A. Identität von Gläubiger und Schuldner (§ 43 Abs 2 S 1 EStG)
Rn. 250
Stand: EL 176 – ET: 10/2024
Ein KapSt-Abzug unterbleibt, wenn der Schuldner der KapErtr und der Gläubiger bzw beim Zinsabschlag die auszahlende Stelle und der Gläubiger dieselbe Person ist.
Es handelt sich um eine persönliche Befreiung für den Abzugspflichtigen. Eine Ausnahme gilt zum einen für die Fälle des § 43 Abs 1 S 1 Nr 1a EStG, wenn es sich um sammelverwahrte Aktien und Genussscheine handelt, bei denen weiterhin ein KapSt-Abzug erfolgen soll (BT-Drs 17/5417, 19 zu Abs 2 S 1), zum andern für § 43 Abs 1 S 1 Nr 7c EStG, für die ja gerade eine Trennung ein und desselben Rechtsubjekts in Gläubiger und Schuldner für Zwecke des KapSt-Abzugs fingiert wird.
Maßgeblich für die Identitätsfrage ist der Zuflusszeitpunkt (iSd Vorschriften über den KapSt-Abzug, also mit Vorrang des § 44 Abs 2–4 EStG als lex specialis vor § 11 EStG), nicht der Zeitraum, für den die KapErtr zufließen; für Zinserträge RFH RStBl 1931, 233; Gersch in K/S/M, § 43 EStG Rz L 8.
Rn. 251
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Eine solche Identität liegt vor bei dem Gläubiger, der Erbe des Schuldners der KapErtr wird (Levedag in Schmidt, § 43 EStG Rz 19 (42. Aufl 2023)), oder bei echten Wertpapierpensionsgeschäften mit bzw beim Kreditinstitut als auszahlender Stelle für eigene Wertpapiere; Hamacher/Dahm in Korn, § 43 EStG Rz 89 (EL 89).
Dagegen fehlt es an einer solchen Identität für Mutterunternehmen und Tochtergesellschaften in Organschaftsfällen.
Rn. 252
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Normalerweise erlöschen Forderungen/Verbindlichkeiten, wenn Gläubiger und Schuldner identisch sind (Konfusion). Mangels geschuldeten KapErtr unterbleibt auch der KapSt-Abzug.
Bei Inhaberschuldverschreibungen tritt keine Konfusion ein: vgl RGZ 147, 233. Sowohl Erträge als auch Zinsen sind in der GuV auszuweisen; BFH BStBl II 1976, 358. Wegen Identität von Gläubiger und Schuldner unterbleibt der KapSt-Abzug.
Hält eine AG eigene Aktien oder eine GmbH eigene Geschäftsanteile, so liegt ebenfalls eine Identität von Gläubiger und Schuldner vor. Der KapSt-Abzug ist aber dennoch von der vollen Ausschüttung vorzunehmen. Rechte aus eigenen Aktien oder Geschäftsanteilen ruhen gem § 71b AktG insb im Hinblick auf das Dividendenrecht (Hüffer/Koch, AktG, § 71b Rz 4 (14. Aufl 2020)), sodass das Ergebnis in vollem Umfang den übrigen Aktionären oder Gesellschaftern zusteht; BGH, GmbHR 1995, 291; BGH 1998, 538. Bei diesen greift aber keine Befreiung vom KapSt-Abzug.
Rn. 253–259
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vorläufig frei
B. Interbankengeschäfte (§ 43 Abs 2 S 2 EStG)
Rn. 260
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Ist Gläubiger der KapErtr aus der Forderung gegen das inländische Kredit- oder Finanzdienstleistungsinstitut oder die inländische Zweigstelle eines entsprechenden ausländischen Instituts seinerseits ein inländisches Kredit-, Finanzdienstleistungs- oder Wertpapierinstitut einschließlich der Deutschen Bundesbank, der Kreditanstalt für Wiederaufbau, der Postbank AG oder einer Bausparkasse sowie kraft Fiktion die inländische Zweigstelle eines ausländischen Kredit- oder Finanzdienstleistungsinstituts, ist kein Zinsabschlag vorzunehmen. Soweit die KapErtr als Teil des Gewinns überhaupt stpfl sind – zT sieht § 5 KStG eine Befreiung von der KSt vor –, wird auf die Erfassung iRd Veranlagung vertraut. Auch wenn dies nicht ausdrücklich angeordnet ist, wird man im Wege erweiternder Auslegung die ergänzenden KapErtr iSd § 43 Abs 1 S 2 EStG zu den primären KapErtr in die Begünstigung mit einbeziehen müssen.
Rn. 261
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Weil das Gesetz früher für die Gläubigerdefinition nicht an die Schuldnerdefinition bei einfachen Forderungen in Abs 1 S 1 Nr 7 Buchst b S 1 anknüpfte, sondern in S 4 Doppelbuchst aa eine eigene Definition enthielt, galt die Befreiung auch für Geschäfte mit ausländischen Zweigstellen inländischer Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute; Hess in Lademann, § 43 Rz 451 und Bullinger/Radke, Handkommentar zum Zinsabschlag 1994, Rz 171 und 1252.
Nunmehr verzichtet das Gesetz auf eine eigenständige Definition, sondern knüpft an die Schuldnerdefinition bei einfachen Forderungen an. Vom Wortlaut her würde die Befreiung für die ausländischen Zweigstellen inländischer Kreditinstitute nicht mehr gelten. Diese Frage ist ausweislich der Materialien im Gesetzgebungsverfahren nicht behandelt worden. Da meist die DBA-Befreiung für ausländische Betriebsstätten eingreifen dürfte, hätte der Gesetzgeber seinen Änderungswillen deutlich artikulieren müssen. Es ist daher davon auszugehen, dass keine Änderung gewollt war.
Das BMF hat denn auch entsprechend reagiert und in seinem Schreiben zu Einzelfragen der AbgSt v 09.10.2012 insoweit und auch hinsichtlich der Bundesbank für eine Klarstellung gesorgt (BMF BStBl I 2012, 953 Rz 174, inzwischen BMF v 19.05.2022, BStBl I 2022, 742 Rz 174).
Rn. 262–264
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vorläufig frei
C. Gewinneinkünfte und VuV (§ 43 Abs 2 S 3ff EStG)
Rn. 265
Stand: EL 176 – ET: 10/2024
Die Ausdehnung der Abzugstatbestände auf ausländische Dividenden, Stillhalterprämien, Veräußerungsvorgänge und Termingeschäfte zielt darauf ab, die Erträge aus Kapitalanlagen der ...