1. Durchbrechung des Leistungsfähigkeitsprinzips
Rn. 6
Stand: EL 178 – ET: 01/2025
§ 3b EStG durchbricht als Ausnahmevorschrift das Leistungsfähigkeitsprinzip (BFH in st Rspr, zB BFH v 27.05.2009, VI B 69/08, BStBl II 2009, 730) und ist daher einer Auslegung über den Wortlaut hinaus nicht zugänglich (= enge Auslegung der Vorschrift; BFH v 09.06.2005, IX R 68/03, BFH/NV 2006, 37; BFH v 07.07.2005, IX R 56/04, BFH/NV 2006, 66; BFH v 21.02.2006, IX R 27/05, BFH/NV 2006, 1274; BFH v 27.05.2009, VI B 69/08, BStBl II 2009, 730; BFH v 15.09.2011, VI R 6/09, BStBl II 2012, 144; BFH v 15.02.2017, VI R 30/16, BStBl II 2017, 644; BFH v 15.02.2017, VI R 20/16, BFH/NV 2017, 1157; Levedag in Schmidt, § 3b EStG Rz 1 (42. Aufl 2023).
Rn. 7
Stand: EL 178 – ET: 01/2025
Der BFH sieht jedoch inzident in der Durchbrechung des Leistungsfähigkeitsprinzips, da hier für Arbeiten zu besonders ungünstigen Zeiten ein finanzieller Ausgleich geschaffen werden sollte, keinen Verfassungsverstoß.
2. Nur Arbeitslohn ist begünstigt
Rn. 8
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§ 3b EStG begünstigt nur Empfänger von Arbeitslohn (H 3b LStH 2024 "Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit"; OFD Düsseldorf/Münster, Vfg v 07.07.2005, FR 2005, 816; Giloy, NWB F 6, 4457), nicht aber Selbstständige oder Gewerbetreibende. Differenzierungsgrund iSd Art 3 Abs 1 GG für diese Ungleichbehandlung sei, dass ArbN zB persönlich abhängig hinsichtlich Ort, Zeit und Inhalt ihrer Tätigkeit weisungsgebunden seien und die Vergütung nach der Arbeitszeit im Gegensatz zu Freiberuflern und Gewerbetreibenden charakteristisch sei (BFH BStBl II 1987, 625).
Das BVerfG HFR 1978, 383 hat eine Verfassungsbeschwerde wegen dieser Ungleichbehandlung nicht zur Entscheidung angenommen und ausgeführt: Zum einen seien Selbstständige in der Einteilung ihrer Arbeitszeit typischerweise frei. Ferner sei bei ihnen die Überprüfung, in welchem Umfang tatsächlich Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit geleistet worden sei, schwierig. Im Rahmen seiner ihm zustehenden Gestaltungsfreiheit habe der Gesetzgeber daher nur ArbN begünstigen dürfen.
Rn. 9
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Diese Rspr ist abzulehnen (glA Hilbert, NWB 24/2022, 1684). Dass zB Freiberufler "typischerweise im Allgemeinen" nicht eine Vergütung nach Arbeitszeit erhalten, wie BFH BStBl II 1987, 625 meint, ist unzutreffend. Weit verbreitet ist zB im Bereich der steuer- und rechtsberatenden Berufe, Beratungsleistungen auf Stundensatz-Basis abzurechnen. Auch § 13 StBVV geht von der Möglichkeit einer Zeitgebühr aus. Aus der Begründung des BVerfG müsste das Gericht vielmehr dann den Schluss ziehen, dass weder Selbstständige/Gewerbetreibende noch ArbN bezüglich ihrer Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit steuerlich begünstigt werden dürfen. Für eine langfristige Abschaffung des § 3b EStG Hilbert NWB 24/2022, 1684; auch s Rn 15.
3. Nur während bestimmter Zeiten erbrachter Arbeitslohn ist begünstigt
Rn. 10
Stand: EL 178 – ET: 01/2025
Dass die Vorschrift ohne zwingenden Grund nur den während bestimmter Zeiten erbrachten Arbeitslohn begünstig, ist mE unbedenklich. Jedenfalls in aller Regel ist Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit belastender und die dadurch entstehende stärkere Minderung der Leistungsfähigkeit soll durch eine steuerliche Privilegierung ausgeglichen werden. Eine individuelle Belastung ist aber nicht erforderlich (s Rn 4 und s Rn 93 "Sport").
4. Keine Begünstigung von freigestellten Betriebsrats-Mitgliedern
Rn. 11
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BFH BStBl II 1974, 646 (zu § 34a EStG aF = Vorgängervorschrift vor 1975) sah zu Recht keinen Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG darin, dass freigestellten Betriebsrats-Mitgliedern § 3b EStG versagt wird, weil die an sie gezahlten Zuschläge nicht für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit gezahlt werden, sondern als Ausgleich für Verdienstausfälle, die ihnen durch ihre Betriebsrats-Tätigkeit entstehen.
5. Keine Begünstigung von ArbN, die in der fraglichen Zeit arbeiten, aber keine Zuschläge dafür erhalten
Rn. 12
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§ 3b EStG begünstigt nicht solche ArbN, die zu bestimmten Zeiten arbeiten und dafür aber keine Zuschläge erhalten, obwohl diese ebenfalls und genauso belastet werden. Die Vorschrift knüpft also an die Ausgestaltung der Vergütung für den ArbN an, stellt aber nicht darauf ab, dass die Leistungsfähigkeit beider Gruppen von ArbN gleich gemindert ist.
Auch diese Differenzierung durch § 3b EStG ist uE zu kritisieren, aber nicht verfassungswidrig, weil sie allein auf die formalistische Ausgestaltung abstellt. Der BFH BStBl III 1968, 274 sah keinen Verstoß darin, dass für die pauschale Abgeltung von Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit § 3b EStG nicht gewährt wird, weil die Zuschläge hier nicht nach der tatsächlich geleisteten Arbeit bemessen wurden. Auch BFH BStBl III 1967, 609 hielt es für keinen Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG, wenn ArbN, die auch an Sonntagen, Feiertagen und nachts arbeiten, dafür aber keine Zuschläge erhalten, nicht durch § 3b EStG begünstigt sind. Im Übrigen zu Pauschalzuschlägen s Rn 55ff.
6. Höchstzuschlags-Beträge
Rn. 13
Stand: EL 178 – ET: 01/2025
Die Steuerfreiheit begrenzen § 3b Abs 1, 3 EStG auf bestimmte Prozentsätze des Grundlohns. Sinn und Zweck dieser Regelung ist es, dass die Parteien des Arbeitsverhältnisses nicht den stpfl Grundlohn beliebig niedrig und die steuerfreien Zuschläge belie...