Prof. Dr. Simone Briesemeister-Dinkelbach, Prof. Dr. Wolf-Dieter Hoffmann
Rn. 446
Stand: EL 171 – ET: 02/2024
Abgrenzung: Bei einer Veräußerung mit Preisanpassungsklausel wird der finale Kaufpreis – idR partiell neben Vereinbarung eines fixen Kaufpreisbestandteils – durch eine variable Kaufpreiskomponente ergänzt, deren Höhe an bestimmte unsichere Parameter geknüpft wird, wie das Erreichen bestimmter Kennzahlen oder den Eintritt bestimmter Ereignisse innerhalb einer bestimmten Zeitspanne (Earn out-Klausel).
Üblich sind Preisanpassungsklauseln bei Unternehmenskaufverträgen. Variable Kaufpreisparameter werden hier etwa an bilanzielle Kenngrößen angebunden (Umsatz, Jahresüberschuss, EBITDA), an Cashflow-Größen oder auch an nicht-monetäre Parameter wie die Gewinnung eines bestimmten Kundenstamms, Beilegung eines Rechtsstreits, Erteilung eines Patents etc). Möglich sind ebenso Vereinbarungen, durch die der Kaufpreis bei Nichterreichen gesetzter Parameter nachträglich reduziert wird (Reverse earn out-Klausel). Mit Preisanpassungsklauseln wird typischerweise der Zweck verfolgt, die Gefahr der Fehlbewertung des Zielobjekts zu reduzieren, die insbesondere aus der asymmetrischen Informationsverteilung zwischen Veräußerer und Erwerber resultiert. Die Veräußerung mit Preisanpassungsklausel(n) ist eine unbedingte Veräußerung mit aufschiebend bedingten Kaufpreisbestandteilen (BFH vom 27.10.2015, VIII R 47/12, BStBl II 2016, 600; Blöchle/Dumser Ubg 2012, 108).
Rn. 446a
Stand: EL 171 – ET: 02/2024
Zurechnungswechsel: Aus Veräußerersicht bleiben infolge von Preisanpassungsklauseln bei diesem je nach Ausgestaltung Chancen oder auch Risiken zurück, da der variable Kaufpreisbestandteil an künftige Ereignisse bzw an die bilanzielle Verarbeitung künftiger Ergebnisse und hierauf basierender Kennzahlen anknüpft. Zivilrechtliches Eigentum geht über, variable Kaufpreisbestandteile hindern auch den Übergang wirtschaftlichen Eigentums nicht. Durch eine partielle und zudem temporär befristete Teilhabe des Veräußerers an Chancen/Risiken des verkauften WG über den zivilrechtlichen Eigentumsübergang hinaus wird der Veräußerer nicht bereits in die Lage versetzt, den Erwerber von der Einwirkung auf das WG auszuschließen, insbesondere wird er dies nicht dauerhaft. Die Zurechnung wechselt trotz Kaufpreisanpassungsklausel nach den für unbedingte Veräußerungen dargelegten Grundsätzen (s Rn 421).
Rn. 446b
Stand: EL 171 – ET: 02/2024
Gewinnrealisation: Für fixe Kaufpreisbestandteile gelten die allgemeinen Realisationsgrundsätze (s Rn 421). Variable, aufschiebend bedingte Kaufpreisbestandteile sind als aufschiebend bedingte Forderungen erst mit Bedingungseintritt zu aktivieren (BFH vom 27.10.2015, VIII R 47/12, BStBl II 2016 mwN sowie zB bereits BFH vom 04.04.1968, IV 210/61, BStBl II 1968, 411: Ansatz von Forderungen, deren Höhe aufgrund einer Wertsicherungsklausel von künftigen wirtschaftlichen Entwicklungen abhängt erst dann und nur insoweit, als sie für die Anwendung der Wertsicherungsklausel maßgebenden Umstände eingetreten sind; Blöchle/Dumser, Ubg 2012, 112; Feldgen, NWB 2015, 1925; Krumm in Brandis/Heuermann, § 5 EStG Rz 940a (Mai 2023); Rogler/Richter, WPg 2023, 80ff).
Rn. 447
Stand: EL 171 – ET: 02/2024
Bedingungseintritt als rückwirkendes Ereignis iS § 175 Abs 1 S 1 Nr 2 AO: Von der Frage der Gewinnrealisation zu trennen ist die Frage, ob es steuerrechtlich zu einer Rückwirkung des Bedingungseintritts kommt, dh der Gewinn des Veräußerungsjahres zu erhöhen ist. Die Rspr differenziert insoweit danach, ob ein laufender Geschäftsvorfall oder ein sogenannter steuerlicher "Einmaltatbestand" vorliegt, der zu außerordentlichen Einkünften (§§ 16, 17 EStG iVm § 34 EStG) führt. Bei laufenden Geschäftsvorfällen werden die allgemeinen Realisationsgrundsätze für aufschiebend bedingte Forderungen zur Anwendung gebracht (s Rn 433), dh aufschiebend bedingte Mehr-/Minderkaufpreisforderungen erst im Zeitpunkt des Bedingungseintritts realisiert (BFH vom 11.12.2001, VIII R 58/98, BStBl II 2002, 420 mwN; FG He vom 31.08.2012, 4 K 1637/09, EFG 2013, 4). Liegt dagegen ein Einmaltatbestand vor, der zu außerordentlichen Einkünften führt, wird der Bedingungseintritt als rückwirkendes Ereignis iS § 175 Abs 1 S 1 Nr 2 AO eingeordnet mit der Folge, dass die Realisation der variablen Kaufpreisbestandteile auf den Realisationszeitpunkt der fixen Kaufpreisbestandteile (= Zurechnungswechsel) zurückbezogen wird (vgl Schüppen, JbFSt 2011/12, 295 f; Blöchle/Dumser Ubg 2012, 112 mwN; Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rz 338 (42. Aufl 2023)).
Für §§ 16, 17, 34 EStG unterfallende Vorgänge gilt dies sowohl für Fälle der nachträglichen Minderung des Veräußerungsgewinns (vgl BFH vom 02.10.1984, VIII R 20/84, BStBl II 1985, 428: Rückbezug nachträglicher AK auf eine Beteiligung iSd § 17 EStG; BFH vom 19.07.1993, GrS 2/92, BStBl II 1993, 897: Rückbezug uneinbringlicher Kaufpreisforderung für Betriebsveräußerung iSd § 16 EStG; BFH vom 21.12.1993, VIII R 69/88, BStBl II 1994, 648: Rückbezug ausgefallener Kaufpreisforderung wegen Rücktritt vom Kauf einer Beteiligung iSd § ...