Prof. Dr. Simone Briesemeister-Dinkelbach, Prof. Dr. Wolf-Dieter Hoffmann
Schrifttum:
Hoffmann/Lüdenbach, NWB-Kommentar Bilanzierung 2009, § 274.
la) Regelungsinhalt
Rn. 905
Stand: EL 85 – ET: 11/2009
Die (handelsrechtliche) Steuerlatenzierung wurde durch das BilMoG in § 274 HGB nF auf völlig neue Füße gestellt. Dieser Paragraf des HGB ist Ansatz-, Bewertungs- und Ausweisvorschrift für einen Nicht-Vermögensgegenstand und eine Nicht-Schuld.
Regelungen zum Bilanzansatz sind in Abs 1 enthalten:
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Abs 1 S 1 fordert einen Ansatz der insgesamt in der Zukunft entstehenden Steuerbelastungen aus Buchwertunterschieden. |
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Abs 1 S 2 eröffnet ein Wahlrecht zur Aktivierung der möglichen Steuerentlastungen aufgrund von sich insgesamt ergebenden Aktivüberhängen. |
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Abs 1 S 4 befasst sich mit der Aktivierung des Sondertatbestandes von Steuerentlastungen in der Zukunft aufgrund von Verlustvorträgen. |
In Abs 2 S 1 des § 274 HGB ist die Bewertung geregelt, in Abs 2 S 2 als Schnittstelle zwischen Ansatz- (Ausbuchung) und Folgebewertungsfragen die Auflösung der Steuerlatenzposten.
Regelungen zum Ausweis sind in Abs 1 und Abs 2 des § 274 HGB enthalten:
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Abs 1 S 3 eröffnet für die Bilanz ein Wahlrecht zwischen saldiertem und unsaldiertem Ausweises von aktiven und passiven Latenzen. |
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Im Gliederungsschema des § 266 ist jeweils am Ende der Aktiva und der Passiva ein Sonderausweis vorgesehen. |
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Den gesonderten Ausweis des Ertrags oder Aufwands aus Steuerlatenzen in der GuV innerhalb des Steueraufwandes verlangt Abs 2 S 3. |
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Eine spezielle Anhangangabe sieht § 285 Nr 29 HGB vor. |
Übergangsregelungen enthält Art 67 Abs 6 EGHGB.
§ 274 gilt pflichtweise nur für KapGes u Kap & Co-Gesellschaften, wobei kleine Gesellschaften von der Steuerlatenzrechnung und den darauf bezogenen Angaben gem § 274a Nr 5 HGB befreit sind, diese aber optional anwenden können. Ein solches Wahlrecht billigt das IDW auch Personenunternehmen zu (durch IDW ERS HFA 27.19).
lb) Konzeptionelle Grundlagen
Rn. 906
Stand: EL 85 – ET: 11/2009
Die Steuerlatenzrechnung stellt bilanziell die zukünftigen Steuerbe- oder entlastungen aus Buchwertunterschieden zwischen Aktiv- und Passivposten der HB u StB dar. Diese können auf unterschiedlichen Ansätzen oder Bewertungen beruhen. Aus der Veränderung der bilanzierten Latenzen zwischen zwei Stichtagen ergibt sich korrespondierend ein Steuerertrag und -aufwand in der GuV-Rechnung. Dem Zukunftsbezug der bilanziellen Latenzrechnung entsprechend handelt es sich um aufgeschobene, dh noch nicht geschuldete Steuern. Die Steuerlatenzrechnung führt dadurch die zeitlichen Unterschiede beider Rechenwerke – HB u StB – zusammen. Die Steuerfolgen aus bestehenden Bilanzansätzen werden antizipiert.
Der Entstehungsgrund für die Steuerlatenz beruht neben den genannten
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Buchwertunterschieden zwischen HB u StB |
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auch auf Steuerfolgen aus Verlust- und Zinsschranken-Vorträgen. |
Rn. 907
Stand: EL 85 – ET: 11/2009
Ein weiterer (indirekter) Anwendungsbereich der Steuerlatenzrechnung liegt in der Darstellung eines zum ausgewiesenen Ergebnis vor Steuern "passenden" Steueraufwands. Damit eng verbunden ist die Entwicklung des ausgewiesenen Steueraufwandes (einschließlich solchen aus der Steuerlatenzrechnung) vom vermuteten Steueraufwand aus Anwendung der bestehenden Steuersätze auf das Ergebnis vor Steuern zum effektiv ausgewiesenen Betrag. Durch Einbeziehung des Aufwandes bzw Ertrages aus der Steuerlatenzrechnung "passt" der ausgewiesene Steueraufwand tendenziell zum Ergebnis vor Steuern, dh die tatsächliche Steuerquote zur nach den nominellen Steuersätzen zu erwartenden, allerdings in der Praxis und auch im Schrifttum regelmäßig bezogen auf den Konzernabschluss ("Konzernsteuerquote"). Im Einzelabschluss nach HGB hat diese Größe bislang kaum Bedeutung gehabt, das kann sich im Hinblick auf die zunehmenden Abweichungen zwischen Handels- und Steuerbilanzposten ändern.
Rn. 908
Stand: EL 85 – ET: 11/2009
Konzeptionell kann die Steuerlatenzrechnung an den beiden Bestandteilen des JA anknüpfen:
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an der GuV-Rechnung, indem die jeweiligen Bilanzansatzunterschiede aufgelistet und saldiert werden, um mit dem anzuwendenden Steuersatz einen aktiven oder passiven Überhang zu ermitteln. Beim aktiven Überhang entsteht in Form der Gegenbuchung ein Ertrag und umgekehrt beim passiven Überhang ein Aufwand. Dieses Verfahren ist "GuV-orientiert", wird international als timing-Konzept bezeichnet und gilt deshalb als "dynamisch". Vor "BilMoG" galt dieses Konzept nach § 274 HGB aF. |
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Die andere Methode knüpft ebenfalls an den Buchwertunterschieden zwischen HB u StB an und errechnet daraus aufgrund des anzuwendenden Steuersatzes ein latentes Steuerguthaben oder umgekehrt eine entsprechende Schuld. Dieses Verfahren gilt als bilanzorientiert und wird deshalb als "statisch" dargestellt. International spricht man hier vom temporary-Konzept – jetzt gültig in § 274 HGB nF. |
Dieser konzeptionelle Unterschied im Ansatz verwischt sich allerdings letztlich durch die Gesetze der Doppik. Unterschiedliche Bilanzansätze müssen sich notwendig im Ergebnis niederschlagen oder umgekehrt: Die Ergebnisunterschiede führen zu entsprechenden Bilanzposten. D...