A. Entwicklung der Rspr
Rn. 2
Stand: EL 155 – ET: 12/2021
Nachdem zunächst einige Finanzgerichte der Auffassung waren, dass es für den Sanierungserlass als pauschalisierende Billigkeitsentscheidung keine Rechtsgrundlage gäbe und er gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und somit gegen die Verfassung Art 20 Abs 3, Art 28 Abs 1 GG verstoße, sah der X. Senat den Erlass zunächst als verfassungskonform an (BFH v 25.03.2015, X R 23/13, BStBl II 2015, 696). Der Sanierungserlass sei vielmehr eine notwendige Konkretisierung, damit das Ermessen der FinVerw in Bezug auf Billigkeitsentscheidungen iSd § 163 AO eine Ermessensreduzierung auf Null erfahren könne. Auch der Gesetzgeber habe den Erlass offenbar für notwendig erachtet und ihn mehrfach gebilligt. Ohne einen solchen Erlass bestünde zudem ein Konflikt mit der InsO und deren Ziel, dass sich auch der Fiskus als Gläubiger an Sanierungen zu beteiligen habe. Darüber erkannte der X. Senat im Sanierungserlass keine unionswidrige Beihilfe. Gleichwohl legte er auch diese Frage dem GrS zur Entscheidung vor.
B. Die Entscheidung des GrS
Rn. 3
Stand: EL 155 – ET: 12/2021
Der GrS des BFH entschied per Beschluss, dass der Sanierungserlass tatsächlich gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verstößt. Er sei insb nicht durch § 163 AO gedeckt gewesen (BFH GrS 1/15, BStBl II 2017, 393). Der Sanierungserlass beurteile nicht zusammenfassend gleichgelagerte Einzelfälle, sondern enthalte selbst konstitutiv typisierende Tatbestandsvoraussetzungen. Diese Regelungsbefugnis sei allein dem Gesetzgeber vorbehalten.
Ohne dem Sanierungserlass seine ökonomischen und insolvenzpolitischen Vorteile abzusprechen, ist er mangels gesetzlicher Grundlage verfassungsrechtlich nicht haltbar gewesen. Somit war nunmehr der Gesetzgeber aufgerufen, sehr zeitnah eine gesetzliche Regelung zu statuieren.
C. Reaktion des Gesetzgebers: Einführung der §§ 3a EStG, 7b GewStG
Rn. 4
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Als Reaktion auf den Beschluss des GrS wurden § 3a EStG und – als gewerbesteuerliche Parallelnorm – § 7b GewStG eingeführt (Gesetz gegen schädliche Steuerpraktiken im Zusammenhang mit Rechteüberlassungen v 27.06.2017, BGBl I 2017, 2074). Der Gesetzgeber hielt die gesetzliche Normierung für notwendig, um die Rechtssicherheit für die Unternehmen im Sanierungsverfahren zu erhöhen, die durch die Entscheidung des GrS abhandengekommen war.
Ferner sollte die Neuregelung einen Zielkonflikt mit der InsO sowie mit den wirtschaftlichen Interessen des Unternehmens und seiner Gläubiger auflösen. Nach Ansicht des Gesetzgebers stand die Regelung im Einklang mit dem RL-Vorschlag der EU-Kommission (v 22.11.2016, COM (2016) 723 final), der den rechtlichen Rahmen für zu sanierende Unternehmen verbessern und harmonisieren sollte (BT-Drucks 18/12128, 30f).
Rn. 5
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Dennoch stand das Inkrafttreten der Regelungen unter dem Vorbehalt der beihilferechtlichen Notifizierung durch die EU-Kommission (dazu ausführlich Möhlenkamp, ZIP 2018, 1912). Die Europäische Kommission übersandte dem BMF im August 2018 einen sog Comfort Letter, wonach sie die deutsche Rechtslage bzgl der steuerlichen Privilegierung von Sanierungsgewinnen nicht für beihilferechtswidrig hält. Dieser Comfort Letter war jedoch kein förmlicher Notifizierungsbeschluss, sodass die Bundesregierung aufgerufen war, ein neues förmliches Gesetzgebungsverfahren in Bezug auf diese beiden Normen in Gang zu bringen (Möhlenkamp, ZIP 2018, 1907). Dem kam sie iRd Gesetzes zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (v 11.12.2018, BGBl I 2018, 2338) nach. Dabei blieben die vorgeschlagenen Regelungen des § 3a EStG und § 7b GewStG unverändert; einzig der beihilferechtliche Notifizierungsvorbehalt wurde aufgehoben, um eine uneingeschränkte Anwendung der Regelungen § 3a EStG und § 7b GewStG ab dem Tag der Verkündung im Gesetzblatt, dem 05.07.2017, zu ermöglichen.
Rn. 6
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Durch das Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (JStG 2019) v 12.12.2019 wurde der § 3a EStG erstmals geändert. Der Gesetzgeber hat sich mit der Einführung eines Abs 3a dazu entschlossen, im Gesetz zu verankern, dass innerhalb einer Zusammenveranlagung von Ehegatten auch die laufenden negativen Einkünfte und Verlustvorträge des anderen Ehegatten in die vorrangige Verlustverrechnung mit einzubeziehen sind.
Rn. 7–9
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vorläufig frei