Prof. Dr. Simone Briesemeister-Dinkelbach, Prof. Dr. Wolf-Dieter Hoffmann
Rn. 334
Stand: EL 134 – ET: 02/2019
Während handelsrechtliche Bilanzierungsge- und -verbote über den Maßgeblichkeitsgrundsatz Eingang in das Steuerrecht finden, insofern nicht ein steuergesetzlicher Vorbehalt greift (s Rn 333), werden handelsrechtliche Bilanzierungswahlrechte grds nicht in das Steuerrecht transportiert (BFH v 03.02.1969, GrS 2/68, BStBl II 1969, 291 sowie zB BFH v 20.03.1980, IV R 89/79, BStBl II 1980, 297; BFH v 12.12.1991, IV R 28/91, BStBl II 1992, 602; BFH v 31.01.2013, GrS 1/10, BStBl II 2013, 317). Da Sinn und Zweck der steuerrechtlichen Gewinnermittlung die Erfassung des "vollen Gewinns" ist und steuerliche Wahlrechte nur bedingt mit dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung (Art 3 GG) in Einklang zu bringen sind, "kann es nicht im Belieben des Kaufmanns stehen, sich durch Nichtaktivierung von WG, die handelsrechtlich aktiviert werden dürfen, oder durch den Ansatz eines Passivpostens, der handelsrechtlich nicht geboten ist, ärmer zu machen, als er ist" (BFH v 03.02.1969, BStBl II 1969, 291).
Insofern dem handelsrechtlichen Wahlrecht keine abweichende zwingende steuerliche Regelung oder ein korrespondierendes Wahlrecht gegenübersteht, das gem § 5 Abs 1 S 1 Hs 2 steuerlich autonom ausgeübt werden kann (s Rn 328), folgt hieraus
- für die Ansatzebene: handelsrechtliche Aktivierungswahlrechte führen steuerlich zu Aktivierungsgeboten, handelsrechtliche Passivierungswahlrechte zu steuerrechtlichen Passivierungsverboten
- für die Bewertungsebene: handelsrechtliche Bewertungswahlrechte auf der Aktivseite führen steuerlich zum höchstmöglichen Ansatz, handelsrechtliche Bewertungswahlrechte auf der Passivseite zum niedrigstmöglichen steuerlichen Ansatz (BFH v 21.10.1993, IV R 87/92, BStBl II 1994, 178).
Diese Rspr-Grundsätze gelten nach Verwaltungsauffassung auch nach BilMoG unverändert fort (BMF v 12.03.2010, BStBl I 2010, 239 Rz 3f; zum Diskussionsstand Anzinger in H/H/R, § 5 EStG Rz 258, 501). Da handelsrechtliche Bewertungswahlrechte ausnahmslos durch steuerliche Vorschriften überlagert werden u handelsrechtlichen Ansatzwahlrechten beinahe ausnahmslos eine explizite steuerliche Regelung gegenübersteht, verbleibt aktuell praktisch kein Anwendungsbereich. Von den handelsrechtlichen Ansatzwahlrechten käme für die Anwendung der Rspr-Grundsätze lediglich das Aktivierungswahlrecht für ein Disagio (§ 250 Abs 3 S 1 HGB) in Betracht, dieses wird steuerlich zum Aktivierungsgebot. Dies ist übereinstimmend ohnehin bereits aus § 5 Abs 5 S 1 Nr 1 EStG abzuleiten.
Das Passivierungswahlrecht für mittelbare Pensionsverpflichtungen nach Art 28 Abs 1 S 2 EGHGB (Altzusagen) würde steuerlich grds zu einem Passivierungsgebot; Rspr und FinVerw bejahen im Anwendungsbereich des § 6a EStG für Altzusagen aber ein paralleles steuerliches Wahlrecht (BFH v 07.04.1994, IV R 56/92, BStBl II 1994, 740; BFH v 19.08.1998, I R 92/95, BStBl II 1999, 387; BFH v 13.02.2008, I R 44/07, BStBl II 2008, 673; R 6a Abs 1 S 3 EStR 2012; BMF v 12.03.2010, BStBl I 2010, 239 Rz 11), das (mit weiterhin bestehender Relevanz für Zuführungen) autonom ausgeübt werden kann.