a) Allgemeines
Rn. 55
Stand: EL 158 – ET: 06/2022
Das Haftungsverfahren ist in § 42d EStG nicht geregelt. Es gelten die Vorschriften der AO. § 42d Abs 4 EStG beinhaltet eine Verwaltungsvereinfachung; Abs 4 verzichtet in den beiden dort genannten Fällen für die Inanspruchnahme des ArbG auf einen schriftlichen Haftungsbescheid und ein Leistungsgebot.
In anderen Fällen erlässt die FinBeh gemäß § 191 Abs 1 AO einen Haftungsbescheid gegen den ArbG nach § 42d EStG oder gegen einen Dritten nach §§ 34ff, 69 AO als Haftungsschuldner. Der Haftungsbescheid ist im Unterschied zum Nachforderungsbescheid kein Steuerbescheid, sondern ein sonstiger Steuer-VA. Darum darf er nicht unter Vorbehalt der Nachprüfung ergehen. Gegen den Haftungsbescheid ist der Einspruch gegeben, § 348 Abs 1 Nr 4 AO. Der ArbN hat gegen den Haftungsbescheid insoweit ein Einspruchsrecht, als er persönlich für die nachgeforderte LSt in Anspruch genommen werden kann (BFH BStBl II 1973, 780; FG Mchn EFG 1997, 783; FG Nds EFG 2009, 1904; H 42d.1 LStH 2021 "Rechtsbehelf gegen den Haftungsbescheid").
Da gewöhnlich der Haftungsbescheid nur dem Adressaten (= ArbG) und nicht dem ArbN bekanntgegeben wird, kann Letzterer noch mindestens innerhalb der Jahresfrist (entsprechend § 356 Abs 2 AO) Einspruch einlegen (FG Münster EFG 1997, 783). In einem allein vom ArbN durchgeführten Anfechtungsverfahren ist der ArbG als Adressat des Haftungsbescheides nach § 360 AO/§ 60 FGO hinzuzuziehen bzw notwendig beizuladen (BFH BStBl II 1973, 780; Krüger in Schmidt, § 42d EStG Rz 59, 40. Aufl). Ficht der ArbN einen Nachforderungsbescheid an, der gegen ihn gerichtet ist, ist der ArbG aber als Haftungsschuldner nicht notwendig beizuladen (BFH BFH/NV 2004, 1547). Umgekehrt kann im Haftungsverfahren gegen den ArbG auch der ArbN oder ein anderer Haftender als Beteiligter hinzugezogen werden. Er ist aber nicht notwendig beizuladen (BFH BFH/NV 1989, 113). Es kommt aber eine einfache Beiladung in Betracht (FG Köln v 04.05.2017, 13 K 1491/15; Levedag in Gräber, FGO, 9. Aufl 2019, § 60 Rz 83 mwN). Wer zum Verfahren hinzugezogen bzw beigeladen worden ist, muss die Entscheidung über den Rechtsbehelf gegen sich gelten lassen.
b) Form und Inhalt des Haftungsbescheides
Rn. 56
Stand: EL 158 – ET: 06/2022
Der Haftungsbescheid ist nach § 191 Abs 1 S 2 AO schriftlich zu erteilen. Außer der Haftungsschuld und dem Haftungsgrund müssen die für die Ermessensentscheidung maßgebenden Gründe angegeben werden (BFH BStBl II 1972, 181; 1978, 402; 1981, 801). Dies muss spätestens in der Einspruchsentscheidung geschehen sein; andernfalls ist der Bescheid auf Rüge aufzuheben (FG BdW EFG 1983, 519 rkr). Eine Ausnahme von der Darlegungspflicht gilt, wenn der ArbG seine Zahlungspflicht schriftlich anerkennt (§ 42d Abs 4 EStG; BFH BStBl II 1982, 710; ferner auch § 121 Abs 2 Nr 2 AO, wenn dem ArbG die Auffassung des FA bereits bekannt oder auch ohne schriftliche Begründung ohne weiteres erkennbar ist, von Bornhaupt, BB 1981, 2128, 2130). Die irrige Bezeichnung als Steuer- oder Nachforderungsbescheid ist nach BFH BStBl II 1977, 255 nicht maßgeblich.
Es ist zwischen Haftungsbescheid und Nachforderungsbescheid zu unterscheiden, BFH BStBl II 1983, 472; 1983, 517. Ist unklar, ob das FA eine LSt-Haftungsschuld oder eine pauschale LSt-Schuld festsetzen wollte, so ist der Bescheid unwirksam, BFH BStBl II 1984, 362.
Die Trennung der Steuerschuld von der Haftungsschuld kann im Entscheidungssatz, in der Begründung des zusammengefassten Steuer- und Haftungsbescheides oder durch Bezugnahme auf den Bericht über die LSt-Außenprüfung erfolgen (BFH BStBl II 1985, 664). Die Steuerschuld und die Haftungsschuld können äußerlich in einer Verfügung verbunden werden (BFH BStBl II 1985, 266). Ein rechtswidriger Steuerbescheid kann aber nicht in einen Haftungsbescheid umgedeutet werden (s § 128 Abs 3 AO; BFH BStBl II 1991, 781; 1992, 163; FG SAnh EFG 2008, 1752).
Ebenso kann auch ein Haftungsbescheid nicht in einen Steuerbescheid umgedeutet werden (BFH BStBl II 1983, 517; 1990, 594; BFH/NV 1985, 9). Die Voraussetzungen nach § 128 AO liegen nicht vor. Beide Bescheide verfolgen eine unterschiedliche Zielrichtung.
- Der Steuerbescheid beinhaltet eine Inanspruchnahme für eine eigene Steuerschuld.
- Der Haftungsbescheid beinhaltet eine Inanspruchnahme für eine Steuerschuld eines anderen (Ratschow in Klein, AO, 12. Aufl 2014, § 128 Rz 3).
Rn. 57
Stand: EL 158 – ET: 06/2022
Der Haftungsbescheid muss dem Gebot der Bestimmtheit genügen. Unbestimmte Haftungsbescheide sind nichtig (BFH BStBl II 1997, 306). Er muss zu erkennen geben, dass der Betroffene nicht als Steuerschuldner, sondern als Haftungsschuldner in Anspruch genommen werden soll (BFH BFH/NV 1991, 197). Der Haftungsbescheid muss die Steuer nach Art und Betrag bezeichnen und muss ebenfalls die Person des Haftenden benennen (BFH BFH/NV 1986, 583). Für die LSt gilt dabei, dass auch grundsätzlich eine Aufteilung der LSt auf die einzelnen Zeiträume erfolgen muss. Ist dies nicht im Haftungsbescheid erfolgt, so kann dem Gebot der Bestimmtheit auch dadurch Rechnung g...