/2023
Lohnzahlungen liegen daher auch bei Vorschuss- und Abschlagszahlungen oder sonstigen vorläufigen, später zu verrechnenden Zahlungen auf erst später fällig werdenden Arbeitslohn vor, da es grds nicht darauf ankommt, für welchen Zeitraum der Lohn gezahlt wird. Daher kommt auch der Einbehalt von LSt durch den ArbG für Lohnzeitzahlungsräume, in den tatsächlich kein Lohn gezahlt worden ist, in Betracht.
Zu beachten ist in diesem Zusammenhang jedoch § 38a Abs 1 S 2 Hs 2 EStG iVm § 39b Abs 5 EStG, wonach uU (noch) keine LSt einzubehalten ist (s § 38a Rn 31 (Mues)).
Rn. 94
Stand: EL 165 – ET: 06/2023
Die Pflicht zur Einbehaltung der LSt gilt auch im Falle der Lohnpfändung und bei Verurteilung des ArbG zur Zahlung von Arbeitslohn oder bei Arbeitslohn, der nach Ausscheiden des ArbN aus dem Dienstverhältnis zu zahlen ist. In letzterem Fall muss der ArbG die ELStAM abrufen (s § 39e EStG, s Erläut zu § 39e (Mues)) oder den LSt-Abzug gemäß § 39c EStG vornehmen (dazu s Erläut zu § 39c (Mues)).
Rn. 95
Stand: EL 165 – ET: 06/2023
vorläufig frei
C. Juristische Personen des öffentlichen Rechts als ArbG (§ 38 Abs 3 S 2 EStG)
Rn. 96
Stand: EL 165 – ET: 06/2023
Nach § 38 Abs 3 S 2 EStG trifft bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts, die den Arbeitslohn zahlende öffentliche Kasse – zB ein für bestimmte Kirchengemeinden tätiges Rentenamt (BFH BFH/NV 1986, 492) – die Pflichten des ArbG (ausführlich dazu s Trzaskalik in K/S/M, § 38 EStG Rz D 21f (April 2003)). Ein weiteres Anwendungsbeispiel sind die in den Bundesländern eingerichteten kommunalen Versorgungsverbände, die regelmäßig die Versorgungsleistungen der Versorgungsempfänger der Städte, Gemeinden und anderer kommunaler Einrichtungen zahlen, und daher als zahlende öffentliche Kasse iSd § 38 Abs 3 S 2 EStG anzusehen sind, mit der Folge, dass diese kommunalen Versorgungsverbände die Pflichten des ArbG zu erfüllen haben (s Hess in Lademann, § 38 EStG Rz 171 (April 2017)).
Rn. 97–99
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vorläufig frei
D. Auszahlung von Wertguthaben durch die Deutsche Rentenversicherung Bund (§ 38 Abs 3 S 3 EStG)
Rn. 100
Stand: EL 165 – ET: 06/2023
Bei sog Arbeitszeitkonten führt der Aufbau des Arbeitszeitkontos durch Gutschrift von Arbeitszeiten unter bestimmten Voraussetzungen noch nicht zum Zufluss von Arbeitslohn (s BMF BStBl I 2009, 1286). Ein steuerlicher Zufluss liegt in diesen Fällen erst im Zeitpunkt der Auszahlung in der sog Freistellungsphase des ArbN oder bei einer Auszahlung des Zeitwertkontos vor. Erst in diesem Moment besteht auch die Pflicht des ArbG zur Einbehaltung von LSt.
Rn. 101
Stand: EL 165 – ET: 06/2023
Seit 2009 besteht die Möglichkeit, im Falle eines Wechsels des ArbG auf Arbeitszeitkonten angesparte Wertguthaben auf den neuen ArbG (§ 7f Abs 1 S 1 Nr 1 SGB IV) oder, falls sich dieser weigert, auf die Deutsche Rentenversicherung Bund zu übertragen (§ 7f Abs 1 S 1 Nr 2 SGB IV).
Die Ü...