A. Überblick
Rn. 110
Stand: EL 165 – ET: 06/2023
§ 38 Abs 3a EStG enthält Sonderregelungen für die Erfüllung der ArbG-Pflichten bei Lohnzahlungen durch Dritte. Sofern tarifvertragliche Ansprüche des ArbN gegen einen Dritten vorliegen, treffen diesen die lohnsteuerlichen Pflichten (§ 38 Abs 3a S 1 EStG; s Rn 111). In anderen Fällen kann das FA nach § 38 Abs 3a S 2–5 EStG zulassen, dass ein Dritter – freiwillig – die lohnsteuerlichen Pflichten des ArbG übernimmt (dazu s BMF BStBl I 2004, 173; s Rn 112). In § 38 Abs 3a S 6 und 7 EStG werden abschließend Verfahrensvorschriften beim LSt-Abzug durch Dritte geregelt (s Rn 113ff).
B. Gesetzliche Verpflichtung bei Erfüllung tarifvertraglicher Geldansprüche (§ 38 Abs 3a S 1 EStG)
Rn. 111
Stand: EL 165 – ET: 06/2023
Gemäß § 38 Abs 3a S 1 EStG ist ein inländischer (s Rn 30ff) Dritter – ohne selbst ArbG des ArbN im lohnsteuerlichen Sinne zu sein – zum LSt-Abzug verpflichtet, wenn er aufgrund tarifvertraglicher Ansprüche einem ArbN Barlohn zahlt. Einzelvertragliche Ansprüche gegen einen Dritten begründen dagegen bei diesem keine Pflicht zum LSt-Abzug gemäß § 38 Abs 3a S 1 EStG (s Mosbach/Röpke in Frotscher/Geurts, § 38 EStG Rz 63 (Oktober 2015)).
Schuldner der Zahlungsansprüche muss der Dritte selbst sein, eine Nutzung des Dritten durch den ArbG als reine Zahlstelle zur Erfüllung von Ansprüchen, die dem ArbN unmittelbar gegenüber dem ArbG zustehen, reicht dagegen nicht aus. Ein typisches Anwendungsbeispiel des § 38 Abs 3a S 1 EStG findet sich im Baugewerbe, in dem es durchaus üblich ist, dass Teile des Arbeitslohns aufgrund tarifvertraglicher Regelungen durch gemeinsame Einrichtungen der Tarifpartner, Sozialkassen oder ähnliche Einrichtungen gezahlt werden.
Sofern der ArbN geldwerte Vorteile von einem Dritten erhält, besteht keine Pflicht des Dritten zum LSt-Abzug, selbst wenn es sich dabei um tarifvertraglich festgelegte Ansprüche handelt (s BT-Drs 15/562, 34). Bei Sachbezügen kann die Pflicht zum LSt-Abzug nur gemäß § 38 Abs 3a S 2–5 EStG (s Rn 112) auf den Dritten übergehen.
Liegt ein Fall des § 38 Abs 3a S 1 EStG vor, trifft den Dritten gemäß § 38 Abs 3a S 6 EStG eine gesetzliche Pflicht zum LSt-Abzug, dh, es besteht kein Wahlrecht zur Vornahme des LSt-Abzuges (s Rn 113).
C. Erfüllung der ArbG-Pflichten auf Antrag (§ 38 Abs 3a S 2–5 EStG)
Rn. 112
Stand: EL 165 – ET: 06/2023
Gemäß § 38 Abs 3a S 2 EStG kann das FA zulassen, dass ein inländischer Dritter die LSt-Pflichten des ArbG im eigenen Namen erfüllt. Der Dritte muss seinen Wohnsitz, seine Geschäftsleitung oder seinen Sitz im Inland haben, um sicherzustellen, dass dieser auch der lohnsteuerlichen Aufsicht unterliegt. Die Übernahme durch einen Dritten ist sowohl bei Geld- als auch Sachleistungen anwendbar (s Wackerbeck in Brandis/Heuermann, § 38 EStG Rz 141 (Oktober 2021)).
Voraussetzung für die Übernahme ist, dass der Dritte
- sich hierzu gegenüber dem ArbG verpflichtet hat,
- den Lohn auszahlt oder er die ArbG-Pflichten nur für von ihm vermittelte ArbN übernimmt und
- die Steuererhebung nicht beeinträchtigt wird (s § 38 Abs 3a S 3 EStG).
Zu praktischen Anwendungsfällen s BR-Drs 630/03, 50f.
Die Übertragung der ArbG-Pflichten auf den Dritten hängt von der Zustimmung des Betriebsstätten-FA des Dritten ab, welches die Zustimmung auf Antrag des Dritten im Einverständnis mit dem Betriebsstätten-FA des ArbG erteilt (s § 38 Abs 3a S 4 Hs 1 EStG). Die Verwaltung erteilt die Zustimmung nur, sofern der Dritte die Verpflichtung zum LSt-Abzug für den gesamten Arbeitslohn des ArbN übernimmt (s R 38.5 S 2 LStR 2023).
Bei der Zustimmung des FA handelt es sich um eine gebundene Entscheidung, dh, bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen besteht ein Rechtsanspruch auf Erteilung der Zustimmung. Die Zustimmung kann vom FA mit Nebenbestimmungen gemäß § 120 AO versehen werden, die die ordnungsgemäße Steuererhebung sicherstellen und die Überprüfung des LSt-Abzugs nach § 42f EStG erleichtern sollen (s § 38 Abs 3a S 4 Hs 2 EStG). ZB kann vorgesehen werden, dass der ArbG zur Vorlage von Sachkonten verpflichtet ist, sofern bei dem Dritten der LSt-Abzug überprüft wird (s Wackerbeck in Brandis/Heuermann, § 38 EStG Rz 141 (Oktober 2021)).
§ 38 Abs 3a S 5 EStG sieht – als Ausnahme zu §§ 130, 131 AO – vor, dass die Zustimmung nur mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden kann. Der Widerruf steht im pflichtgemäßen Ermessen der FinVerw und kann grds jederzeit ohne Vorliegen besonderer Gründe erfolgen. Allerdings ist ein Widerruf unter dem Gesichtspunkt des Verbots widersprüchlichen Verhaltens ermessensfehlerhaft, wenn dem ArbG bzw dem Dritten unmittelbar wieder ein Anspruch auf Erteilung der Zustimmung zusteht. Der Widerruf erfolgt dagegen idR ermessensfehlerfrei, sofern der Dritte seinen lohnsteuerlichen Pflichten nicht nachkommt oder er oder der ArbG gegen Auflagen der Zustimmung verstößt.
Um dem ArbG zu ermöglichen, sich auf die Übernahme der lohnsteuerlichen Pflichten einzustellen, ist im Fall des Widerrufs der Zustimmung eine angemessene Frist zu gewähren.
D. Verfahrensvorschriften beim LSt-Abzug durch Dritte (§ 38 Abs 3a S 6 und 7 EStG)
Rn. 113
Stand: EL 165 – ET: 06/2023
Liegt ein Fall des § 38 Abs 3a S 1 oder 2 EStG vor, tritt der Dritte für die lohnsteuerlichen Pflichten des ArbG ein (s § 38 Abs 3a S 6 E...