A. Überblick
1. Zur Entstehung
Rn. 1
Stand: EL 166 – ET: 08/2023
Die Anrufungsauskunft im LSt-Verfahren war schon in § 79 EStG 1925, später in den LStDB, zuletzt in § 56 LStDV aF geregelt, bevor sie mit Wirkung ab dem VZ 1975 wieder in das ESt-Recht eingefügt wurde.
Das StBereinG 1999 (BGBl I 1999, 2601) hat in § 42e EStG die Sätze 2 bis 4 angefügt, die die Zuständigkeit und die Erteilung einer Anrufungsauskunft in dem Fall betreffen, dass für einen ArbG mehrere Betriebstätten-Finanzämter zuständig sind.
Rn. 2–4
Stand: EL 166 – ET: 08/2023
vorläufig frei
2. Zweck
Rn. 5
Stand: EL 166 – ET: 08/2023
Gesetzgeberischer Zweck: § 42e EStG regelt eine ausschließlich für das LSt-Verfahren geltende Pflicht des FA, auf Anfrage eines am LSt-Abzug Beteiligten – ggf bereits vor Durchführung des LSt-Abzugs – gebührenfrei (BMF vom 12.12.2017, BStBl I 2017, 1656 Rz 1) Auskunft über die Anwendung lohnsteuerlicher Vorschriften im Einzelfall zu erteilen. Dadurch sollen Ungewissheiten über den LSt-Abzug behoben und dem ArbG das Risiko einer späteren Haftungsinanspruchnahme abgenommen werden (BFH vom 04.06.1993, VI R 95/92, BStBl II 1993, 687) bzw dieses Risiko gemildert werden (BFH vom 09.10.1992, VI R 97/90, BStBl II 1993, 166; BFH vom 29.02.2012, IX R 11/11, BStBl II 2012, 651), da Fehler beim LSt-Abzug zur Haftung für LSt bzw zu deren Nachforderung führen können, BFH vom 30.04.2009, VI R 54/07, BStBl II 2010, 996; BFH vom 20.03.2014, VI R 43/13, BStBl II 2014, 592; BFH vom 05.06.2014, VI R 90/13, BStBl II 2015, 48. Das Risiko der Haftungsinanspruchnahme wird dem ArbG allerdings nur dann abgenommen, wenn und soweit der ArbG den Inhalt der erteilten Auskunft beim LSt-Abzug zugrunde legt (BFH vom 16.11.2005, VI R 23/02, BStBl II 2006, 210).
Durch die erteilte Anrufungsauskunft wird das Betriebsstätten-FA gebunden, ausführlich dazu s Rn 54ff. Der Zweck des § 42e EStG besteht in der Haftungsfreistellung des ArbG sowie darin, die Rechtmäßigkeit des LSt-Abzugs zu gewährleisten (Hummel in K/S/M, § 42e Rz A 1 (Februar 2020); Heuermann in Brandis/Heuermann, § 42e EStG Rz 7 (Mai 2022); Krüger in Schmidt, § 42e EStG Rz 5 (42. Aufl); Bleschick in H/H/R, § 42e EStG Rz 3 (Dezember 2020).
Rn. 6–8
Stand: EL 166 – ET: 08/2023
vorläufig frei
3. Sachlicher und persönlicher Geltungsbereich des § 42e EStG
Rn. 9
Stand: EL 166 – ET: 08/2023
Der sachliche Geltungsbereich der Vorschrift umfasst die Frage, ob und inwieweit im Einzelfall die Vorschriften über die LSt anzuwenden sind. Die Erteilung einer Anrufungsauskunft ist somit auf den Bereich des LSt-Abzugsverfahrens beschränkt, BFH vom 16.11.2005, VI R 23/02, BStBl II 2006, 210; BFH vom 13.01.2011, VI R 61/09, BStBl II 2011, 479; ausführlich dazu s Rn 26.
Der persönliche Geltungsbereich des § 42e EStG ist auf die am LSt-Abzugsverfahren Beteiligten beschränkt, ausführlich dazu s Rn 18.
B. Verhältnis des § 42e EStG zu anderen Vorschriften
1. Ähnliche Regelungen
Rn. 10
Stand: EL 166 – ET: 08/2023
Ähnliche Regelungen enthalten § 15 Abs 4 5. VermBG (Auskunft über die Anwendung der Vorschriften über vermögenswerte Leistungen im Einzelfall), BFH vom 05.06.2014, VI R 90/13, BStBl II 2015, 48; BFH vom 05.06.2014, VI R 91/13, BFH/NV 2014, 1873 sowie Art 12 ZK, Art 5–14 ZK-DVO (Verbindliche Zolltarif-/Ursprungsauskunft), BFH vom 26.01.2012, VII R 17/11, BFH/NV 2012, 1497.
2. Verhältnis zu § 89 AO
Rn. 11
Stand: EL 166 – ET: 08/2023
Zum Verhältnis des § 42e EStG zu § 89 Abs 2 AO, der allgemeinen Vorschrift über die verbindliche Auskunft, werden verschiedene Auffassungen vertreten. Nach zutreffender Auffassung des BFH (BFH vom 30.04.2009, VI R 54/07, BStBl II 2010, 996; BFH vom 27.02.2014, VI R 23/13, BFH/NV 2014, 1141; BFH vom 27.02.2014, VI R 19/12, BStBl II 2014, 894) handelt es sich bei § 42e EStG im Verhältnis zu § 89 Abs 2 AO um eine anders gelagerte Vorschrift. Nach anderer Auffassung (Eisgruber in Kirchhof/Seer, § 42e EStG Rz 2 (22. Aufl); Heuermann in Brandis/Heuermann, § 42e EStG Rz 6 (Mai 2022) ist § 42e EStG lex specialis zu § 89 Abs 2 AO als allgemeiner Vorschrift über verbindliche Auskünfte.
3. Verhältnis zu § 204 AO
Rn. 12
Stand: EL 166 – ET: 08/2023
Die verbindliche Zusage nach § 204 AO unterscheidet sich in mehrfacher Hinsicht von der LSt-Anrufungsauskunft nach § 42e EStG und hat andere Voraussetzungen als Letztere, BFH vom 30.04.2009, VI R 54/07, BStBl II 2010, 996. Die verbindliche Zusage hat ausschließlich einen bei der LSt-Außenpüfung geprüften Sachverhalt und dessen Behandlung in der Zukunft zum Gegenstand. Ihre Erteilung steht zudem im Ermessen des FA, während § 42e EStG einen Rechtsanspruch auf Auskunftserteilung begründet; diese kann sich auch auf einen bereits abgeschlossenen LSt-Einbehalt beziehen, soweit dieser noch nach § 41c EStG geändert werden kann, Heuermann in Brandis/Heuermann, § 42e EStG Rz 8 (Mai 2022). Während Adressat einer Zusage nach § 204 AO nur der ArbG sein kann, kann Adressat einer LSt-Anrufungsauskunft auch der ArbN oder ein weiterer am LSt-Abzugsverfahren Beteiligter, zB ein Haftungsschuldner sein, s Rn 18.
Die Anwendung von §§ 89, 204 AO neben der des § 42e EStG kommt dann in Betracht, wenn sowohl die Voraussetzungen des § 204 AO als auch die des § 42e EStG gegeben sind, Krüger in Schmidt, § 42e EStG Rz 13 (42. ...