Prof. Dr. Simone Briesemeister-Dinkelbach, Prof. Dr. Wolf-Dieter Hoffmann
Rn. 911f
Stand: EL 99 – ET: 05/2013
Kleine KapGes und Kap & Co-Gesellschaften sind nach § 274a HGB von der Steuerlatenzrechnung befreit. Das Gleiche gilt nach der Systematik im Aufbau des HGB auch für die "normalen" Personenhandelsgesellschaften (OHG, KG), deren Regelungsbereich der Bilanzierung nach HGB ab § 264 HGB ff endet. Anders ausgedrückt: Der § 274 HGB gilt für diese "normalen" Personenhandelsgesellschaften nicht.
Das IDW will diesbezüglich allerdings nicht einen schlichten Verzicht auf die Latenzierung von Passivbeträgen für diese Personenhandelsgesellschaften akzeptieren, sondern verlangt unter bestimmten Voraussetzungen im RS HFA 7 unter Tz 26 einen Rückstellungsansatz für Steuerlatenzen außerhalb des Bereichs der quasi-permanenten Buchwertunterschiede, Letztere solche, die sich voraussichtlich wegen zB betriebsnotwendiger Zugehörigkeit eines Fabrikgrundstückes aller Voraussicht nach nicht ausgleichen werden (anders die Regel nach IAS 12).
Gegen diese Einvernahme des Rückstellungsbegriffes zur Erfassung von Passivlatenzen sprechen eine ganze Reihe von bilanzrechtlich-systematischen Gegenargumenten (vgl im Einzelnen Hoffmann/Lüdenbach, NWB Kommentar Bilanzierung, 4. Aufl. 2013, § 274 Rz 4ff sowie Hoffmann, StuB 2012, 249):
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Steuerlatenzen stellen einen Bilanzposten eigener Art dar, der tatbestandlich mit den Voraussetzungen eines Rückstellungsansatzes nur in Teilbereichen übereinstimmen kann. Schon die getrennte Auflistung der Posten in § 266 HGB deutet dies optisch an, Rückstellungen sind auch noch nie mit "passiven Abgrenzungen" oder für "erhaltene Anzahlungen" (um weitere Passivposten als Bsp zu nennen) zusammengefasst worden. |
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Passivlatenzen können bei isolierter Betrachtung tatsächlich in der Zukunft beim Ausgleich der Buchwertunterschiede zu einem zusätzlichen Steuersubstrat (hier PersGes) "Gewerbeertrag" führen, müssen dies allerdings keinesfalls. Vielleicht ist im VZ dieses Ausgleiches gerade eine Verlustsituation gegeben, oder die Gesellschaft besteht in anderer Rechtsform nach Umwandlung weiter, oder die GewSt wird zu diesem Zeitpunkt gar nicht mehr erhoben. Das Entstehen einer GewSt-Schuld am Bilanzstichtag ist also häufig unwahrscheinlich und erlaubt schon deswegen nach den allg Kriterien des Rückstellungsansatzes nicht die Bildung einer Verbindlichkeitsrückstellung (s Rn 873ff). |
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Der HFA belegt seine Ansatzpflicht mit der aus der Passivlatenz am Bilanzstichtag resultierenden wirtschaftlichen Belastung (die wie vorstehend dargelegt aber gar nicht eintreten muss), die sich auf jeden Fall auf künftige VZ bzw Wj bezieht, die wie andere Aufwendungen in der Zukunft aus der Stichtagsperspektive nicht ansetzbar sind. |
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Das hier vom HFA und seinen Interpreten verwendete Bilanzierungskriterium der wirtschaftlichen Belastung bleibt völlig undefiniert.
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Eine solche kann zB auch am Bilanzstichtag bestehen, wenn seitens der Muttergesellschaft die deutsche Tochtergesellschaft zu Restrukturierungen gezwungen wird, die aber bislang noch nicht eingeleitet worden. sind. Dann liegt am Stichtag mit Sicherheit eine wirtschaftliche Belastung vor, die aber nun einmal nicht rückstellungsfähig ist. |
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Genauso gut kann der Betrieb durch die heruntergekommene Beschaffenheit des Fabrikgebäudes und der dazu erforderlichen Sanierungen wirtschaftlich belastet sein, eine Verbindlichkeitsrückstellung für diese Sanierung kommt indes nicht in Betracht. |
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Rn. 911g
Stand: EL 99 – ET: 05/2013
Im Vorfeld der Verabschiedung dieses IDW-Standards RS HFA 7 hatte sich die Bundessteuerberaterkammer (BStBK) vehement gegen eine solche Gesetzesinterpretation gewandt. Gegenüber der endgültigen Fassung hat es die BStBK mit einem Kompromissvorschlag versucht (BStBK, DStR 2012, 2296 mit Entgegnung des IDW,IDW/FN 2012, 583; dazu Hoffmann, StuB 2012, 889). Die BStBK akzeptiert dabei eine Rückstellungsbildung für Steuerlatenzen, soweit dieser sog Steuerstundungsverfahren zugrunde liegen. Darunter werden drei Varianten subsumiert:
Für andere Fälle der Buchwertunterschiede lehnt die BStBK dem IDW entgegentretend einen Rückstellungsansatz für die Steuerlatenzen ab. Die Argumente drehen sich dabei immer um den Zeitpunkt der wirtschaftlichen Verursachung, die vom IDW in diesem Zusammenhang teilweise anders interpretiert wird als von der BStBK. Das überrascht nicht, weil gerade unter dem vom BFH "erfundenen" Begriff der wirtschaftlichen Verursachung höchst Unterschiedliches und nicht systematisch Konsistentes verstanden wird (s Rn 875ff).
Rn. 911h
Stand: EL 99 – ET: 05/2013
Für den Rechtsanwender ist diese ungewöhnlich konträre Stellungnahme zweier sich als Standardsetter gerierender Instanzen höchst unerfreulich. Insb wird die vom Gesetzgeber beabsichtigte Vereinfachung für den betroffenen Unternehmenskreis konterkariert. Die Bezugnahme auf die Gesetzesbegründung rechtfertigt dies nicht, denn diese spricht nur von einer möglic...