Prof. Dr. Simone Briesemeister-Dinkelbach, Prof. Dr. Wolf-Dieter Hoffmann
Rn. 2228
Stand: EL 168 – ET: 10/2023
Die Teilschätzung geht von dem erklärten oder mit Sicherheit festzustellenden Sachverhalt aus und ergänzt ihn um einzelne geschätzte Besteuerungsgrundlagen. Der eine sachliche Unstimmigkeit nahelegende Fehler ist immer darauf zu untersuchen,
- ob er durch eine bloße Korrektur richtig gestellt werden kann oder
- ob sich Unsicherheiten zeigen, die eine weitere ergänzende oder eine Vollschätzung der Besteuerungsgrundlagen erforderlich machen.
Rn. 2229
Stand: EL 168 – ET: 10/2023
Das FA muss zunächst iRd Amtsermittlung versuchen, den Sachverhalt aufzuklären. Dies gilt auch dann, wenn der StPfl seinen Mitwirkungspflichten im Besteuerungsverfahren nicht nachkommt und die erforderlichen Unterlagen von Dritter Seite angefordert werden müssen. Führen diese nicht zur Aufklärung, so kann das FA die Teilschätzung vornehmen. Ein häufig auftretender Anwendungsfall für eine Teilschätzung ist die Hinzuschätzung von Kapitaleinkünften. Wird zB vorgetragen, die festgestellten KapErtr seien treuhänderisch für einen Dritten erzielt worden und wird dieses Treuhandverhältnis durch den StPfl nicht nachgewiesen, so berechtigt dies zur Teilschätzung von Kapitaleinkünften (BFH BFH/NV 1998, 196).
Leistet der StPfl Bareinzahlungen auf sein betriebliches Bankkonto, ist er bei der Prüfung, ob Einlagen gegeben sind bzw wo die Mittel herkommen, nach § 90 Abs 1 S 1 AO verstärkt zur Mitwirkung verpflichtet. Bei Verletzung dieser Pflicht kann das FG von weiterer Sachaufklärung absehen und den Sachverhalt dahin würdigen, dass unaufgeklärte Kapitalzuführungen auf nicht versteuerten Einnahmen beruhen FG Ha vom 18.07.2016, 6 V 84/18).
Rn. 2230
Stand: EL 168 – ET: 10/2023
Teilschätzung ist auch die Erhöhung einer Besteuerungsgrundlage um einen Unsicherheitszuschlag (bzw Sicherheitszuschlag oder Fährniszuschlag; BFH BFH/NV 1995, 373; 2008, 587; 2014, 1374). Der Sicherheitszuschlag lässt sich dabei als eine griffweise Schätzung, die in einem vernünftigen Verhältnis zu den erklärten oder nicht verbuchten Umsätzen steht, charakterisieren (BFH BFH/NV 1999, 741; 1995, 373; 2014, 1374).
Liegen schwerwiegende Pflichtverletzungen vor (insbesondere in Fällen nachgewiesener, in der Buchführung nicht erfasster Mehreinnahmen), so kann ein Sicherheitszuschlag damit begründet werden, dass ansonsten die Besteuerung dem StPfl zum Vorteil gereicht (vgl BFH BFH/NV 1999, 741). Andererseits sollte der Gewinn auch bei einer groben Schätzungsmethode so festgesetzt werden, wie es am wahrscheinlichsten ist (BFH BStBl III 1967, 686), so dass für einen Zuschlag kein Raum bleibt, allenfalls insofern, als der höchstmögliche Gewinn zugrunde gelegt werden kann (BFH BStBl III 1967, 349).
Da Unsicherheitszuschläge bzw -abschläge aufgrund von § 162 AO erfolgen, müssen sie dem Grunde und der Höhe nach nachvollziehbar sein. Es bedarf zu ihrer Rechtmäßigkeit einer ausreichenden Begründungstiefe des FG-Urteils, aus der erkennbar ist, warum diese Schätzungsmethode im entschiedenen Fall notwendig ist und dass sie auch im Hinblick auf die Angemessenheit des Schätzungsergebnisses allgemeinen Erfahrungsgrundsätzen entspricht (BFH BFH/NV 2018, 602; 2018, 606).
Unsicherheitszuschläge können zB angebracht sein, wenn zB Kontrollmitteilungen Einnahmen des StPfl nachweisen und die Umstände oder die Lebenserfahrung dafür sprechen, dass der StPfl in größerem Umfang tätig war (zB nebenberufliche Tätigkeit, Schwarzarbeit bei Handwerkern).