Prof. Dr. Simone Briesemeister-Dinkelbach, Prof. Dr. Wolf-Dieter Hoffmann
Rn. 326b
Stand: EL 134 – ET: 02/2019
Wahlrecht unter GoB-Vorbehalt: Lifo-Verfahren im Vorratsvermögen (§ 6 Abs 1 Nr 2a EStG)
Für gleichartige WG des Vorratsvermögens ist steuerlich die Anwendung des Lifo-Verfahrens möglich (Wahlrecht), soweit dessen Anwendung den GoB entspricht (GoB-Vorbehalt, § 6 Abs 1 Nr 2a S 1 EStG). Das steuerliche Lifo-Wahlrecht kann nach Verwaltungsauffassung als Wahlrecht iSd § 5 Abs 1 S 1 Hs 2 EStG steuerlich unabhängig von der Ausübung in der HB ausgeübt werden (BMF v 12.05.2015, BStBl I 2015, 462 Rz 10; ebenso Herzig, DB 2014, 1760f; Kahle, DB 2014, Beil 4, 8; Marx, StuB 2015, 446; Prinz, StuB 2017, 5; aA Hennrichs, Ubg 2009, 537ff; Hüttemann/Meinert, IfSt-Schrift 486, 2013, 95; Drüen/Mundfortz, DB 2015, 2250; Barke, DStZ 2015, 313; Winnefeld, Bilanz-Handbuch, 5. Aufl 2015, Kap C Rz 597; Krumm in Blümich, § 5 EStG Rz 202a (Juni 2018)).
Eine Einzelbewertung in der HB hindert die steuerliche Lifo-Bewertung nicht (BMF v 12.05.2015, BStBl I 2015, 462 Rz 10). Infolge des GoB-Vorbehalts ist die Lifo-Bewertung ausgeschlossen, wenn die fingierte Verbrauchsfolge im Einzelfall objektiv unmöglich ist, wie bei verderblichen Lebensmitteln (Haltbarkeit weniger als ein Jahr) der Fall. Nach Verwaltungsauffassung soll das Lifo-Wahlrecht auch für die Bewertung zum Verkauf bestimmter Vorräte ausgeschlossen sein, wenn die Einzelbewertung unter Einsatz IT-gestützter Warenwirtschaftssysteme "ohne weiteres" möglich ist (BMF v 12.05.2015, BStBl I 2015, 462 Rz 6). Mit Versagung des Lifo-Wahlrechts werden hier betriebswirtschaftlich sinnvolle elektronische Warenwirtschaftssysteme sanktioniert. Der GoB-Vorbehalt des § 6 Abs 1 Nr 2a EStG zielt weder auf eine solche Sanktionierung ab noch ist er tragende Grundlage für eine damit erfolgende steuerliche Ungleichbehandlung (aus Vorratshaltungssicht) gleicher steuerlicher Sachverhalte.
Rn. 326c
Stand: EL 134 – ET: 02/2019
Wahlrecht unter Bindung an den konkreten HB-Wert: HK-Obergrenze (§ 6 Abs 1 Nr 1b S 2 EStG)
Das Steuerrecht enthält keine eigene gesetzliche HK-Definition, zurückzugreifen ist auf den Inhalt des handelsrechtlichen HK-Begriffs, § 255 Abs 2 HGB (BFH v 04.07.1990, GrS 1/89, BStBl II 1990, 830). Die HK-Untergrenze wird handels- u steuerrechtlich übereinstimmend durch die aktivierungspflichtigen Bestandteile bestimmt (Einzelkosten, angemessene Material-/Fertigungsgemeinkosten, fertigungsveranlasster Wertverzehr des AV). Die handelsrechtliche HK-Obergrenze wird dagegen durch Wahlbestandteile determiniert: Handelsrechtl dürfen
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angemessene Teile der Kosten der allg Verwaltung, |
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angemessene Aufwendungen für soziale Einrichtungen des Betriebs, |
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für freiwillige soziale Leistungen und |
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für betriebliche Altersversorgung einbezogen werden, soweit diese auf den Zeitraum der Herstellung entfallen (§ 255 Abs 2 S 3 HGB). |
Auch steuerlich brauchen diese HK-Bestandteile nicht in die Berechnung der HK einbezogen werden (§ 6 Abs 1 Nr 1b S 1 EStG). Dieses (durch Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens (ModBestVerfG) v 18.07.2016 eingefügte und mit dem handelsrechtlichen Wahlrecht korrespondierende steuerliche Wahlrecht ist bei der Gewinnermittlung nach § 5 EStG in Übereinstimmung mit der HB auszuüben (§ 6 Abs 1 Nr 1b S 2 EStG).
Damit ist dem Streit, ob nach Aufhebung der umgekehrten/formellen Maßgeblichkeit und Einführung des steuerlichen Wahlrechtsvorbehalts (§ 5 Abs 1 S 1 EStG, s Rn 327) insoweit ein steuerliches Wahlrecht überhaupt besteht (zuvor nur in R 6.3 Abs 4 EStR 2008 vorgesehen) und dieses gem § 5 Abs S 1 Hs 2 EStG steuerlich autonom ausübbar ist, beendet (zur Rechtsentwicklung Korn/Strahl in Korn, § 6 EStG Rz 171 (Dezember 2016)). Da das steuerliche Wahlrecht auch für Wj angewendet werden kann, die vor dem Inkrafttreten des ModBestVerfG enden (Anwendungswahlrecht, § 52 Abs 12 S 1 EStG), ist die restriktive Auffassung der FinVerw, diese Aufwendungen seien iRd steuerlichen Gewinnermittlung zwingend als Teil der HK anzusetzen (BMF v 12.03.2010, BStBl I 2010, 239 Rz 8; BMF v 22.6.10, BStBl I 1010, 597; R 6.3 Abs 1 EStR 2012 sowie BMF v 25.93.2013, BStBl I 2013, 296 mit Übergangsregelung), ohne Grundlage.
Die mit § 6 Abs 1 Nr 1b S 2 EStG – systematisch inkonsequente – punktuelle Rückkehr zur umgekehrten/formellen Maßgeblichkeit soll nach der Gesetzbegründung der Vereinfachung der HK-Ermittlung dienen und zum Bürokratieabbau beitragen (kein Zwang zur gesonderten Ermittlung und Zuordnung der Kosten zu teilfertigen/fertigen Erzeugnissen durch Schlüsselung) und darüber hinaus eine allein steuerlich motivierte Nutzung des Bewertungswahlrechts verhindern (BT-Drucks 18/8434, 116). Das Wahlrecht steht auch StPfl zu, die ihren Gewinn nicht nach § 5 EStG ermitteln; der Übereinstimmungsvorbehalt greift – mangels HB – in diesen Fällen nicht (BT-Drucks 18/8434, 125).
Für fertigungsveranlasste FK-Zinsen bejaht die FinVerw in Übereinstimmung mit ihrer langjährigen Praxis und der Rspr (zB BFH v 23.05.2012, IX R 2/12, BStBl II 2012, 674; BFH v 19.10.2006, III R 73/05...