A. Gegenstand und Voraussetzungen der LSt-Nachschau (§ 42g Abs 1 S 1 EStG)
1. Gegenstand der LSt-Nachschau
Rn. 19
Stand: EL 173 – ET: 06/2024
§ 42g Abs 1 EStG umschreibt die Funktion der LSt-Nachschau, die Sicherstellung der ordnungsgemäßen Einbehaltung und Abführung der LSt. Die LSt-Nachschau umfasst damit – anders als die LSt-Außenprüfung – nicht die Übernahme der LSt (§ 40f Abs 3 EStG), Wagner in Brandis/Heuermann, § 42g EStG Rz 15, 22 (Mai 2022), da diese nicht in § 42g Abs 1 S 1 EStG genannt ist. Mit dieser Maßgabe gilt bezüglich der Prüffelder der LSt-Nachschau das zum Gegenstand der LSt-Außenprüfung Ausgeführte, s § 42f EStG Rn 19 (Pust).
Bei der LSt-Nachschau tritt jedoch typischerweise das Prüffeld "Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung" hinzu, was sich schon aus dem engen Zusammenhang zwischen der Einfügung des § 42g EStG in das EStG und dem Schwarzarbeitsgesetz ergibt (BR-Drucks 302/12 (Beschluss), 39). Die LSt-Nachschau ist zwar primär nicht vergangenheitsbezogen, jedoch besteht ihr Zweck auch in der repressiven Aufdeckung von LSt-Verkürzungen.
Die Einhaltung der Vorschriften über den Mindestlohn nach dem MindestlohnG ist hingegen nicht Gegenstand der LSt-Nachschau, da die Nichtzahlung des Mindestlohns keine Auswirkungen auf die ordnungsgemäße Einbehaltung und Abführung der LSt hat (Wagner in Brandis/Heuermann, § 42g EStG Rz 22 (Mai 2022); aA wohl Janssen-Heid/Hilbert, BB 2015, 598). Wegen der unterschiedlichen Zielsetzung der LSt-Nachschau und der LSt-Außenprüfung s Rn 31.
2. Voraussetzungen der LSt-Nachschau
Rn. 20
Stand: EL 173 – ET: 06/2024
Die Voraussetzungen unter denen eine LSt-Nachschau zulässig ist, ergeben sich aus § 42g Abs 1 EStG nicht eindeutig. Umstritten ist, ob eine LSt-Nachschau trotz des Wortlauts der Norm, der außer den in s Rn 19 genannten Tatbestandsvoraussetzungen keine weiteren Einschränkungen vorgibt, bereits dann zulässig ist, wenn sie gemäß § 42g Abs 1 S 2 EStG der zeitnahen Aufklärung lohnsteuerlich erheblicher Sachverhalte dienen soll (Wagner in Brandis/Heuermann, § 42g EStG Rz 23 (Mai 2022); Loschelder in Schmidt, § 42g EStG Rz 2 (43. Aufl)) oder ob ein hinreichender materieller lohnsteuerlicher Nachschaubedarf gegeben sein muss, "der sich in bestimmten Anhaltspunkten der konkreten Erforderlichkeit im Einzelfall manifestiert" (so Fissenewert in H/H/R, § 42g EStG Rz 22 (Dezember 2022)).
Eines konkreten Anlasses für die LSt-Nachschau bedarf es jedenfalls nicht, Krüger in Schmidt, § 42g EStG Rz 3 (43. Aufl); eine Zufallsauswahl nach Risikomanagementgesichtspunkten ist zulässig; Eisgruber in Kirchhof/Seer, § 42g EStG Rz 5 (23. Aufl); einschränkend Fissenewert in H/H/R, § 42g EStG Rz 22 (Dezember 2022): herangezogene Risikofaktoren müssen sich explizit auf den Bereich der LSt beziehen; aA Wagner in Brandis/Heuermann, § 42 EStG Rz 24 (Mai 2022), wonach eine Zufallsauswahl im Rahmen eines (elektronischen) Risikomanagementverfahrens idR an einem Ermessennichtgebrauch leiden dürfte.
Es reicht aus, wenn die Verwirklichung eines steuererheblichen Sachverhalts möglich erscheint, eine LSt-Nachschau "ins Blaue" hinein ist hingegen nicht zulässig, Wagner in Brandis/Heuermann, § 42g EStG Rz 23 (Mai 2022).
Ein konkreter Aufklärungsbedarf ist schon dann gegeben, wenn nach allgemeinen Erfahrungen der FinVerw Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass ein lohnsteuerlich relevanter Sachverhalt vorliegen könnte, vgl zur USt-Nachschau FG Ha vom 11.04.2018, 6 K 44/17, EFG 2018, 1146. An die Annahme eines Aufklärungsbedarfs iSd § 42g Abs 1 S 2 EStG sind keine allzu hohen Anforderungen zu stellen, Wagner in Brandis/Heuermann, § 42g EStG Rz 23 (Mai 2022), zumal ein steuerstrafrechtlich relevanter Anfangsverdacht vor der LSt-Nachschau nicht bereits bestehen darf, Fissenewert in H/H/R, § 42g EStG Rz 22 (Dezember 2022).
Besteht bereits ein solcher Verdacht, dürfen die Betroffenen nicht den Mitwirkungspflichten des § 42g Abs 3 EStG unterworfen werden, Fissenewert in H/H/R, § 42g EStG Rz 22 (Dezember 2022); FG Ha vom 11.04.2018, 6 K 44/17, EFG 2018, 1146 zur USt-Nachschau nach § 27b UStG. Wird gleichwohl eine LSt-Nachschau durchgeführt, unterliegen die dabei getroffenen Feststellungen einem Verwertungsverbot.
Rn. 21
Stand: EL 173 – ET: 06/2024
Eine LSt-Nachschau kommt nach BMF vom 16.10.2014, BStBl I 2014, 1408 Rz 4 insb in Betracht:
- bei Beteiligung an Einsätzen der Finanzkontrolle Schwarzarbeit,
- zur Feststellung der ArbG- oder ArbN-Eigenschaft,
- zur Feststellung der Anzahl der insgesamt beschäftigten ArbN,
- bei Aufnahme eines neuen Betriebs,
- zur Feststellung, ob der ArbG eine lohnsteuerliche Betriebsstätte unterhält,
- zur Feststellung, ob eine Person selbstständig oder als ArbN tätig ist,
- zur Prüfung der steuerlichen Behandlung von sog Minijobs (vgl § 8 Abs 1 und 2 SGB IV), ausgenommen Beschäftigungen in Privathaushalten,
- zur Prüfung des Abrufs und der Anwendung der elektronischen LSt-Abzugsmerkmale (ELStAM) und
- zur Prüfung der Anwendung von Pauschalierungsvorschriften, zB § 37b Abs 2 EStG.
Kein Gegenstand der LSt-Nachschau sind nach BMF vom 16.10.2014, BStBl I 2014, 1408 Rz 5:
- Ermittlungen der individuellen steuerlichen Verhältnisse der ArbN, soweit sie für ...