Prof. Dr. Simone Briesemeister-Dinkelbach, Prof. Dr. Wolf-Dieter Hoffmann
Rn. 190
Stand: EL 142 – ET: 04/2020
Eine Schuld ist betrieblich veranlasst, wenn der sie auslösende Vorgang im betrieblichen Bereich liegt (BFH v 17.04.1985, I R 101/81, BStBl II 1985, 510; BFH v 05.06.1985, I R 289/81, BStBl II 1985, 619; BFH v 12.09.1985, VIII R 336/82, BStBl II 1986, 255; BFH v 06.02.1987, III R 203/83, BStBl II 1987, 423; BFH v 28.02.1990, I R 205/85, BStBl II 1990, 537; BFH v 20.05.2015, I R 75/14, BFH/NV 2015, 1687). Eine Darlehensaufnahme und die sich daraus ergebende Darlehensschuld sind Teil des BV des Darlehensnehmers, wenn sie mit dessen Betrieb in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, dh insb den Zweck hatten, dem Betrieb Mittel zuzuführen (BFH v 07.05.1965, VI 217/64 U, BStBl III 1965, 445; BFH v 23.06.1983, BStBl II 1983, 725; BFH v 17.04.1985, BStBl II 1985, 510; BFH v 04.07.1990, GrS 2–3/88, BStBl II 1990, 817; BFH v 15.03.1991, II R 121/86, BFH/NV 1991, 809), etwa um die Anschaffung oder Fremdherstellung von WG zu finanzieren, die BV werden, weil sie dazu bestimmt sind, dem Betrieb unmittelbar zu dienen oder ihn zu fördern (vgl BFH v 29.11.1968, VI R 183/66, BStBl II 1969, 233) oder betrieblich veranlassten Aufwand zu decken (zB Löhne, Mieten, Zinsen, Versicherungsprämien, Wartungsraten; vgl für die Einkünfte aus VuV BFH v 18.11.1980, VIII R 194/78, BStBl II 1981, 510). Voraussetzung einer betrieblichen Veranlassung der Kreditaufnahme ist ein betrieblicher Finanzierungsbedarf
Umgekehrt: Bei fehlendem betrieblichen Veranlagungszusammenhang liegt (negatives) PV vor. Dem StPfl steht die Verwendung von EK und FK frei, eine wertende (steuerliche) Betrachtung erfolgt nicht (BFH v 08.12.1997, GrS 1–2/95, BStBl II 1998, 193). Es besteht keine "Pflicht" zur Verwendung von EK für betriebliche Zwecke und umgekehrt. Eine Darlehensschuld ist kein BV, wenn sie für private Zwecke aufgenommen wird, weil kein EK mehr für Entnahmezwecke vorhanden ist (Horlemann, FR 2001, 337). Der Zusammenhang zwischen Kreditaufnahme und betrieblicher Tätigkeit muss wirtschaftlicher Art sein. Lediglich rechtliche Zusammenhänge, zB die Verpfändung eines betrieblichen Gegenstandes zur Sicherung einer Darlehensschuld aus einem privat veranlassten Darlehensverhältnis, machen die private Schuld nicht zu einer Betriebsschuld (BFH v 17.04.1985, I R 101/81, BStBl II 1985, 510). Desgleichen wird eine betrieblich veranlasste Schuld nicht zu einer Privatschuld, wenn zu ihrer Sicherung PV belastet wird (BFH v 11.12.1980, I R 61/79, BStBl II 1981, 461).
Den Zusammenhang zwischen Kreditaufnahme und betrieblicher Tätigkeit schafft allein der Darlehensnehmer; auf die Beweggründe in der Person des Darlehensgebers kommt es für die Zuordnung des Darlehensverhältnisses zum BV oder zum außerbetrieblichen Vermögen des Darlehensnehmers nicht an (BFH v 11.02.1955, III 8/55 U, BStBl III 1955, 119; 07.05.1965, VI 217/64 U, BStBl II 1965, 445). Die Beweggründe des Darlehensgebers sind allenfalls Beweisanzeichen für die Beweggründe des Darlehensnehmers (vgl BFH v 05.10.1973, VIII R 30/70, BStBl II 1974, 88für eine entgeltliche Leibrentenverpflichtung).
Auch lediglich zum Zwecke der Bilanzverschönerung ("window-dressing") aufgenommene Darlehen sind betrieblich veranlasste Vorgänge (BFH v 10.10.1972, I R 237/70, BStBl II 1973, 136).
Voraussetzung für die steuerrechtliche Berücksichtigung von Darlehensverhältnissen zwischen nahen Angehörigen ist die Ernsthaftigkeit der Vereinbarungen. Für diese spricht die Einhaltung einer Form, die Zweifel an ihrer zivilrechtlichen Rechtswirksamkeit nicht aufkommen lässt; ferner müssen die Vereinbarungen nach Inhalt und Durchführung Verträgen entsprechen, wie sie zwischen einander Fremden nach Marktbedingungen üblicherweise abgeschlossen werden. Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, kann es sich nicht um ein betrieblich veranlasstes Darlehensverhältnis handeln (BFH v 01.06.1978, IV R 109/74, BStBl II 1978, 618; BFH v 25.01.1979, IV R 34/76, BStBl II 1979, 434; BFH v 30.01.1980, I R 194/77, BStBl II 1980, 449; BFH v 22.04.2015, IV B 76/14, BFH/NV 2015, 976). Die Rspr differenziert bei der Anwendung des Fremdvergleichs zwischen nahen Angehörigen (im Anschluss an BVerfG v 07.11.1995, 2 BvR 802/90 BStBl II 1996, 34) nach dem Anlass der Darlehensgewährung (BFH v 22.10.2013, X R 26/11, BStBl II 2014, 374; BFH v 22.04.2015, IV B 76/14, BFH/NV 2015, 976):
- Darlehen aus zuvor vom Darlehensnehmer geschenkten Mitteln: Wird das Darlehen aus Mitteln gewährt, die dem Darlehensgeber zuvor vom Darlehensnehmer geschenkt worden waren, legt die Rspr an die Anerkennung strengste Maßstäbe an. Bei langfristigen Darlehen lässt die Rspr bereits allein die fehlende Besicherung ausreichen, um die steuerrechtliche Anerkennung des Vertrags zu versagen (BFH v 22.11.1963, VI 178/62 U, BStBl III 1964, 74; BFH v 14.04.1983, IV R 198/80, BStBl II 1983, 555; BFH v 07.11.1990, X R 126/87, BStBl II 1991, 291; BFH v 18.12.1990, VIII R 290/82, BStBl II 1991, 391). Darlehensverträge zwischen nahen Angehörigen werden in dieser Fallgruppe selbst da...