A. Die Entstehungsgeschichte der Vorschrift
1. Die Vorläufer-Vorschrift und das EStRG 1974
Rn. 1
Stand: EL 178 – ET: 01/2025
Vorläufer des § 3b EStG war § 34a EStG aF, der die Steuerfreiheit bestimmter Arbeitslohn-Zuschläge in den Jahren 1940–1945 und 1947–1974 regelte. Das ESt-ReformG (EStRG) 1974 v 05.08.1974 (BGBl I 1974, 1769) übernahm die Regelung des § 34a EStG aF in den § 3b EStG (ab VZ 1975). Durch diese systematische Stellung sollte der Charakter der Vorschrift als Steuerbefreiungs-Norm verdeutlicht werden. Materiellrechtlich änderte sich dadurch nichts. Zur Geschichte der Vorschrift s Wisser, DStZ 2000, 822; Rüsch in Frotscher/Geurts, § 3b EStG Rz 9ff (03/2024).
2. Änderungen des § 3b EStG seit dem EStRG 1974
Rn. 2
Stand: EL 178 – ET: 01/2025
Seit dem EStRG 1974 sind folgende Änderungen des § 3b EStG zu verzeichnen:
- SteuerreformG 1990 (EStRG 1990 v 25.07.1988, BGBl I 1988, 1093):
- Bisher waren bei den auf sonstigen Rechtsgrundlagen beruhenden Zuschlägen (§ 3b Abs 2 EStG aF) nur bestimmte Prozentsätze des Grundlohns steuerfrei. Diese Beschränkung auf Prozentsätze wird auch auf alle anderen Zuschläge (dh solche aufgrund gesetzlicher und tarifvertraglicher Grundlage) erweitert.
- Einbeziehung der Arbeitszeit ab 14 Uhr am 24. und 31.12., Begünstigung des Nachtzuschlages auch bei nur gelegentlicher Arbeit.
- einheitlicher Nachtarbeitszuschlag von 25 %.
- Sonderregelung in Abs 3 für den Fall, dass bei einem ArbN der Anteil der vor 0 Uhr aufgenommenen Nachtarbeit mehr als 50 % beträgt.
- Gleitende Übergangsregelung in § 52 Abs 3 EStG (s Plückebaum/Wendt/Emcke, Steuerreform 1990, 23): Soweit die Zuschläge den nach § 3b EStG steuerfreien Betrag um mehr als 6 % des Grundlohns im Lohnzahlungszeitraum überschreiten, bleibt für den im Kj 1990 endenden Lohnzahlungszeitraum der über diese Grenze hinausgehende Betrag zusätzlich steuerfrei; diese Grenze von 6 % erhöht sich für jedes nachfolgende Kj um jeweils 4 Punkte. Die Tarifpartner sollen dadurch die Möglichkeit erhalten, die durch die Neuregelung eintretenden Nettolohneinbußen auszugleichen.
- WohnungsbauförderungsG (WobauFG v 22.12.1989, BGBl I 1989, 2408):
- Bei Nachtarbeit-Aufnahme vor 0 Uhr wird der Nachtarbeits-Zuschlag zwischen 0 und 4 Uhr auf 40 % erhöht (§ 3b Abs 3 EStG).
- Als Sonntags- und Feiertagsarbeit gilt jetzt auch die Arbeit zwischen 0 und 4 Uhr des auf den Sonn- oder Feiertag folgenden Tages (§ 3b Abs 3 EStG).
- Missbrauchsbekämpfungs- und SteuerbereinigungsG (StMBG v 21.12.1993, BGBl I 1993, 2310): Aufhebung der Übergangsregelung in § 52 Abs 3 EStG für Lohnzahlungszeiträume, die nach dem 01.01.1996 enden.
- JahressteuerG 1996 (JStG 1996 v 11.10.1995, BGBl I 1995, 1250): Streichung des § 52 Abs 3 EStG.
- StÄndG 2003 (v 15.12.2003, BGBl I 2003, 2645): Auf Empfehlung des Finanzausschusses (BT-Drs 15/1928) Einfügung eines Höchstbetrages von EUR 50 für den Grundlohn und damit auch für die Bemessung der steuerfreien Zuschläge in § 3b Abs 2 S 1 EStG durch Art 1 Nr 3, Nr 34a StÄndG 2003 ab VZ 2004. S a Rn 2, 5,14a, 52a.
- JStG 2007 (v 13.12.2006, BGBl I 2006, 2878): Ersetzung des Begriffs "vH" durch "Prozent" (Art 1 Nr 50 des Gesetzes, anzuwenden ab 19.12.2006, Art 20 Abs 1 des Gesetzes).
Durch die Neufassung des EStG v 08.10.2009 (BGBl I 2009, 3366) ergaben sich keine Änderungen des § 3b EStG.
B. Der Normzweck der Vorschrift
1. Die Konstitutivwirkung des § 3b EStG
Rn. 3
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Die von § 3b EStG angesprochenen Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit sind Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit (§ 19 EStG). Die Steuerbefreiung durch § 3b EStG, soweit sie reicht, ist daher konstitutiv.
2. Gründe für Steuerfreiheit dem Grunde nach
Rn. 4
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Als (sich teilweise überschneidende) Gründe für die Steuerfreiheit der Zuschläge durch § 3b EStG werden genannt:
- wirtschafts- und arbeitsmarktpolitische Gründe (BT-Drs 7/419, 16; BFH BStBl II 1987, 625; BAG BB 2001, 784);
- das Allgemeininteresse an der Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit (BT-Drs 11/2157, 138); ähnlich BFH BStBl II 1987, 625: § 3b EStG soll einen zusätzlichen Anreiz an solcher Arbeit geben; BAG BB 2001, 784. In diese Richtung auch Rüsch in Frotscher/Geurts, § 3b EStG Rz 8 (03/2024).
- Ausgleich für die besonderen Erschwernisse und Belastungen, die mit der Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit verbunden sind (BFH BStBl II 1974, 646; BFH BStBl II 1985, 57; BFH v 13.03.2008, VI R 16/08, BFH/NV 2010, 201; BFH v 27.05.2009, VI B 69/08, BStBl II 2009, 730; BFH v 17.6.2010, VI R 50/09, BStBl II 2011, 43; BFH v 29.11.2016, VI R 61/14, BStBl II 2017, 718; BFH v 16.12.2021, VI R 28/19, BStBl II 2022, 209; FG Düsseldorf DStRE 2000, 953 rkr; BAG BB 2001, 784; Giloy, NWB F 6, 4457); Diese Erschwernisse und Belastungen sind abstrakt-generell zu sehen, eine individuelle Belastung ist nicht erforderlich, dh, es kommt nicht darauf an, ob die zu diesen Zeiten verrichtete Tätigkeit dem einzelnen ArbN in besondere Weise fordert oder ihm "leicht von der Hand" geht (BFH v 16.12.2021, VI R 28/19, BStBl II 2022, 209; BFH v 11.4.2024, VI R 1/22, BFH/NV 2024, 980, auch s Rn 93 "Sport".
- die Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit stört den biologischen und kulturellen Lebensrhythmus des ArbN (BVerfG HFR 1978, 383; BFH v 16.12.2021, VI R 28/19, BStBl II 202...