Prof. Dr. Simone Briesemeister-Dinkelbach, Prof. Dr. Wolf-Dieter Hoffmann
Rn. 181
Stand: EL 163 – ET: 02/2023
Vorübergehende Nutzungsänderungen ändern die Zuordnung eines WG zum PV bzw BV nicht (BFH v 11.04.1989, VIII R 266/84, BStBl II 1989, 621: keine Entnahme zum Verkauf bestimmter Wohngebäude durch vorübergehende Nutzung zu privaten Wohnzwecken; BFH v 28.11.1991, XI R 39/89, BFH/NV 1992, 310).
Eine auf Dauer angelegte Nutzungsänderung von Grundstücken/Grundstücksteilen führt dagegen grds zum Ausscheiden des WG aus dem BV, wenn nach den geänderten Verhältnissen weder eine Zuordnung zum notwendigen noch zum gewillkürten BV in Betracht kommt, sondern notwendiges PV gegeben ist. Einer Entnahmehandlung bedarf es in diesem Fall nicht (Zwangsentnahme, BFH v 10.11.2004, XI R 39/89, BFH/NV 1992, 310). Wird zum BV gehörender Grund und Boden mit einem Gebäude bebaut, das privaten Wohnzwecken des StPfl dient oder Dritten zum Wohnen unentgeltlich überlassen wird, wird derjenige Teil des Grund und Bodens, auf dem das Gebäude errichtet worden ist, mit Gewinnrealisierung nach § 6 Abs 1 Nr 4 EStG (ggf anteilig) entnommen (BFH v 19.06.1973, I R 201/71, BStBl II 1973, 706; BFH v 11.03.1980, VIII R 151/76, BStBl II 1980, 740; BFH v 24.11.1982, I R 51/82, BStBl II 1983, 365; im Grundsatz schon BFH v 25.03.1966, VI 232/64, BStBl III 1966, 453; BFH v 29.04.1970, IV R 192/67, BStBl II 1970, 754: Wochenendhaus auf zum BV gehörigen Grund und Boden). Welcher Anteil in einem solchen Fall entnommen wird, muss danach ermittelt werden, welchen realen Teil der StPfl mit der Errichtung des Wohnhauses tatsächlich privaten Zwecken widmet (Gartenanlage, Wege und sonstige private, dem Wohnhaus dienende Anlagen), sonst nach den Umständen des Falles geschätzt werden. Dies gilt auch, wenn ein betrieblich genutztes Gebäude zu eigenen Wohnzwecken des Unternehmers aufgestockt wird. Die durch Aufstockung entstandenen Gebäudeteile sind im Fall ihrer dauernden Nutzung für eigene Wohnzwecke des Unternehmers sonstige selbstständige Gebäudeteile, denen ungeachtet der nachträglichen Erstellung der Grund und Boden anteilig zuzuweisen ist.
Grundstücke des gewillkürten BV verlieren ihre BV-Eigenschaft nur durch eine Auflösung des sachlichen und persönlichen Zusammenhangs mit dem Betrieb. Allein eine Änderung des betrieblichen Nutzungsumfangs hat keine Zwangsentnahme zur Folge (BFH v 21.08.2012, VIII R 11/11, BStBl II 2013, 117). So verliert ein zunächst betrieblich genutzter Gebäudeteil seine Eigenschaft als BV nicht dadurch, dass er zu fremden Wohnzwecken vermietet wird und sich in dem Gebäude ein weiterer zu fremden Wohnzwecken vermieteter Gebäudeteil befindet, der zum PV gehört (BFH v 10.11.2004, XI R 31/03, BStBl II 2005, 334; H 4.3 Abs 2–4 EStH 2021 "Nutzungsänderung"). Der sog Einheitlichkeitsgrundsatz, demgemäß bei Anschaffung/Herstellung eines Gebäudes Gebäudeteile, die von Beginn an der gleichen Nutzungsart unterliegen und die damit in einem einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhang stehen, nur jeweils einheitlich dem BV oder PV zugeordnet werden können, gilt bei Nutzungsänderung nicht (mit dem Einheitlichkeitsgrundsatz unvereinbar wäre es, einen zu fremden Wohnzwecken genutzten Gebäudeteil bei erstmaliger Zuordnung teilweise dem BV und dem PV zuzuordnen). Bei Nutzungsänderungen sind die Grundsätze über Entnahme (und Einlagen) von WG vorrangig zu beachten: weder eine Nutzungsänderung an sich noch der Umstand, dass ein Gebäudeteil gleicher Nutzung bereits dem PV zugeordnet ist, rechtfertigen eine (Zwangs-)Entnahme (BFH v 10.11.2004, XI R 31/03, BStBl II 2005, 368; BFH v 21.08.2012, VIII R 11/11, BStBl II 2013, 117).
Beispiel:
X nutzt 70 % des ihm gehörenden Gebäudes für seine Rechtsanwaltkanzlei. Die verbleibenden 30 % sind zu fremden Wohnzwecken vermietet und dem PV zugeordnet. Die eigenbetriebliche Nutzung des Gebäudes wird zugunsten der Vermietung zu fremdem Wohnzwecken auf 50 % reduziert.
Der Umfang des (bisher dem PV zugeordneten) WG "zu fremden Wohnzwecken genutzter Gebäudeteil" erhöht sich entsprechend. Dennoch kann für dieses (grds einheitliche) WG die (bisherige) Zuordnung anteilig unverändert fortgeführt werden (20 % BV, bisher eigenbetrieblich genutzter Gebäudeteil; 30 % PV, bisher vermieteter Gebäudeteil).
Ohne eindeutige Entnahmehandlung des StPfl bleibt die Zuordnung zum BV erhalten. Will der StPfl das nicht, so muss er das WG durch eindeutige Entnahmehandlung mit der steuerlichen Konsequenz der Gewinnrealisierung mit dem Teilwert entnehmen. Zum Erfordernis einer Entnahmehandlung bei Nutzungsänderung s Rn 230.
Rn. 181a
Stand: EL 163 – ET: 02/2023
Bisherige Nutzung |
Geänderte Nutzung |
Rechtsfolgen bzgl Zuordnung |
eigengewerblich (notwendiges BV) |
eigene Wohnzwecke |
notwendiges PV, Entnahme (§ 6 Abs 1 Nr 4 EStG) |
fremde Wohnzwecke fremdgewerblich |
Zuordnungswahlrecht: gewillkürtes BV oder PV (Entnahmehandlung erforderlich) |
fremdgewerblich/ fremde Wohnzwecke (bisher Zuordnung zum gewillkürten BV) |
eigengewerblich |
notwendiges BV |
eigene Wohnzwecke |
notwendiges PV, Entnahme (§ 6 Abs 1 Nr 4 EStG) |
fremdgewerbliche Zwecke fremde Wohn... |