A. Die Entstehungsgeschichte der Vorschrift
1. Die Vorläufer-Vorschrift u das EStRG 1974
Rn. 1
Stand: EL 130 – ET: 09/2018
Vorläufer des § 3b EStG war § 34a EStG aF, der die Steuerfreiheit bestimmter Arbeitslohn-Zuschläge in den Jahren 1940–1945 u 1947–1974 regelte. Das ESt-ReformG (EStRG) 1974 v 05.08.1974 (BGBl I 1974, 1769) übernahm die Regelung des § 34a EStG aF in den § 3b EStG (ab VZ 1975). Durch diese systematische Stellung sollte der Charakter der Vorschrift als Steuerbefreiungs-Norm verdeutlicht werden. Materiellrechtlich änderte sich dadurch nichts. Zur Geschichte der Vorschrift s Wisser, DStZ 2000, 822; Herrmann in Frotscher/Geurts, § 3b EStG Rz 1ff.
2. Änderungen des § 3b EStG seit dem EStRG 1974
Rn. 2
Stand: EL 130 – ET: 09/2018
Seit dem EStRG 1974 sind folgende Änderungen des § 3b EStG zu verzeichnen:
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SteuerreformG 1990 (EStRG 1990 v 25.07.1988, BGBl I 1988, 1093):
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Bisher waren bei den auf sonstigen Rechtsgrundlagen beruhenden Zuschlägen (§ 3b Abs 2 EStG aF) nur bestimmte Prozentsätze des Grundlohns steuerfrei. Diese Beschränkung auf Prozentsätze wird auch auf alle anderen Zuschläge (dh solche aufgrund gesetzlicher u tarifvertraglicher Grundlage) erweitert. |
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Einbeziehung der Arbeitszeit ab 14 Uhr am 24. u 31.12., Begünstigung des Nachtzuschlages auch bei nur gelegentlicher Arbeit. |
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einheitlicher Nachtarbeitszuschlag von 25 %. |
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Sonderregelung in Abs 3für den Fall , dass bei einem ArbN der Anteil der vor 0 Uhr aufgenommenen Nachtarbeit mehr als 50 % beträgt. |
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Gleitende Übergangsregelung in § 52 Abs 3 EStG (s Plückebaum/Wendt/Emcke, Steuerreform 1990, 23): Soweit die Zuschläge den nach § 3b EStG steuerfreien Betrag um mehr als 6 % des Grundlohns im Lohnzahlungszeitraum überschreiten, bleibt für den im Kj 1990 endenden Lohnzahlungszeitraum der über diese Grenze hinausgehende Betrag zusätzlich steuerfrei; diese Grenze von 6 % erhöht sich für jedes nachfolgende Kj um jeweils 4 Punkte. Die Tarifpartner sollen dadurch die Möglichkeit erhalten, die durch die Neuregelung eintretenden Nettolohneinbußen auszugleichen. |
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WohnungsbauförderungsG (WobauFG v 22.12.1989, BGBl I 1989, 2408):
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Bei Nachtarbeit-Aufnahme vor 0 Uhr wird der Nachtarbeits-Zuschlag zwischen 0 u 4 Uhr auf 40 % erhöht (§ 3b Abs 3 EStG). |
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Als Sonntags- u Feiertagsarbeit gilt jetzt auch die Arbeit zwischen 0 u 4 Uhr des auf den Sonn- o Feiertag folgenden Tages (§ 3b Abs 3 EStG). |
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Missbrauchsbekämpfungs- u SteuerbereinigungsG (StMBG v 21.12.1993, BGBl I 1993, 2310): Aufhebung der Übergangsregelung in § 52 Abs 3 EStG für Lohnzahlungszeiträume, die nach dem 01.01.1996 enden. |
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JahressteuerG 1996 (JStG 1996 v 11.10.1995, BGBl I 1995, 1250): Streichung des § 52 Abs 3 EStG. |
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StÄndG 2003 (v 15.12.2003, BGBl I 2003, 2645): Auf Empfehlung des Finanzausschusses (BT-Drucks 15/1928) Einfügung eines Höchstbetrages von EUR 50für den Grundlohn u damit auch für die Bemessung der steuerfreien Zuschläge in § 3b Abs 2 S 1 EStG durch Art 1 Nr 3, Nr 34a StÄndG 2003 ab VZ 2004. S a Rn 2, 5,14a, 52a. |
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JStG 2007 (v 13.12.2006, BGBl I 2006, 2878): Ersetzung des Begriffs "vH" durch "Prozent" (Art 1 Nr 50 des G, anzuwenden ab 19.12.2006, Art 20 Abs 1 des G). |
B. Der Normzweck der Vorschrift
1. Die Konstitutivwirkung des § 3b EStG
Rn. 3
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Die von § 3b EStG angesprochenen Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- u Nachtarbeit sind Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit (§ 19 EStG). Die Steuerbefreiung durch § 3b EStG, soweit sie reicht, ist daher konstitutiv.
2. Gründe für Steuerfreiheit dem Grunde nach
Rn. 4
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Als (sich teilweise überschneidende) Gründe für die Steuerfreiheit der Zuschläge durch § 3b EStG werden genannt:
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wirtschafts- u arbeitsmarktpolitische Gründe (BT-Drucks 7/419, 16; BFH BStBl II 1987, 625; BAG BB 2001, 784); |
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das Allgemeininteresse an der Sonntags-, Feiertags- u Nachtarbeit (BT-Drucks 11/2157, 138); ähnlich BFH BStBl II 1987, 625: § 3b EStG soll einen zusätzlichen Anreiz an solcher Arbeit geben; BAG BB 2001, 784. In diese Richtung auch Herrmann in Frotscher/Geurts, § 3b EStG Rz 7. |
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Ausgleich für die besonderen Erschwernisse u Belastungen, die mit der Sonntags-, Feiertags- o Nachtarbeit verbunden sind (BFH BStBl II 1974, 646; 1985, 57; BFH v 13.03.2008, VI R 16/08, BFH/NV 2010, 201; BFH v 27.05.2009, VI B 69/08, BStBl II 2009, 730; BFH v 17.6.2010, VI R 50/09, BStBl II 2011, 43; , BFH v 29.11.2016, VI R 61/14, BStBl II 2017, 718; FG D'dorf DStRE 2000, 953 rkr; BAG BB 2001, 784; Giloy, NWB F 6, 4457); |
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die Sonntags-, Feiertags- u Nachtarbeit stört den biologischen u kulturellen Lebensrhythmus des ArbN (BVerfG HFR 1978, 383; OFD NW v 13.04.2015, FR 2015, 435). |
3. Gründe für die Beschränkung der Steuerfreiheit der Höhe nach
Rn. 5
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§ 3b EStG beschränkt die Steuerfreiheit auf bestimmte Prozentsätze des Grundlohns. Damit sollen Missbräuche u eine Angemessenheitsprüfung im Einzelfall vermieden werden (BFH BStBl II 1985, 664). Um für Spitzenverdiener (zB Fußballprofis) die Steuerfreiheit zu beschränken, fügten Art 1 Nr 3, 34a des StÄndG 2003 (v 15.12.2003, BGBl I 2003, 2645) ab VZ 2004 einen Höchstbetrag von EUR 50 für den Grundlohn ein. Ferner s Rn 2, 14a, 52a.
C. Verfassungsrechtliche Fragen
1. Durchbrechung des Leistungsfähigkeitsprinzips
Rn. 6
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§ 3b EStG durchbricht als Ausnahmevorschrift das Leistungsfähigkeitsprinzip (BFH in st Rspr, ...