Prof. Dr. Simone Briesemeister-Dinkelbach, Prof. Dr. Wolf-Dieter Hoffmann
da) Kopplung von Kaufpreiszahlung und Besitz-/Nutzungs-/Gefahr-/Lastenübergang
Rn. 170j
Stand: EL 142 – ET: 04/2020
Die Zahlung des Kaufpreises ist für die Frage des Übergangs wirtschaftlichen Eigentums grds irrelevant, eine erfolgte Kaufpreiszahlung führt bei Fehlen insb der Inbesitznahme und der laufenden Nutzung nicht bereits zum Übergang wirtschaftlichen Eigentums (zB BFH v 20.01.1987, IX R 147/83, BFH/NV 1987, 428). Häufig wird der maßgebende Übergang von Besitz, Nutzung, Gefahr und Lasten allerdings an die vollständige Kaufpreiszahlung geknüpft, so dass diese letztlich mittelbare Relevanz für den Zurechnungswechsel erlangt (Bsp BFH v 27.09.2001, X R 67/00, BFH/NV 2002, 327; BFH v 02.12.2014, BFH/NV 2015, 683). Der damit durch die Kaufpreiszahlung mittelbar ausgelöste Zurechnungswechsel setzt gleichwohl voraus, dass die tatsächlichen mit den vereinbarten Verhältnissen übereinstimmen. Weichen die tatsächlichen Besitz-, Nutzungs-, Gefahr- und Lastenverhältnisse hiervon ab, sind diese maßgeblich; eine vor- oder nachgelagerte Kaufpreiszahlung ist für die Grundstückszurechnung in diesem Fall wiederum irrelevant. Auch eine zinslose Stundung der Kaufpreisforderung hindert den Zurechnungswechsel nicht.
Für die Annahme wirtschaftlichen Eigentums ebenfalls nicht ausreichend sind hypothetische Verhältnisse bzgl des an die Kaufpreiszahlung gekoppelten Besitz-, Gefahr-, Nutzungs- und Lastenübergangs. So wird wirtschaftliches Eigentum bei Kopplung des Besitz-, Gefahr-, Nutzungs- und Lastenübergang an die vollständige Kaufpreiszahlung nicht bereits dadurch begründet, dass der Käufer durch die Zahlung des Kaufpreises ohne Zutun des Verkäufers den Übergang von Besitz, Gefahr, Nutzung und Lasten herbeiführen könnte (BFH v 27.09.2001, X R 67/00, BFH/NV 2002, 327; insoweit ist die Position des Erwerbers nicht anders als die eines Optionsberechtigten, vgl BFH v 27.09.1979, IV R 149/72, BFHE 129, 439). Der Erwerber kann den Veräußerer im Fall einer solchen Kopplung im Vorstadium des rechtlichen Eigentumsübergangs erst mit tatsächlich erfolgter Kaufpreiszahlung von der Einwirkung auf das unbewegliche WG ausschließen.
db) Darlehensweise Überlassung eines aufschiebend bedingten Kaufpreises
Rn. 170k
Stand: EL 142 – ET: 04/2020
Die grds Irrelevanz des Zeitpunkts der Kaufpreiszahlung (s Rn 170j) wird von der Rspr und Teilen des Schrifttums praktisch verneint, wenn ein erst in Zukunft (unter dem Eintritt der Bedingung einer Optionsausübung) fälliger Kaufpreis dem (potenziellen) Veräußerer bereits vorab im Darlehenswege überlassen wird. Durch eine in Höhe des vorgesehenen Kaufpreises erfolgende Darlehensgewährung an den (potenziellen) Verkäufer werde – bei dinglicher Sicherung der Darlehensforderung und Eintragung einer Auflassungsvormerkung zur Sicherung des Anspruchs auf Eigentumsübergang – eine derart hohe Bindung der Parteien begründet, dass ein Übergang wirtschaftlichen Eigentums anzunehmen sein könne. Dieser wurde vom BFH in einem solchen Fall trotz fehlender Inbesitznahme und fehlenden Übergangs laufender Nutzung fehlgehend bejaht (BFH v 23.01.1992, IV R 95/90, BStBl II 1992, 553). Ebenso wenig wie im Vorstadium zivilrechtlichen Eigentumsübergangs eine bloße Kaufpreiszahlung geeignet ist, abweichendes wirtschaftliches Eigentum zu begründen, wenn hieran nicht der Übergang der maßgebenden Kriterien Besitz, Nutzen, Gefahr, Lasten geknüpft ist, kann dies für eine durch ein Darlehensverhältnis verdeckte Kaufpreiszahlung der Fall sein. Eine darlehensweise, dinglich gesicherte Ausreichung eines im Fall der Optionsausübung fälligen Kaufpreises an den Stillhalter kann allenfalls iRd Prüfung der Wahrscheinlichkeit der Optionsausübung wahrscheinlichkeitserhöhend Berücksichtigung finden. Dies setzt aber voraus, dass zumindest Besitz in Erwartung des Eigentumserwerbs oder die Voraussetzungen besitzlosen wirtschaftlichen Eigentums (s Rn 170d) vorliegen (zutreffende Wertung in BFH v 15.01.1974, VIII R 63/68, BStBl II 1974, 606: Zurechnungswechsel bei bindendem Verkaufsangebot, Darlehensgewährung iHd feststehenden Kaufpreises, Abschluss eines auf Eigentumsverschaffung am Grundstück gerichteten Vertrages, Inbesitznahme und Lastentragung).