A. Haftungsausschluss des ArbG
Rn. 22
Stand: EL 158 – ET: 06/2022
In einigen Fällen ist die Haftung des ArbG ausgeschlossen. Der ArbG kann hier selbst dann nicht in Anspruch genommen werden, wenn die LSt beim ArbN nicht nacherhoben werden kann.
Der ArbG haftet nicht,
- soweit LSt nachzufordern ist, weil der ArbN seine LSt-Karte nicht hat berichtigen lassen, obwohl die Eintragung der Steuerklasse, die Zahl der Kinderfreibeträge oder die Zahl der Kinder sich im laufenden Jahr geändert hat. Gleiches gilt nach der Abschaffung der LSt-Karte, soweit der ArbN eine Änderung der LSt-Abzugsmerkmale nicht dem FA mitteilt (§ 42d Abs 2 EStG iVm § 39 Abs 5 EStG);
- wenn auf der LSt-Karte bzw nunmehr bei den LSt-Abzugsmerkmalen ein Freibetrag unzutreffend eingetragen bzw erfasst wurde (§ 42d Abs 2 EStG iVm § 39a Abs 5 EStG);
- wenn der ArbG nach § 38 Abs 4 S 2 u 3 EStG dem Betriebsstätten-FA angezeigt hat, dass der Arbeitslohn und andere Bezüge des ArbN zur Deckung der LSt nicht ausreichen und der ArbN den Fehlbetrag nicht zur Verfügung gestellt hat (§ 42d Abs 2 EStG iVm § 38 Abs 4 S 2 u 3 EStG; ausführlich s Rn 24ff);
- wenn der ArbG im Falle des § 41c Abs 4 EStG noch nicht erhobene LSt nachträglich nicht abführt, obwohl der ArbN eine geänderte LSt-Karte mit rückwirkenden Eintragungen vorlegt bzw nach Abschaffung der LSt-Karte, wenn ihm elektronische LSt-Abzugsmerkmale zum Abruf zur Verfügung gestellt werden oder ihm der ArbN eine Bescheinigung für den LSt-Abzug mit Eintragungen vorlegt, die auf einen Zeitpunkt vor Abruf der LSt-Abzugsmerkmale oder vor Vorlage der Bescheinigung für den LSt-Abzug zurückwirken, oder wenn er erkennt, dass er die LSt nicht richtig einbehalten hat, und in allen genannten Fällen dem Betriebsstätten-FA dies unverzüglich anzeigt (§ 42d Abs 2 EStG iVm § 41c Abs 4 EStG; zur Frage, ob dies auch gilt, wenn er erst aufgrund von Hinweisen des LSt-Prüfers dies erkennt und anzeigt, s BFH BStBl II 2010, 833; auch s Rn 28).
Rn. 23
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vorläufig frei
B. Anzeige bei Erkennen der fehlerhaften LSt-Abführung
Rn. 24
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Der ArbG kann nur dann LSt einbehalten, wenn er den Arbeitslohn als Barlohn auszahlt. Erhält der ArbN einen lstpfl Sachbezug oder wird der Lohn von dritter Seite gezahlt, so kann der ArbG keine LSt "einbehalten". In diesen Fällen greift § 38 Abs 4 S 1 EStG. Danach gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder der ArbN stellt dem ArbG den Fehlbetrag zur Verfügung oder der ArbG behält einen entsprechenden Teil der anderen Bezüge des ArbN zurück. Kann der ArbG gleichwohl nicht die LSt abführen, sei es, weil der ArbN die Beträge nicht zur Verfügung stellt oder der ArbG keine anderen Bezüge des ArbN hierfür verwenden kann, ist der ArbG verpflichtet, dies dem Betriebsstätten-FA nach § 38 Abs 4 S 2 EStG anzuzeigen. Unterlässt er diese Anzeige, so stellt sich die Frage, ob der ArbG dann nach § 42d EStG haftet. Hat der ArbG entsprechend § 38 Abs 4 S 2 EStG den Fehlbetrag angezeigt, so regelt § 42d Abs 2 EStG, dass der ArbG in dieser Situation nicht haftet. Den Fall der Nichtanzeige regelt das Gesetz nicht expressis verbis.
Rn. 25
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Der BFH hat die Ansicht vertreten, dass der ArbG im Falle der Nichtanzeige für die nicht abgeführte LSt hafte (BFH BStBl II 2002, 884). Er führt aus:
Zitat
"Diese Anzeigepflicht ergänzt die Einbehaltungspflicht. Die Anzeige ersetzt die Einbehaltung. Sie kann daher als eine Form der Erfüllung der Einbehaltungspflicht angesehen werden ... Versäumt der ArbG die Anzeige, so erhebt er die LSt nicht vorschriftsgemäß. Dies hat die Haftung nach § 42d Abs 1 Nr 1 EStG zur Folge."
Die Entscheidung hat in der Literatur Zustimmung erfahren (Bergkemper, FR 2003, 95; Ehehalt, BFH-PR 2003, 90). Auch die Verwaltung folgt dieser Ansicht (H 42d.1 LStH 2021 "Allgemeines zur ArbG-Haftung").
Rn. 26
Stand: EL 158 – ET: 06/2022
Diese Ansicht des BFH wird aber im Schrifttum zum Teil kritisiert (Eisgruber, DStR 2003, 141; Eisgruber in Kirchhof/Seer, § 42d EStG Rz 25, 20. Aufl und Eisgruber in Kirchhof/Seer, § 38 EStG Rz 25, 20. Aufl; Nacke, DStR 2005, 1298). Nach dieser Literaturansicht wird der Wortlaut des § 42d Abs 1 Nr 1 EStG überdehnt. Wenn danach der ArbG für LSt, die er "einzubehalten und abzuführen" habe, hafte, so falle danach nicht die fehlende Anzeige nach § 38 Abs 4 S 2 EStG darunter. Es liege daher eine haftungsbegründende Analogie vor.
Rn. 27
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Der zuletzt genannten Ansicht ist zuzustimmen. Ob der ArbG in diesen Fällen haftet, richtet sich danach, ob die Haftungsschuld entstanden ist. Die Haftungsschuld des Haftenden entsteht, sobald gemäß § 38 AO der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Entstehung der Haftung knüpft. Der Tatbestand des § 42d Abs 1 Nr 1 EStG fordert für eine Haftung, dass der ArbG eine "einbehaltene LSt" nicht abführt. Eine Anzeige kann dabei schon vom Wortlaut her nicht als "einbehaltene LSt" angesehen werden. Der BFH spricht daher selbst auch von "ergänzen" und "ersetzen". Es ist somit vom BFH ein Analogieschluss gezogen worden, der iRd belastenden Verwaltung unzulässig ist....