Prof. Dr. Simone Briesemeister-Dinkelbach, Prof. Dr. Wolf-Dieter Hoffmann
1. Allgemeines
Rn. 1619
Stand: EL 168 – ET: 10/2023
Der in § 4 Abs 4 EStG verwendete Begriff der Aufwendungen ist im Steuerrecht umstritten.
- Nach der hier vertretenen Ansicht sind unter dem Aufwendungsbegriff einerseits die tatsächlichen Ausgaben zu erfassen und
- andererseits der sog betriebliche Aufwand (BFH BStBl II 2016, 44; 2018, 185).
Ausgaben sind im Umkehrschluss aus § 8 Abs 1 EStG alle Güter, die in Geld oder Geldeswert bestehen und beim StPfl abfließen (BFH BStBl II 1987, 108; 2016, 44). Abfluss ist hier iSv § 11 Abs 2 EStG zu verstehen. Ein Bsp für den Abfluss eines Gutes, das in Geld besteht, ist die Bezahlung einer Dienstleistung. Der Abfluss eines Gutes in Geldeswert ist die Hingabe eines Gegenstandes als Gegenleistung im Rahmen eines Tauschvertrages. Wegen des Tatbestandsmerkmales "Güter, die in Geld oder Geldeswert bestehen" s § 8 Rn 26ff (Pust).
Zu den Aufwendungen gehört auch der sog betriebliche Aufwand. Dieser Begriff umfasst den durch den Betrieb verursachten Aufwand. Damit erfasst der aus dem betrieblichen Rechnungswesen stammende Begriff jeglichen erfolgswirksamen Verzehr von Gütern und Leistungen, der keine Entnahme ist (ebenso BFH BStBl II 1986, 904; 2018, 185; FG BdW EFG 2010, 120; Bode in Kirchhof/Seer, § 4 EStG Rz 168 (22. Aufl 2023)). Hierzu gehören zB die AfA, RAP, Rücklagen, Rückstellungen für bereits entstandene Verbindlichkeiten (BFH BStBl II 2018, 185). Dies bedeutet, dass bei einem Kauf eines abnutzbaren WG der Kaufpreis nicht als Aufwendung zu erfassen ist, sondern erst der Wertverzehr des abnutzbaren WG in der Folgezeit.
Der Begriff der Aufwendungen setzt nicht voraus, dass es zu einer Vermögensminderung gekommen sein muss. Denn wie man bei den Ausgaben sehen kann, muss sich das Vermögen des StPfl nicht insgesamt mindern. So zB entsteht zwar eine Ausgabe beim Kauf eines Druckers im Wert von 300 EUR; jedoch hat sich das Vermögen des StPfl nicht vermindert. Es ist nur umgeschichtet worden. Weder der Begriff Ausgabe noch der Begriff Aufwendungen setzt daher eine Vermögensminderung voraus (glA Drüen in Brandis/Heuermann, § 4 EStG Rz 552 (Dezember 2022)).
2. Rückflüsse, Ersatzleistungen Dritter etc
Rn. 1620
Stand: EL 168 – ET: 10/2023
Werden BE vom StPfl an den ursprünglich Leistenden zurückgezahlt, so ist strittig, wie dies steuerrechtlich zu behandeln ist. Die Rspr nimmt in diesem Fall negative Einnahmen an (BFH BStBl III 1964, 184; BStBl II 1986, 193; 2010, 299; offen gelassen BFH BStBl II 2000, 396; 2001, 226), während die Literatur überwiegend hier von BA ausgeht (Stapperfend in H/H/R, § 4 EStG Rz 765 (Oktober 2022); Söhn in K/S/M, § 4 EStG Rz E 348; auch s Loschelder in Schmidt, § 4 EStG Rz 475 (42. Aufl 2023)). Der Streit ist nur von theoretischer Bedeutung, da in beiden Fällen die BE im Jahr der Leistung angesetzt wird und erst im Jahr der Rückzahlung gewinnmindernd als BA bzw negative Einnahme erfasst wird (ebenso Stapperfend in H/H/R, § 4 EStG Rz 765 (Oktober 2022)). Allenfalls bei den Überschusseinkünften iSv § 2 Abs 2 Nr 2 EStG kann der Streit von Bedeutung sein, wenn es um die Anwendung des WK-Pauschbetrages geht.
Werden frühere Aufwendungen (= BA) an den StPfl zurückgezahlt, so handelt es sich um BE (BFH BStBl II 1976, 560; 1984, 267; BFH/NV 1997, 289). Es bleibt beim Ansatz der früheren Aufwendungen als BA und der späteren Erfassung der Rückzahlung als BE.
Fallen beide Vorgänge in einen VZ, so wirken sich die Vorgänge nicht erfolgswirksam aus. Erfolgt aber zB die Rückzahlung in einem anderen VZ, so sind die früheren Aufwendungen gewinnmindernd zu berücksichtigen, während die Rückzahlung im späteren VZ als gewinnerhöhende BE berücksichtigt wird. Es ist unerheblich, ob schon bei der Hingabe der Aufwendungen eine Rückerstattung abzusehen ist; denn auch dies steht der Annahme einer BA nicht entgegen, weil es keine Voraussetzung des Begriffs der Aufwendung ist (Stapperfend in H/H/R, § 4 EStG Rz 765 (Oktober 2022)). Werden Aufwendungen gewinnmindernd nicht berücksichtigt, weil zB die Aufwendungen nicht nach § 4 Abs 5 EStG abzugsfähig sind oder weil der StPfl nicht den Empfänger der Leistung benennt (§ 160 AO), so ist umstritten, ob der Rückfluss als BE anzusetzen ist. Nach einer Auffassung in der Literatur werden solche Rückflüsse als actus contrarius der gleichen Rechtsfolge unterworfen wie die vorhergehende Aufwendung und deshalb nicht als BE berücksichtigt. Nach Auffassung der Rspr ist hier der Rückfluss als BE zu erfassen (BFH BStBl II 1968, 581; 1974, 210; BFH/NV 1997, 289; 2003, 1555). Aufgrund der Tatsache, dass die abzugsbeschränkenden Normen (zB § 160 AO) konkrete Zwecke verfolgen, die für die Erfassung der Einnahmen unerheblich sind, steht nach hier vertretener Auffassung ein Abzugsverbot für die BA nicht der Erfassung der Rückerstattung als BE entgegen.
Der Fall ist jedoch dann anders, wenn die FinBeh Aufwendungen zu Unrecht nicht als BA berücksichtigt. Erfolgt in diesem Fall eine Rückerstattung der Aufwendungen, so sind uE diese Rückerstattungen nicht als BE zu erfassen (ebenso Stapperfend in H/H/R, § 4 EStG Rz 765 (Oktobe...