Prof. Dr. Simone Briesemeister-Dinkelbach, Prof. Dr. Wolf-Dieter Hoffmann
dba) Begriff Anlagevermögen/Umlaufvermögen
Rn. 662
Stand: EL 174 – ET: 08/2024
Definition: Die Abgrenzung zwischen AV und UV erfolgt auf der Grundlage der ausschließlich im Handelsrecht erfolgenden Definition des AV (§ 247 Abs 2 HGB) mit uneingeschränkter Wirkung auch für das Steuerrecht (BFH v 26.11.1974, VIII R 61–62/73, VIII R 61/73, VIII R 62/73, BStBl II 1975, 352 mwN; BFH v 31.03.1977, V R 44/73, BStBl II 1977, 684 mwN; BFH v 02.02.1990, III R 165/85, BStBl II 1990, 706; BFH v 30.04.1998, III R 29/93, BFH/NV 1998, 1372; BFH v 25.10.2016, I R 57/15, BFH/NV 2017, 388; BFH v 19.01.2017, IV R 10/14, BStBl II 2017, 466; FG Düsseldorf v 04.06.2019, 10 K 34/15, EFG 2019, 1274, rkr). Die BFH-Rspr (vgl ABC unter s Rn 678) legt also immer auch Handelsrecht aus.
Zum AV gehören nach § 247 Abs 2 HGB „nur die Gegenstände […],
- die bestimmt sind,
- dauernd
- dem Geschäftsbetrieb zu dienen.”
Das UV kann als Komplementärbegriff zum AV vollständig durch Negativabgrenzung des AV definiert werden, da steuerlich eine dritte Vermögensart nicht existiert (BFH v 13.01.1972, V R 47/71, BStBl II 1972, 744). Zum UV gehören demnach alle Gegenstände, die nicht bestimmt sind, dauernd dem Geschäftsbetrieb zu dienen, die mithin nicht im AV auszuweisen sind. Neben dieser vom Handelsrecht vorgegebenen Negativabgrenzung ist der ständigen BFH-Rspr auch eine positive Umschreibung des UV zu entnehmen: Zum UV gehören demnach alle WG,
Zitat
"deren Zweck im Verbrauch oder in der Weiterveräußerung liegt"
(BFH v 31.03.1977, V R 44/73, BStBl II 1977, 685 mwN; ähnlich BFH v 05.02.1987, IV R 105/84, BStBl II 1987, 448; BFH v 30.04.1998, III R 29/93, BFH/NV 1998, 1372; BFH v 09.02.2006, IV R 15/04, BFH/NV 2006, 1267; BFH v 16.12.2009, IV R 49/07, BFH/NV 2010, 945; BFH v 16.12.2009, IV R 48/07, BFH/NV 2010, 518; BFH v 19.01.2017, IV R 10/14, BStBl II 2017, 466; FG Düsseldorf v 04.06.2019, 10 K 34/15, EFG 2019, rkr; vgl auch R 6.2 Abs 1 EStR 2012).
Wenngleich mit dieser Positivumschreibung wesentliche Eckdaten des UV angesprochen werden, vermag sie lediglich einen (wenngleich wesentlichen) Ausschnitt des UV zu erfassen, da sie auf den Bereich der Vorräte ausgerichtet ist, letztlich muss im Zweifel auf die handelsrechtlich vorgegebene Negativabgrenzung zurückgegriffen werden (ADS, § 247 HGB Rz 124 (6. Aufl 1998)). Unter "Gegenstände" sind VG bzw WG zu verstehen (s Rn 594ff). Das Kriterium des "Dienens dem Geschäftsbetrieb" ist eher unproblematisch. Auslegungsbedürftig sind die Kriterien "bestimmt sind" (dh die Zweckbestimmung, s Rn 663ff) und "dauernd" (dh die Zeitkomponente, s Rn 666).
dbb) Zweckbestimmung
Rn. 663
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Objektive Zweckbestimmung:
Die maßgebende objektive Zweckbestimmung eines WG ist anhand objektiver, von außen nachvollziehbarer Merkmale zu ermitteln. Zur Beurteilung der Zweckbestimmung eines WG werden die jeweils konkreten Ausprägungen der folgenden – objektiven – Kriterien herangezogen (BFH v 30.04.1998, III R 29/93, BFH/NV 1998, 1372; BFH v 02.02.1990, III R 165/85, BStBl II 1990, 706; BFH v 05.02.1987, IV R 105/84, BStBl II 1987, 448; BFH v 13.01.1972, V R 47/71, BStBl II 1972, 744; BFH v 25.10.2001, IV R 47, 48/00, BStBl II 2002, 289; BFH v 16.12.2009, IV R 49/07, BFH/NV 2010, 945; BFH v 16.12.2009, IV R 48/07, BFH/NV 2010, 518; BFH v 19.01.2017, IV R 10/14, BStBl II 2017, 466):
- Art oder Natur des WG,
- Art/Geschäftszweig des Unternehmens,
- Art der Verwendung des WG/Funktion im Geschäftsbetrieb,
- uU Dauer der Verwendung/des Verbleibs des WG im Geschäftsbetrieb.
Rn. 664
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Subjektive Zweckbestimmung:
Um die Zweckbestimmung eines WG zutreffend bestimmen zu können, sind neben objektiven sekundär auch subjektive Kriterien heranzuziehen, insb der Wille des Kaufmanns. Die subjektive Absicht einer bestimmten Verwendung bedarf gleichwohl ebenfalls einer von außen nachvollziehbaren Fundierung. Insoweit haben
- die Art der Bilanzierung des WG sowie
- dessen tatsächliche Verwendungsmöglichkeiten
eine (widerlegbare) Indizwirkung für den subjektiven Willen des Kaufmanns. Der subjektive Wille des Kaufmanns kann den Ausschlag geben, wenn die fundiert begründete Absicht besteht, die WG etwa nicht dauernd dem Geschäftsbetrieb dienen zu lassen und nicht bereits anhand objektiver Kriterien eine gesicherte Zweckbestimmung möglich ist.
Rn. 665
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Revision der Zweckbestimmung: An die einmal getroffene Verwendungsentscheidung ist der Kaufmann nicht gebunden; er kann diese ändern. Die Umwidmungsentscheidung bedarf der zeitnahen Dokumentation (BFH v 25.10.2001, IV R 47,48/00, BStBl II 2002, 289).
Umwidmung zu UV: Die Frage der Umwidmung zu UV stellt sich insb im Zusammenhang mit dem Verkauf von WG des AV. Ein WG des AV ändert seine Zugehörigkeit hierzu nicht allein dadurch, dass es verkauft werden soll (BFH v 03.09.1959, IV 119/58 U, BStBl III 1959, 423; BFH v 31.05.2001, IV R 73/00, BStBl II 2001, 673). Eine Überführung vom AV ins UV erfolgt, wenn das WG seinem bisherigen Wirkungskreis entzogen wird, um es zum Verkauf herzurichten (BFH 08.02.1972, VIII R 9/67, BStBl II ...