Prof. Dr. Simone Briesemeister-Dinkelbach, Prof. Dr. Wolf-Dieter Hoffmann
Rn. 1714
Stand: EL 168 – ET: 10/2023
In S 2 des § 4 Abs 5 S 1 Nr 5 EStG aF bestimmt der Gesetzgeber eine Ausnahme vom Abzugsverbot. Danach ist im Fall der Auswärtstätigkeit (Dienstreise) eine pauschale Anerkennung von Mehrverpflegungsaufwendungen gestaffelt nach Abwesenheitszeiten vorgesehen. Auf diese Anerkennung hat der StPfl einen Rechtsanspruch, unabhängig davon, ob er tatsächlich einen entsprechenden Aufwand hatte (BFH BStBl II 2006, 567) oder ob die Aufwendungen höher als die Pauschalen waren (BFH BFH/NV 2009, 1172). Folgende Übersicht gibt diese Regelung für jeden Kalendertag wieder:
Abwesenheitszeiten in Stunden |
Pauschbetrag |
von |
bis |
0 |
weniger als 8 |
- |
mindestens 8 |
weniger als 14 |
6 EUR |
mindestens 14 |
weniger als 24 |
12 EUR |
24 |
|
24 EUR |
Wann eine Auswärtstätigkeit vorliegt, definiert S 2. Wer vorübergehend von seiner Wohnung und dem Mittelpunkt seiner dauerhaft angelegten betrieblichen Tätigkeit (regelmäßige Betriebsstätte) entfernt betrieblich tätig ist, kann die Pauschbeträge geltend machen. Der Begriff des Tätigkeitsmittelpunkts entspricht dem Begriff der (regelmäßigen) Arbeitsstätte des ArbN iSd § 9 Abs 1 S 3 Nr 4 EStG (BFH BStBl II 2012, 213; s auch BFH BFH/NV 2019, 15; FG Nds vom 11.12.2014, 11 K 70/14, nv). Mittelpunkt seiner dauerhaft angelegten betrieblichen Tätigkeit ist die Betriebsstätte, die der StPfl nicht nur gelegentlich, sondern mit einer gewissen Nachhaltigkeit, also fortdauernd und immer wieder aufsucht (vgl BFH BStBl II 2011, 354 mwN; BFH BStBl II 2012, 38; BFH/NV 2015, 1084; 2016, 196). Das ist bei einem ArbN regelmäßig der Betrieb, Zweigbetrieb oder eine Betriebsstätte des ArbG (vgl BFH BFH/NV 2014, 1029 mwN; BFH BFH/NV 2015, 1084; 2016, 196). Nach neuerer Rspr des BFH ist bei der Bestimmung des Tätigkeitsmittelpunktes insbesondere der qualitative Schwerpunkt maßgeblich (vgl BFH BStBl II 2012, 503; BFH/NV 2014, 691; BFH/NV 2016, 196).
Hat der StPfl mehrere Betriebsstätten (zB der Unternehmer X hat in A und in B eine Betriebsstätte), so waren nach bisheriger Rspr alle Betriebsstätten jeweils als Mittelpunkt seiner dauerhaft angelegten betrieblichen Tätigkeit anzusehen. Es kommt daher nicht darauf an, ob er überwiegend in der einen oder anderen Betriebsstätte tätig ist. Entscheidend war allein, ob er nachhaltig, fortdauernd und immer wieder die Arbeitsstätte aufgesucht hat (BFH BStBl II 2005, 791; R 9.4 Abs 3 S 2 LStR 2011). Dies hatte zur Folge, dass der StPfl keine Verpflegungsmehraufwendungen für den Aufenthalt bei der weniger aufgesuchten Betriebsstätte geltend machen konnte, obwohl er zB nur einmal die Woche in dieser Betriebsstätte tätig war (vgl BFH BFH/NV 1998, 1216). Auch war nicht erforderlich, dass bei einer Auswärtstätigkeit neben der auswärtigen Unterkunft ein eigener Hausstand unterhalten wird (BFH BStBl II 2005, 782; FG BdW vom 09.03.2009, 8 K 295/06).
Nach neuer Rspr des BFH kann eine regelmäßige Arbeitsstätte nur angenommen werden, wenn ihr eine zentrale Bedeutung gegenüber den weiteren Tätigkeitsorten zukommt (BFH BStBl II 2012, 38). Die bisherige 46-Tage-Regelung der Verwaltung (s R 9.4 Abs 3 S 4 LStR 2011) kann danach nicht mehr angewandt werden. Ein ArbN kann nach der neuen Rspr des BFH in einem Dienstverhältnis nur eine regelmäßige Arbeitsstätte unterhalten (vgl BFH BStBl II 2012, 36; 2012, 38; 2012, 34; BFH/NV 2012, 936; FG Nds vom 11.12.2014, 11 K 70/14, nv; BMF BStBl I 2012, 57). Die Verwaltung versucht bis zur gesetzlichen Neuregelung (s Rn 1719a) mit einer vereinfachten Regelung diese Vorgaben des BFH zu beachten (BMF BStBl I 2012, 57; OFD Rheinland vom 29.03.2012, S 2338–1015 – St 215; zur Kritik s Seifert, StuB 2012, 466; Geserich, NWB 2011, 3531).
Rn. 1715
Stand: EL 168 – ET: 10/2023
Hat der StPfl eine Betriebsstätte außerhalb seines Wohnortes, so liegen zwar nicht die Voraussetzungen des S 2 von § 4 Abs 5 S 1 Nr 5 EStG aF vor, wenn er seine Betriebsstätte aufsucht; gleichwohl kann er aber die Verpflegungsmehraufwendungen nach S 6für drei Monate geltend machen, wenn neben den weiteren Voraussetzungen die Voraussetzungen der doppelten Haushaltsführung am Ort der Betriebsstätte vorliegen. Die Voraussetzungen des S 2 müssen iRd Anerkennung von Verpflegungsmehraufwendungen nach S 6 nicht im vollen Umfang gegeben sein (partielle Rechtsgrundverweisung).
Beispiel:
Der Unternehmer X eröffnet eine weitere Betriebsstätte in einer anderen Stadt und begründet zugleich dort eine doppelte Haushaltsführung.
Für die ersten drei Monate kann X Verpflegungsmehraufwendungen geltend machen.
Die Höhe der Pauschbeträge ist durch das JStG 1996 erheblich gesenkt worden. Ebenfalls kam es durch das JStG 1997 zur Verkürzung der ersten Zeitzone. Die Abwesenheitszeiten beziehen sich auf jeweils einen Kalendertag. Nur die Regelung des § 4 Abs 5 S 1 Nr 5 S 2 Hs 2 EStG aF bestimmt, dass bei zeitlich bestimmten Auswärtstätigkeiten über Nacht, aber ohne Übernachtung, eine Gesamtberücksichtigung der Abwesenheitszeiten bei dem Kalendertag der überwiegenden Abwesenheit erfolgt.