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Stand: EL 158 – ET: 06/2022
Der ArbN ist beim LSt-Abzug, weil es sich hier im Ergebnis um seine ESt handelt, der eigentliche Steuerschuldner, § 38 Abs 2 EStG. Der ArbG ist im LSt-Verfahren jedoch Haftungsschuldner, da anderenfalls die ihm im LSt-Verfahren auferlegten Pflichten wirkungslos wären. Der ArbG steht gemäß §§ 38ff EStG gegenüber dem Fiskus in einem öffentlich-rechtlichen Auftrags- und Treuhandverhältnis (vgl Offerhaus, BB 1982, 793; Schick, BB 1983, 1041, 1044). Die LSt-Haftung bezweckt das Funktionieren des LSt-Abzugsverfahrens (vgl BVerfG v 17.02.1977, 1 BvR 33/76, BVerfGE 44, 103) und die Sicherung der Steuerforderung gegenüber den ArbN zur Vermeidung von Steuerausfällen (Krüger in Schmidt, § 42d EStG Rz 1, 40. Aufl).
Die Haftung hat Schadensersatz- und keinen Strafcharakter. Aus diesem Grunde kann nur für gesetzlich geschuldete LSt und nicht für gesetzwidrig zu hoch einbehaltene LSt gehaftet werden (BFH BStBl II 1993, 775; FG BBg v 23.2.2017 4 K 4109/15).
Die LSt-Haftung des ArbG nach § 42d EStG ist nicht das einzige Mittel der Inanspruchnahme für LSt-Schulden. Das FA hat mehrere Möglichkeiten, die Steuerschulden einzufordern. Sie kann den Steuerschuldner selbst in Anspruch nehmen. Dies erfolgt durch einen Steuerbescheid gegen den ArbN. Entweder erfolgt dies iRd Veranlagung, oder das FA erlässt einen Nachforderungsbescheid nach § 167 Abs 1 S 1 AO. Daneben kann das FA des Weiteren ebenfalls einen Nachforderungsbescheid gegen den ArbG nach § 167 Abs 1 S 1 AO erlassen (s BFH BStBl II 2004, 1087; auch s Schulze-Osterloh in Gedächtnisschrift für Trzaskalik, 2005, 151). Als weiteres Instrumentarium kommt für das FA ein Pauschalierungsbescheid nach den §§ 40ff EStG in Betracht. Auch mit dieser Form kann die LSt vom ArbG erlangt werden. Darüber hinaus kommt als weitere Möglichkeit neben einer Haftung nach § 42d EStG ggf auch eine Haftung für die LSt nach §§ 34, 69 AO in Betracht.
Die Wahl der Inanspruchnahmeform des ArbG hat weitreichende Konsequenzen. Während es sich bei dem Nachforderungsbescheid um eine Steuerfestsetzung handelt, die nach § 167 Abs 1 S 1 AO ohne Ermessensausübung erfolgt (vgl zB BFH BStBl II 2004, 1087; BFH/NV 2009, 1237; 2012, 695; zur Kritik s Drüen, DB 2005, 299; DStR-Beilage 41/2012, 87 f; Heuermann, StuW 2006, 332; Cöster in Koenig, AO, 3. Aufl 2014, § 167 AO Rz 13 ff; Nacke, DStR 2013, 335; Drüen, FR 2019, 1024), kommt eine Haftung nach §§ 34, 69 AO nur in Betracht, wenn die Behörde ihr Ermessen ordnungsgemäß ausübt und der Geschäftsführer auch schuldhaft gehandelt hat. Auch die Haftung nach § 42d EStG ist eine Haftungsnorm, deren Anwendung die Ausübung des Ermessens erfordert. Jedoch unterscheidet sie sich gegenüber §§ 34, 69 AO ua dadurch, dass sie verschuldensunabhängig ist (str, s Kruse in Gedächtnisschrift für Trzaskalik, 2005, 176f; auch s Rn 18). Auch bei einer Inanspruchnahme nach den §§ 40ff EStG handelt es sich um eine völlig andere Bescheiderteilung. Bei der Pauschalierung ist nämlich zu beachten, dass diese nur dann in Betracht kommt, wenn der ArbG mit einer Pauschalierung einverstanden ist. Denn durch die Zustimmung entfällt die StPfl des ArbN. Der ArbG wird selbst zum Steuerschuldner. Er übernimmt die StPfl.
ME ist die Kritik in der Literatur an der Rspr des BFH, wonach der ArbG mit einem Nachforderungsbescheid nach § 167 Abs 1 S 1 AO wegen der LSt des ArbN in Anspruch genommen werden kann, zutreffend. Das vom BFH angenommene Wahlrecht des FA zwischen einer Haftung nach § 42d EStG (Ermessensentscheidung) und einer Inanspruchnahme nach § 167 Abs 1 S 1 AO (gebundene Entscheidung) ist dogmatisch zweifelhaft. Diese Möglichkeiten der Inanspruchnahme lassen sich schwerlich mit der Dogmatik des Haftungsrechts in Einklang bringen. Zwar kann formell mit einem Nachforderungsbescheid ein LSt-Anspruch geltend gemacht werden; jedoch fragt sich, um welchen materiell-rechtlichen Anspruch es sich dabei handelt. Von einer Steuerentrichtungsschuld kann mE nicht gesprochen werden, denn es gibt nur eine Steuerschuld, die der StPfl schuldet, und eine Haftungsschuld, die der Haftungsschuldner schuldet. Materiell-rechtlich ist daher die Inanspruchnahme des ArbG eine Inanspruchnahme wegen einer Haftungsschuld. Die Steuerentrichtungspflicht ist eine Verpflichtung, die nicht auf einer eigenen Schuld des ArbG beruht. Es wird daher in der Literatur mE zu Recht die Kritik geäußert, dass der Gesetzgeber hier Klarheit schaffen sollte, bei der die systematische Abgrenzung zwischen Steuerschuld und Haftungsschuld auch verfahrensmäßig beachtet wird (Cöster in Koenig, AO, 3. Aufl 2014, § 167 AO Rz 15; Drüen, DB 2005, 308; DStR-Beilage 41/2012, 87 f; Nacke, DStR 2013, 335).
Es ist daher der Meinung in der Literatur zuzustimmen, dass wegen der materiell-rechtlichen Inanspruchnahme einer Haftungsschuld auch die Voraussetzungen der Haftungsvorschriften zu beachten sind, insbesondere die Beachtung einer rechtmäßigen Ausübung des Ermessens (Heuermann, StuW 2006, 332; Kruse in GS Trzaskalik, 179; Drüen, DB...