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Stand: EL 155 – ET: 12/2021
Schon vor Erlass des Schreibens des BMF v 29.03.2018, BStBl I 2018, 588 wurde das Thema Steuerfreiheit von Sanierungserträgen als vom Gesetzgeber verschuldete "tiefe Krise" (Roth, FR 2018, 1) oder "unendliche Geschichte" (Uhländer, DB 2017, 2761) bezeichnet. Die Sequenz des offen ausgeführten Streits zwischen BMF und BFH reihte sich hier nahtlos ein. Eine Beratung gestaltete sich bislang schwierig, da der BFH auch das neue Schreiben des BMF v 29.03.2018, BStBl I 2018, 588 konsequent für rechtswidrig hält. Allerdings wird mit dem Verfahren vor dem BVerfG die Rspr des BFH zum Sanierungserlass grds und nicht nur in Bezug auf die Anwendung auf Altfälle in Frage gestellt.
Um den Ausgang dieser Verfahren nicht abwarten zu müssen, hat der Gesetzgeber mit Einführung des § 52 Abs 3 S 3 EStG Klarheit geschaffen. Die Unterscheidung zwischen Neu- und Altfällen ist damit obsolet geworden. Dies ist für die Praxis eine sehr erfreuliche Entwicklung. Auf dieser Basis lassen sich nun auch Insolvenzpläne sowie Restrukturierungspläne nach dem StaRUG wieder gestalten und umsetzen. Um letztlich den Sanierungserfolg nicht zu gefährden, ist allerdings auch in Ermangelung eines umfassenden BMF-Schreibens zur Auslegung des § 3a EStG weiterhin eine vorherige Abstimmung mit dem zuständigen FA ratsam. Dies gilt insb für Fälle eines Restrukturierungsplanes nach dem StaRUG.
Alternativ zu einer Lösung von Sanierungsfällen über der Anwendung des § 3a EStG und der §§ 163 Abs 1, 222, 227 AO kann durch eine anderweitige Gestaltung der Sanierungsmaßnahme der Sanierungsertrag ggf bereits dem Grunde nach vermieden werden (dazu auch Stadler, NZI 2018, 49, 53ff). Denkbare Gestaltungsmöglichkeiten sind ua
- der Schuldenrückkauf durch den Gläubiger selbst, den Gesellschafter oder ein verbundenes Unternehmen (sog Debt-Buy-Back),
- die Übernahme der Schuld durch den mittelbaren Gesellschafter bzw die Konzernmutter (sog strukturelle Subordination bzw Debt-Pull-Up) oder
- der gestaffelte Forderungsverzicht (dazu Stadler, NZI 2018, 49, 55 mwN).
Für Altfälle ist zu bedenken, dass die Steuerbefreiung im Billigkeitswege nach § 227 AO wegen fehlender Rechtsgrundlage ungültig ist und entsprechend ein Antrag auf Anwendung des § 3a EStG bzw des § 7b GewStG auf den Altfall gemäß § 52 Abs 4a S 3 EStG bzw gemäß § 36 Abs 2c S 3 GewStG (jeweils idF des Gesetzes vom 11.12.2018) zu stellen ist (FG RP v 30.03.2021, 5 K 1689/20). Der Antrag stellt nach herrschender Meinung ein rückwirkendes Ereignis iSd § 175 Abs 1 S 1 Nr 2 AO dar, so dass auch Bestandskraft und Festsetzungsverjährung (§ 175 Abs 1 S 2 AO) einer Änderung der Steuerfestsetzung des Jahres des Schuldenerlasses nicht entgegenstehen können (vgl Seer in Kirchhof/Seer, § 3a EStG Rz 6a mwN (20. Aufl 2021)).